Der Tagi kocht

Wenn Restaurantkritik nicht geht, dann vielleicht Koch-Videos?

Der «Tages-Anzeiger» kriegt sich gar nicht ein. Er macht gleich eine eigene Rubrik auf und verwendet alle vier Kochplatten, äh Artikelplätze, um auf ««ELIF X TAGI»: Unsere Kochserie» hinzuweisen.

Blöd nur, dass da die Themen schon am Anfang ausgegangen sind. Links wird «Eiersalat à la Mama – einfach leicht und wunderbar» angepriesen. Wer das bis rechts schon vergessen hat, kein Problem: «Eiersalat à la Mama – einfach, leicht und das ganze Jahr wunderbar». Gut, das mit dem ganzen Jahr wusste man links noch nicht.

Wie sagte da Goethe schon ganz richtig: «Getretener Quark wird breit, nicht stark

Auch sonst ist das kulinarische Angebot etwas dünn, aber immerhin scheint Elif keine Nutella zu verwenden. Also wird die Mode-Köchin mit türkischen Wurzeln und hippem Restaurant «Gül» mit einem Werbevideo angepriesen. Dann wird ein Werbe-Interview mit ihr geführt (Versucherli: ««Wir» – das sind Sie und Ihr Lebenspartner Markus Stöckle. Wie schafft man es, das coolste Pärchen von Zürich zu werden?»). Dann wird ein Werbevideo «In eigener Sache» für den Tagi und für die Köchin gezeigt. Und dann hat der «Eiersalat à la Mama» seinen gefühlt zehnten Auftritt.

Der ist dann allerdings hinter der Bezahlschranke verborgen. Also zuerst den Mund wässrig machen, dann «ätsch» sagen. Wohl noch nie etwas von einem Teaser gehört. Oder andererseits, ohne der Mutter von Elif zu nahe treten zu wollen, ist eine Mischung aus harten Eiern, Minze, Dill, Sauerampfer, Gartenkresse, Lattichblättern und einem Frühlingslauch wirklich innerhalb und ausserhalb der Türkei wow? Abgeschmeckt wird es übrigens mit Granatapfeldicksaft, Olivenöl, Zitronensaft, Fleur de Sel und Sumach (das sei «ein orientalisches Gewürz aus den Steinfrüchten des Färberbaums»).

Et voilà: «Den gemischten Kräutersalat auf den Eiern verteilen, Fleur de Sel und Sumach darüberstreuen und grosszügig mit dem Olivenöl, dem Granatapfeldicksaft und dem Zitronensaft beträufeln. Gut mischen und sogleich servieren.»

Es mag nun durchaus so sein, dass in hippen und woken Kreisen eine solche Küche nicht als kulturelle Aneignung oder ähnliches Pfuizeugs gehandelt wird. Sumach gibt dem Ganzen sicherlich so eine schön-exotische Note, man könnte das aber auch durch banalen Zitronensaft oder Essig ersetzen.

Ob also ein ethnisches Minderheitenprogramm wirklich die Tagi-Leser (und Leserinnen, sowie *Innen, plus alles, was an Nonbinärem, Trans und Genderformen sonst noch rumfleucht) in Scharen an die Schüssel treiben wird?

Oder ist es nicht so, dass die Zeit der Invasion der TV-Köche, als auf allen Kanälen gebrutzelt, gerührt, gebraten, geschmeckt und geprüft wurde, nicht langsam vorbei ist? Vor allem die Version: Koch steht in der Küche und kocht?

Aber, um den Running Gag zu Tode zu reiten, solange in der türkischen Küche keine Nutella verwendet wird und allen Spielarten von Allergikern mit Warnhinweisen vom Verzehr abgeraten wird, ist doch alles super.

11 Kommentare
  1. René
    René sagte:

    Herr Zeyer
    Sie sind ein alter, festgefahrener Mann, der mit dieser Seite die bemitleidenswerte Vorstellung eines konstruktiven Zynismus zu nähren versucht. Doch gibt es diesen nicht. Zyniker (zer-)stören, was Sie selber nie hatten, haben oder haben werden. Freude im und am Leben. Echte Freude, die mit Tränen, nicht die mit Häme.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Und jemand, der zu feige ist, sich wenigstens per Mailadresse zu identifizieren, was ist der wohl sonst noch?

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Hab noch nicht fertig gelesen bis oben – aber schon 2 mal herzlich gelacht, vielen Dank Herr Zeyer. Alles für meine (unsere) Gesundheit!
    Ich weiss nicht, was Sie gekocht, gegessen, inhaliert haben – gestern – aber Ihre Hochform der gehobenen Unterhaltung, abgeschmeckt mit kritischen Gedanken und Goethe, uns serviert zu Auffahrt, solche Höhenflüge tun den peinlichen Medioken mehr weh als die Kritiken.
    Und sogar der Herr Bitterli macht auf jung und schlank.

    Als Zugabe jetzt dann zum Feiertag noch Artikel 3, ich bedanke mich jetzt schon, WUNDERBAR was Sie der geneigten (zahlenden?) Kundschaft immer wieder kredenzen.
    mercy, sagen die andern.

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  3. K. Meyer
    K. Meyer sagte:

    Zur Not kann der/die/das geneigte Leser/in beim Kochen ja noch „Free Palestine“ schreien, das mildert die kulturelle Aneigunung dann etwas ab.

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Ich fordere vom „globalen Süden“ Restitution der westlichen Medizin. Da herrscht dann rasch Ruhe im Karton, und die ganzen Klimakatastrophen sind auch bewältigt.

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  4. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Genau, und ganz wichtig, Okra-Wasser ist gut für die Vagina, und soll darüber hinaus die Frau auch noch schön machen – schreibt 20 Minuten in seiner Mittwochs Ausgabe – Voodoo?

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  5. H C
    H C sagte:

    Eiersalat à gogo: Wenn er nicht doppelt in der Headline vorkommt, dann sicherlich noch einmal im Lead. Eieiei … bin gespannt, was Bitterli dazu sagt.

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