Angefressen

Claudia Schmid von Tamedia leistet sich was.

Zu den wenigen Genüssen im Elendsjournalismus gehört, dass man gelegentlich auf Redaktionsspesen was futtern darf. Wenn das Ergebnis lautet «Ein gediegener, aber teurer Abend mit einigen Malheurs», dann ist da offenbar einiges schiefgelaufen.

Man fragt sich allerdings, bei wem. Denn Schmid durfte mit Gatten und Kind (Kind in einem Luxusrestaurant? Grossartig) «La Soupière» im Hotel Schweizerhof in Zürich ausprobieren. Das scheint nicht ganz ihr gewohntes Preisniveau zu sein, denn sie wundert sich einleitend, dass ein Glas Rosé-Champagner 23 Fränkli kostet. Als hätte es nicht billigere Alternativen dazu gegeben.

Obwohl’s doch Tamedia zahlt, wird schon mal gemeckert: «Aber der Gedanke, dass wir mit leerem Bauch schon 50 Franken los sind, ist bemerkenswert.» Der Gedanke, dass ein Apero meistens auf leeren Magen genossen wird, scheint der Restaurantkritikerin nicht gekommen zu sein. Auch dass ein Perrier-Jouet Rosé unter Brüdern 70 Franken die Flasche kostet, im «Schweizerhof» kundenfreundlich nur das Doppelte (normalerweise wird mit Faktor 3,5 kalkuliert), das sind Feinheiten der Gastronomie, die Schmid völlig entgehen.

Dann wird gelobt («schöner kulinarischer Auftakt»), leicht gemeckert (das Schnitzel für kostengünstige 29 Franken von der «Kids-Karte» kam mit gedämpften Kartoffeln statt mit Pommes frites), wieder gelobt («vielschichtige Suppe, schön angerichtet ist der Salat»). Was für ein Feuerwerk gewählter kulinarischer Fachsprache.

Dann enttäuscht der Zander, «ein Stückchen Filet, das in wenigen Bissen weg ist. Das Kartoffelpüree dazu ist trocken». Dann wird wieder gelobt und gemeckert zugleich: «Dafür ist das Filet beim Züri-Gschnätzlets (62 Fr.) wunderbar weich, die Sauce sämig und die Rösti nicht zu fettig und knusprig. Mittlerweile sitzt eine amerikanische Gruppe nebenan, die lautstark ebenfalls «Zuurigöschnatzöltes» bestellt

Mag sein, dass die Amis bei der Aussprache Mühe haben. Aber eine Restaurant-Kritikerin, die behauptet, fürs Züri Geschnätzlets werde Filet verwendet? Die hat nun wirklich keinen Hauch einer Ahnung.

Inwiefern andere Gäste etwas über die Qualität des Gebotenen aussagen, bleibt zudem schleierhaft. Aber dann Höhe- und Tiefpunkt zugleich: «Als Nachspeise erblickt der Familienvater auf dem Dessertwagen eine Schokoladentarte (13 Fr.)». Aber der Familienvater hat eine «starke Haselnussallergie» und fragt daher, ob das Küchlein solche enthalte. Der Kellner verneint. Dann das Malheur: das Dessert bestehe «zum Grossteil aus Nutella». Wie das allerdings Schmid herausfand, bleibt ihr süsses Geheimnis.

Auch über die gesundheitlichen Auswirkungen schweigt der Kritikerin Höflichkeit, dabei wäre es hier doch angemessen gewesen, die Frage in den Raum zu stellen, ob eine Schokoladentarte wirklich aus Nutella bestehen darf. Natürlich nicht, aber vielleicht ist das zu sehr gehobene Gastronomie für Schmid.

Denn eine klassische Tarte besteht nur aus Zartbitterschokolade, Butter, Eier, Zucker und Mehl. Sollte in «La Soupière» tatsächlich das Dessert so angekündigt worden sein und Nutella enthalten, dann wäre das wirklich ein Grund, loszuprügeln. Aber das ist Schmid entgangen.

Sie vergisst dann nicht zu erwähnen, dass Tamedia um 300 Franken ärmer geworden sei, sich die Hoteldirektion nach telefonischer Meldung des Nutella-Unfalls schriftlich entschuldigte. Aber sie muss nachtreten: «Warum La Soupière auf Tripadvisor so hoch bewertet ist, wird nach diesem Besuch nicht klar.»

Noch weniger klar ist, wieso eine offensichtlich jeglicher Befähigung zu einer kulinarischen Kritik abholde Esserin, die mit Mann (Allergiker) und Kind (Schnipo-Fan) ein Luxuslokal aufsucht, sich zum Anfang samt Familienvater zwei Rosé-Champagner reinpfeift, um dann in rustikalen Worten («schön angerichteter Salat, Filet wunderbar weich») das Dargebotene zu beckmessern, meint, dass eine solche Watsche etwas mit Qualitätsjournalismus zu tun habe.

Sie weiss nicht, woraus eine Tarte besteht, sie weiss nicht, welches Fleisch für ein Geschnätzlets verwendet wird, und sie weiss nicht, was ein Rosé-Champagner einer Prestigemarke kostet.

Wahrscheinlich war der Guide Michelin in einem anderen Restaurant zu Gast, der von der «stilvollen Einrichtung» schwärmt, dem «geschulten Service» und der «modern umgesetzten klassisch-französischen Küche». Wozu nun weder ein Schnipo (mit oder ohne Pommes frites) oder gar ein Züri Geschnätzlets gehören.

Dass man zu dritt in einem Luxuslokal 300 Franken ausgibt, kann als eher kostengünstig eingestuft werden. Dafür ein Kind mitzuschleppen, gehört eigentlich zu den kulinarischen Todsünden (aber he, wenn Papi Tamedia zahlt). Und den einzig wahren Faux-pas nicht zu bemerken, dass eine Schokotarte sicherlich nicht aus Nutella bestehen darf, das disqualifiziert endgültig.

Eigentlich sollte «La Soupière» Schadenersatz für eine unqualifizierte Schmähkritik verlangen. Aber dafür ist man sicher zu stilvoll.

 

12 Kommentare
  1. Ast
    Ast sagte:

    Nach diesem mediös saumässigen Wochenende gibt mir dieser Kommentarverlauf (zu einem Thema welches mich nur als Direktbetroffener interessiert, also hier überhaupt nicht) ein wenig Hoffnung in die Menschheit zurück. Ganz im Sinne von Matters Boxmatch.
    Merci.

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  2. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Man sieht: Die Fresskolumne wird halt einfach am meisten gelesen und kommentiert. Der einzige Ausweg aus der Aporie führt wie so oft über das Kommentieren der Kommentierenden.

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  3. C.Rickenbacher
    C.Rickenbacher sagte:

    Eine Fastfood Konsumentin versucht sich in der gehobenen Gastronomie. Die Bewertungen der Restaurant’s lassen tief blicken, besonders bei den Schreiberlingen. Wirklich gut verdienen in dieser Branche in der Regel Familienbetriebe. Die noch Wissen was tagtägliche Dienstleistung ist. Ein solcher Gourmet-Betrieb habe vor meiner Nase (16). Top Preis Leistungsverhältnis.

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Etwas ratlos:
      Ist jetzt „Restaurant‘s“ der beliebte sächsische Genitiv (auch „Deppen-Genitiv“), der ja aber nur im Singular angewendet wird? Oder doch eine kühne Form des Genitiv Plural, wie der Artikel „der“ nahelegt? Welches sind dann die „Bewertungen“, wo doch bloss von einer einzigen die Rede war? Und inwiefern lassen diese tief blicken? Ja, und wieso „besonders bei den Schreiberlingen“, wo doch jede „Bewertung“ zwingend einen Schreiberling haben muss?
      Und last but not least:
      Was bedeutet die „16“ nach „Nase“? Die Länge? Gewissermassen entlang der Faustregel „So auch sein Johannes“?

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    La Soupière bietet das Züri Geschnätzlets mit Fleisch vom Kalbsfilet an, im Gegensatz zu vielen anderen Restaurant die dafür Fleisch von der Nuss verwenden.

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    • Noah Fetter
      Noah Fetter sagte:

      Ob da wirklich Filet (95 CHF/Kg) oder Nuss (80 CHF/Kg) drin ist müsste man chromatographisch/genetisch untersuchen. Haptisch und olfaktorisch sind Unterschiede nicht feststellbar, sofern der Koch wirklich etwas kann.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      In der Tat ergab eine Nachfrage beim «Schweizerhof», dass hier das Geschnetzelte wider den Brauch mit Kalbsfilet zubereitet wird. ZACKBUM nimmt diesen Punkt zurück und entschuldigt sich.

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