Bis der Arzt kommt

Korrespondent wird krank. Korrespondent geht ins Spital. Korrespondent macht eine Story draus.

Dem US-Korrespondenten von Tamedia, der sich in hartem Konkurrenzkampf mit seinen Kollegen von der SZ befindet, ist ein gesundheitliches Malheur passiert. Als Beweis, dass dem Journalisten heutzutage der eigene Bauchnabel (und was dahinterliegt) am wichtigsten ist, der anrührende Bericht:

«Dauererbrechen, Bauchschmerzen? Bitte einmal im Wartesaal Platz nehmen. Nach fünf Stunden auf Sitzen mit eingetrockneten Blutspritzern durfte sich der Schweizer Patient schliesslich auf eine Pritsche im kalten Neonlicht eines Gangs legen. Für eine Behandlung mit einer Infusion, einer Blutentnahme, einer Computertomografie und einem Gespräch mit einem Arzt. Diagnose: Entzündung der Bauchspeicheldrüse.»

ZACKBUM ist erleichtert zu lesen, dass das dann doch nicht so schlimm war und sich eigentlich von selbst wieder einrenkte. Aber schwer verdaulich für Fabian Fellmann «aus Washington» war dann die Rechnung: 11’737,06 Dollar. Dafür muss die Oma ganz schön lang stricken, und der Korrespondent ganz schön viel schreiben.

Um daraus etwas Produktives zu machen, versuchte Fellmann herauszufinden, wie diese exorbitante Rechnung denn zustande kam. Das war nicht ganz einfach, wie er langfädig erläutert, aber am Schluss wusste er es: Blutuntersuchungen über 1000 Dollar, Notfall 4000 Dollar, Computertomographie knapp 6000 Dollar.

Dahinter steht offenbar ein kompliziertes Berechnungssystem, das die Privatspitäler dazu verpflichtet, je nach Art der Krankenkasse des Patienten ganz verschiedene Tarife in Anschlag zu bringen.  So weit, so schlecht.

Dann gesteht Fellmann aber ein: «Ein Schweizer Journalist, als entsandter Arbeitnehmer bei einer Schweizer Krankenkasse angemeldet, gilt in den USA als «unversichert». Wer in diese Kategorie der Ohnmächtigen gehört, berappt Höchstpreise.» Vielleicht sollte er sich mal erkundigen, was eine Auslandskrankenversicherung ist, die er bei den meisten Schweizer KK abschliessen kann. Oder vielleicht hat er sogar eine, denn er schreibt weiter: «Immerhin kann sie sich der Schweizer von der heimischen Krankenkasse erstatten lassen.»

In den USA gibt es fünf Möglichkeiten sich zu versichern: Arbeitgeber, Medicare, Medicaid, Privat oder Selbstzahler.  Dabei gibt es Härtefälle, wenn – wie in der Schweiz – eine Krankenkasse ein teures Medikament oder eine teure Therapie oder Operation nicht bezahlen will.

Die Selbstdiagnose einer Erkrankung erscheint bei Tamedia allerdings im Ressort Schweiz. Warum? Weil Fellmann seine Bauchspeicheldrüse zum Anlass nimmt, die Vorteile eines teilkontrollierten Gesundheitssystems wie in der Schweiz mit einem weitgehend privatisierten wie in den USA zu vergleichen. Nach der Devise: auch in der Schweiz explodieren vielleicht die Kosten, aber im Vergleich zum Land of the Free habt ihr es dann noch wirklich gut. Impliziert ist darin natürlich, dass es noch gesünder wird, sollte die Prämieninitiative angenommen werden. Oder wollt Ihr etwa amerikanische Zustände in Schweiz?

Aber immerhin: wann darf sich ein Korrespondent schon mal in voller (also halber) Lebensgrösse vor einem Ort seiner persönlichen Erfahrung ablichten lassen?

Und lebt: US-Korrespondent Fabian Fellmann vor Spital.

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