Die SZ und der Plagiatsverdacht
Wieso schweigt Tamedia zu einem brisanten Problem?
«Hetzjagd auf eine Journalistin», so lehnte sich die Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in Verteidigung ihrer Kollegin Alexandra Föderl-Schmid aus dem Fenster. Die stellvertretende Chefredaktorin der «Süddeutschen Zeitung», von der Tamedia grosse Teile seines Inhalts übernimmt, «hat offensichtlich versucht, sich das Leben zu nehmen», war sich Birrer sicher, obwohl das nie bestätigt wurde.
Vielleicht hätte sie sich ein Beispiel an der aus der Schweiz importierten Quotenchefredaktorin Judith Wittwer nehmen sollen. Die schweigt bis heute eisern zu den Vorwürfen, dass Föderl-Schmid kräftig in ihren Texten plagiert haben soll.
Seither ist bei Tamedia Ruhe im Karton, in Deutschland verlagerte sich die Debatte mehr in die Richtung, dass der Plagiatsjäger und Ankläger Stefan Weber aus pekuniären Gründen eine Hetzjagd veranstaltet habe.
Aber auch das ist verstummt, seit er bekanntgab, dass die Vizechefin mindestens 34 SZ-Artikel teilplagiert habe. So habe sie einen taz-Kommentar fast eins zu eins kopiert. Auch wörtliche Zitate aus zurückliegenden Reportagen, wie beispielsweise des «Spiegel», seien ihr nachzuweisen.
Nicht nur Tamedia ist verstummt, auch in Deutschland herrscht eisiges Schweigen. Einzig die FAZ wagte es, darauf hinzuweisen, dass nun die SZ-Kommission, die untersucht, Kontakt zu Weber aufgenommen habe, nachdem der weitere Fundstücke publiziert hatte.
Offenbar wird es mit «untersuchen, aussitzen, kübeln» schwieriger. Je mehr sich der Verdacht verdichtet, dass Föderl-Schmid tatsächlich häufiger abgekupfert hat, desto peinlicher wirkt die Parteinahme von Birrer. Der SZ-Vizechefin, die immer noch ruht, fliegt derweil der Titel ihres Buchs um die Ohren: «Journalisten müssen supersauber sein». Bei erwiesenem Abschreiben müsste ein Journalist zurücktreten, dekretiert sie dort.
Es kann nun passieren, dass in der Hitze des Gefechts oder bei Schreibstau ein Journalist findet, dass es doch erlaubt sein müsse, mal da und dort eine Anlehnung zu machen, merkt doch keiner. Es ist schwer zu definieren, wo da die Schwelle zum Entlassungsgrund liegt. Aber gibt es tatsächlich mehr als 34 Plagiatsfunde in ihren Texten, dann wird sie Opfer ihrer eigenen Ankündigung. Dann handelt es sich eben doch nicht um eine «Hetzjagd», wie auch die Chefredaktion der SZ am Anfang markig verkündete.
Und einmal mehr erhebt sich die Frage, wie es denn um die Fehlerkultur auf Redaktionen bestellt ist. Dort gibt es doch immer genügend Scharfrichter, die auch das kleinste Fehlverhalten – vorzugsweise politisch unliebsamer Personen – streng verurteilen und nie müde werden, personelle Konsequenzen zu fordern. Aber wenn es mal eine der Ihren trifft, dann werden die Reihen geschlossen, es wird zurückgekeilt, der Ankläger zum Angeklagten gemacht, und völlig uninformierte Helfershelfer wie Birrer brabbeln etwas von «Hetzjagd».
Früher mal sollte ein Chefredaktor (das gilt auch für weibliche) ein Vorbild sein, vor allem bei seinen öffentlichen Äusserungen. Tempi passati, offensichtlich.
«Hetzjagd auf eine Journalistin» schrieb Birrer. Wäre sie unabhängig, kritisch und nicht der plumpen feministischen Solidarität verpflichtet gewesen hätte sie einen Artikel geschrieben «SZ Journalistin des Plagiats verdächtigt», im Lead erwähnt «auch die dummen TA LeserInnen betroffen». Aber beim TA kommt Ideologie vor Information und München redigiert mit.
Föderl-Schmid sieht sich als clevere Frau wählt Titel und Texte wenn sie denn von ihr sind genau. Der Titel ihres Buches «Journalisten müssen supersauber sein», von Journalistinnen steht im Titel nichts. Das Buch erschien August 2013 und auch F-S wie viele JournalistenInnen schreiben nach dem Grundsatz «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern morgen».