Stumm wie ein Fisch

Was nicht mal stimmt, denn Fische geben Laut. Journalisten nicht.

Es ist eine zunehmende Unsitte. Journalisten verlangen lauthals Auskunft, Stellungnahmen und unterstellen flugs unlautere Absichten, wenn jemand einfach nicht auf ihre Anfragen antwortet.

Kurt W. Zimmermann macht sich völlig zu Recht in der aktuellen «Weltwoche» darüber lustig: «Dazu will ich mich nicht äussern», überschreibt er seine Medienkolumne. Als Paradebeispiel dient ihm Anuschka Roshani. Die hat im «Spiegel» ihren ehemaligen Chef und den Tamedia-Verlag in die Pfanne gehauen, dass es nur so gekracht hat.

Inzwischen musste der «Spiegel» bereits diverse Vorwürfe löschen, Prozesse sind hängig, und Roger Schawinski hat ein Aufklärungsbuch geschrieben, in dem – gestützt auf einen topseriösen Untersuchungsbericht – fast alle Vorwürfe von Roshani in der Luft zerrissen und ins Reich der (bösartigen) Fantasie verwiesen werden.

Wäre also durchaus sinnvoll, wenn sich Roshani nach ihrer Breitseite im «Spiegel» Anfang Februar erklären würde. Aber nein, sie sagt kein Wort. Oder nur zwei, drei, als sie von einer wohlgesonnenen Journalistin der «Süddeutschen Zeitung» Gelegenheit erhält, zu einer besonders peinlichen Tatsache Stellung zu nehmen. Nämlich der, dass sie vor ihrem internen und dann öffentlichen Mobbing sich um den Stuhl ihres Chefs schriftlich beworben hatte, obwohl der noch draufsass. Das sei eine «Vorwärtsstrategie» gewesen, darf sie unwidersprochen sagen.

Noch irrer war dann der «Literaturclub» des Schweizer Farbfernsehens, in den sie eingeladen wurde. Man habe entschieden, zum aktuellen Fall nichts zu sagen, sondern nur über Bücher zu sprechen. Geisterbahn ist noch ein sanfter Ausdruck für diese Art von Journalismus.

Aber es greift immer mehr um sich. Der ehemalige publizistische Leiter von CH Media ist offenbar und nachweisbar das Sprachrohr von Jolanda-Spiess-Hegglin gewesen, gab ihr seine Artikel vorab zur Durchsicht und koordinierte die Veröffentlichung mit ihr. Ob das stimme, und was das soll, wurde Pascal Hollenstein gefragt. Schweigen.

Bruchpilot Hansi Voigt ist Journalist und hält seinen Latz eigentlich überall rein. Welch üble Rolle spielte er eigentlich bei der Hetzkampagne gegen Michèle Binswanger? Schweigen. Welche Mitarbeiter hat eigentlich die «Republik» warum entlassen? Schweigen.

Die Beiräte von Hetzcourage, Pardon «Netzcourage» werden angefragt, ob sie nicht auch Zweifel an der charakterlichen Eignung der beiden Exponenten haben. Schweigen, mit Ausnahme eines Anwalts, der sagt, dass er nur mit dem Vorstand in dieser Sache rede, nicht mit der Öffentlichkeit.

Anfragen an Chefredaktoren und Journalisten, eine Anfrage an Fabian Urech von der NZZ, an Kaspar Surber von der WoZ, an Salome Müller von der «Zeit», an Renato Beck von der WoZ, statt einer inhaltlichen Antwort kommt bei ihm zurück: «Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Sonst Schweigen, tiefes Schweigen oder höchstens mal ein flapsiger Spruch.

Schweigen oder Wurstigkeit, ein weiteres Symptom für den Niedergang des Journalismus. Wer soll denn noch Anfragen von Journalisten ernst nehmen, wenn die nicht mal selbst antworten?

Wer soll denn Journalisten noch ernst nehmen, wenn die nicht einmal rechtsgültige Verurteilung wegen eines einzigen Tweets aus dem Jahre 2020 über 70 Treffer in der Mediendatenbank SMD zeitigt, die Veröffentlichung erschreckender «#hateleaks», die Auswertung von tausenden von Mitteilungen, wird hingegen im Mainstream stumm übergangen?

Ist das noch ernstzunehmender Journalismus, betrieben von ernstzunehmenden Journalisten? Die sich über nebensächliche Themen wie Genderstern, inkludierende Sprache und das eifrige Nachführen von Listen von Wörtern, die man nur noch als N-Wort oder als M***kopf ausschreibt, ungehemmt und ungebremst verbreitern?

Sich unglaubwürdig machende Journalisten schreiben über Pipifax, antworten nicht auf Anfragen und legen überhaupt ein geistiges Niveau vor, bei dem sich selbst ein Schimpanse am Kopf kratzt. Das tragen sie zudem in einer Sprache vor, die auch ohne Genderstern mehr Geholper als Gekonntes ist. Sie summen im Chor die gleiche Meinung mit, wiederholen die ewig gleichen Scherenschnitte (Trump, au weia, Putin, sehr au weia, Xi, furchtbar au weia), fühlen mit jeder durch einen wollüstigen Blick belästigten Frau mit, scheren sich aber einen Dreck darum, wenn eine renommierte Journalistin durch eine Schmieren- und Hetzkampagne fertiggemacht werden soll.

Und dann wundern sie sich wirklich, dass die Lust des Publikums rapide abnimmt, dafür auch noch das Portemonnaie zu öffnen? Sich an die «Paywall heranführen» zu lassen, wie das die Chefredaktorin von Tamedia mit unübertroffener Einfalt radebrecht?

7 Kommentare
  1. Alexander Müller
    Alexander Müller sagte:

    Von Experten zu lernen bedeutet, den Sieg zu erringen. Es erweist sich oftmals als ratsam, gänzlich schweigsam zu verharren. Journalisten verfolgen in der Regel ein bestimmtes Ziel und lassen sich von dem, was man äußert, ohnehin nicht davon abbringen.

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  2. Schorschli
    Schorschli sagte:

    Schön formuliert von Renato Beck «Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen». Anders ausgedrückt, weil sich der Anfragende nicht in der gleichen Blase befindet, ist er qutomatisch ein NAZI. Linke können aber auch Gesinnungs-Nazi oder Faschisten sein.

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    • peter weilharter
      peter weilharter sagte:

      Aus diesem Grund wurde das (absichtlich falsch geschriebene) Kofferwort, «NAZI» ja konzipiert und in Umlauf gebracht.

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  3. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Genauso wie Schwurbeln, Ablenken, Rabulisieren ist Schweigen, Aussitzen, Ignorieren, Ghosting: die Methode von Lügnern, Heuchlern, Charakterlumpen. Es liegt an allen anderen, dass sie damit nicht durchkommen. Danke Zackbum.

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  4. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Es gibt eine neue Disziplin im Journalismus, nämlich das Schamgefühl, verknüpft mit der Disziplin «Ghosting». Gemeint ist jemand, der die Gesprächsbereitschaft erklärungslos abbricht oder schon im Vorfeld ablehnt. Schwache Personen genieren sich, ob ihren Widersprüchen und Unzulänglichkeiten. Sie fühlen sich beim Stehlen ertappt. All diese Falschspieler müssen den Pranger der Öffentlichkeit spüren.

    Das Schamgefühl gehört zu den bei allen Menschen auftretenden Affekten. Auslöser für Schamgefühle können innerseelische Vorgänge sein, wie zum Beispiel der Eindruck von Peinlichkeit oder Verlegenheit, aber auch die Bloßstellung oder Beschämung durch andere Menschen in Form von Demütigungen oder Kränkungen.

    Der Meinungsfilter bei diesen selbsternannten Sprachrohren müsste einen Reset erfahren. Wer direkt und authentisch ist, wird als Unruheherd klassifiziert – oder blockiert.

    Jetzt will mich noch Frau Birrer und Co wie ein unreifes, dummes Kind an die «Paywall heranführen». Frau Birrer vergisst, dass ich ehrlich abgeholt werden möchte – und nicht im Laufgitter Erziehungskurse unterzogen werden will.

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  5. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Leute, die Behaupten, Lügen, Diffamieren, Denuzieren, Prozessieren, Gendern, usw. werden, wenn ertappt ganz stumm!

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