Die Not mit dem Notrecht

Wie die Mainstream-Medien Grundlegendes ignorieren.

Enteignung von Aktionären? Notrecht. 16 Milliarden mit einem Federstrich ausgelöscht? Notrecht. 209 Milliarden Staatsgarantien? Notrecht. Welches Notrecht eigentlich?

Wenn die Not gross ist, gibt es den sogenannten übergesetzlichen Notstand. Notstand wie Katastrophe, Krieg, Überschwemmung. Notstand wie Notwehr. Welches Notrecht kann eigentlich der Bundesrat anwenden, wenn er durch ihr unfähiges Management in Schieflage geratene Banken retten will, weil er meint, er müsse?

Zunächst einmal steht vor dem Notrecht in solchen Fällen das extra dafür verabschiedete Gesetz zur «Too big to fail»-Problematik. Zunächst einmal steht vor dem Notrecht das von der FINMA, der Bankenaufsicht verlangte und überprüfte Prozedere für systemrelevante Banken, wie die in einem Notfall ordnungsgemäss abgewickelt werden können.

Da mussten sogenannte Testamente eingereicht werden, die einen solchen völlig normalen Vorgang vorzeichnen. Denn es gibt das Grundgesetz im Kapitalismus, dass ein privates Unternehmen pleite gehen kann und muss, wenn sein Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert.

Wenn also beispielsweise eine Bank über 3 Milliarden Miese macht, dafür aber über 30 Milliarden Boni ausschüttet, dann ist sie krank und liegt komatös auf dem Sterbebett. Ist aber, wir sprechen natürlich von der Credit Suisse, keinesfalls ein Notfall. Weil das jahrelang so zu und her ging.

Chronisch Kranke werden normalerweise nicht auf der Notfallstation behandelt. Aber das mag der Bundesrat anders sehen. Weil seine Mitglieder von finanztechnischen Feinheiten keine Ahnung haben, bemerkte die Landesregierung erst vergangenen Donnerstag, dass bei der CS die Hütte brennt.

Da muss die Feuerwehr kommen, mit Alarmsirene und Notrecht. Aber welches Notrecht eigentlich, gibt es denn in der Schweiz eigentlich Notrechtparagrafen? Jein.

Es gibt zwei Artikel in der Bundesverfassung, die dafür hingeprügelt werden. Artikel 184 ist der eine. Der trägt zwar den Titel «Beziehungen zum Ausland», hat aber den Absatz 3: «Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert, kann der Bundesrat Verordnungen und Verfügungen erlassen. Verordnungen sind zu befristen

Was hat das mit einer Bank in Schieflage zu tun? Gemach, es gibt noch Artikel 185. Absatz 2 und 3 lauten:

«Er trifft Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit.
Er kann, unmittelbar gestützt auf diesen Artikel, Verordnungen und Verfügungen erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen. Solche Verordnungen sind zu befristen.»

Jetzt kommt der Witz, der keiner ist: gestützt auf diese beiden Artikel der Bundesverfassung hantiert der Bundesrat mit Notrecht bei Banken. Das tat er mehrfach bei der Rettung der UBS vor dem Abgrund, das tut er inzwischen schon wieder bei der Übung, die CS zum Schnäppchenpreis an die UBS zu verticken. Da fragt sich der juristische Laie, was das Problem der CS mit der «Wahrung der Interessen des Landes» oder mit der inneren Sicherheit oder «mit unmittelbar drohenden schweren Störungen» zu tun habe.

Ha ha, sagt da der Bundesrat, und willige Staatsrechtler, zufälligerweise als Professoren vom Staat angestellt, stimmen ihm zu: ein Zusammenbruch der CS könnte die Interessen des Landes im Ausland beschädigen, ein möglicherweise zusammenbrechender Zahlungsverkehr zu einer Störung der öffentlichen Ordnung führen.

Wenn der Laie nachfragt, ob das wirklich ernstgemeint ist, dann ist die Antwort, professoral eingekleidet oder einfach mit der besserwisserischen Attitüde, die man als Regierungsverantwortlicher haben muss: ja.

Eine solche Umdeutung geht eigentlich überhaupt nicht, müsste völlig ausgeschlossen sein, wenn gesunder Menschenverstand noch eine Rolle spielte. Wie sagt ein Anwalt, der normalerweise nicht zu kräftigen Ausdrücken neigt:

«Ein Megamurks von Beamtenärschen ohne dogmatische Kenntnisse.»

Die Herleitung der Anwendung von Notrecht ist ein Megamurks. Die Legitimation des Notrechts ist ein Megamurks. Was unter Anwendung von Notrecht stattfindet, ist – Überraschung – auch ein Megamurks.

Eigentlich müsste das Notrecht gegen den Bundesrat angewendet werden. Denn mit der Enteignung von Anteilseignern, dem Kotau vor der UBS, der Nichtberücksichtigung von alternativen Rettungsplänen schädigt der Bundesrat das Image der Schweiz und wahrt keinesfalls ihre Interessen. Eine Störung der öffentlichen Ordnung könnte höchstens durch diese Handlungen des Bundesrats eintreten.

Ist das absurd oder nicht? Unter Verwendung eines für solche Fälle gar nicht vorgesehenen Notrechts schafft der Bundesrat einen Notfall, den er eigentlich verhindern will. So geht verantwortungslose Regierungspolitik als Antwort auf verantwortungslose Bankführung.

Hört damit das Gemurkse auf? Nicht wirklich. Die grossen Medien, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls die NZZ, haben in gewählten Worten hin und her gerudert. Einige Professoren sagen dies zu dieser Anwendung des Notrechts. Andere sagen das. Und letztlich gilt doch die Macht des Faktischen; ist nunmal so beschlossen, war wohl nicht anders möglich.

Was sich genau abspielte, das wird inzwischen aus der «Financial Times» abgeschrieben, weil die Schweizer Wirtschaftsmedien nicht mehr in der Lage sind, selber zu recherchieren. Dass der Abschreiber von 16 Milliarden Franken Additional Tier 1 auf null eine heikle Sache sein könnte: um das zu schreiben, muss man zuerst einmal kapiert haben, worum es sich hier genau handelt.

Und da der durchschnittliche Wirtschaftsjourni schon bei der banalen Frage zögert, ob das Eigenkapital zu den Aktiven oder Passiven gehört, nimmt er hier am liebsten den Telefonjoker oder wartet, dass auch das von der FT erklärt wird. Als die sofort von einem «Aufschrei» schrieb, trauten sich Schweizer Journis halb aus der Deckung, nachdem sie dieses Detail vorher schlichtweg überlesen hatten.

Es ist leider so: Bundesrat? Schwach. Nationalbank? Oberschwach. FINMA? Sackschwach. Medien: peinlich. UBS: clever.

5 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Dieses «Notrecht» wird zurück feuern. Ich denke, dass keiner der Protagonisten diese unnötige und rechtswidrige Enteignung im Amt überleben wird.

    Ich traue der CH leider mittlerweile nicht mehr zu, dass von innen eine Bereinigung stattfinden kann, die dafür vorhanden Instrumente sind abgestumpft, die Einigkeit fehlt und die Kontrollen funktionieren nicht mehr. Dieses Mal wird die dringend nötige Bereinigung resp. Reform des Apparates von ausserhalb angestossen werden. Die Anwälte in den USA, Grossbritannien, Saudi Arabien, den Vereinigten Emiraten und nicht zuletzt auch in Deutschland blättern schon durch die Prospekte der aktuell angesagtesten Jachten.

    Es wird heftig, aber unsere lern- und kritikunfähige Exekutive braucht jetzt einen Denkzettel, der hoffentlich wieder ein paar Jahrzehnte lang für Ruhe und Wohlstand sorgen wird.

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    • Ruedi Rudolf
      Ruedi Rudolf sagte:

      Die Höchste Haupt-Verantwortliche Regierungs-Instanz mit Kontroll-Funktions-Pflicht aller Staatlichen Institutionen in der Schweizer Regierung – auch vom Bundesrat – ist der vom Souverän eingesetzte Gesetzgeber. Wer das ist müsste eigentlich jeder Schweizer Bürger wissen – es ist das «Parlament» – das vom Souverän (Stimm-Volk) gewählt wird.

      Der Bundesrat darf ohne Erlaubnis des Parlaments – gar keine Entscheidungen treffen. Wenn er das trotzdem macht – ist das ein Machtmissbrauch und solche Entscheide sind “ungültig“ – ein Bruch mit dem Gesetz und der Schweizer Verfassung.

      Nochmals zum mitschreiben: „Konsultation und Entscheidung des Parlamentes oder des Volkes, als höchste Regierungs-Instanz ist in der Schweiz, als Direkte Demokratie obligatorisch.“

      Die Anwendung von Notrecht, und das “über-hinweg-setzen“ ignorieren des Parlamentes als Vorgesetzter des Bundesrates, im Fall der CS-Bank durch Notrecht als Ausrede – ist ein wiederholter, unnötiger ungerechtfertigter, faktenfreier Macht-Missbrauch des Bundesrates. Das war es auch schon bei der Corona-Plandemie.

      Aber so wie es aussieht, wissen das nicht mal mehr die Parlamentarier selbst – von wem und wozu sie ins Parlament gewählt wurden.

      Überflüssige Gesetze schreiben, darin sind sie super, aber da wo schon lange in vielen Bereichen Handlungspflicht besteht – machen sie nichts. Die Schweizer Parlamentarier erfüllen ihre Verantwortungs- und Aufsichtspflicht wozu sie von ihrem Chef, dem Souverän eingestellt wurden “nicht!“

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      • Guido Kirschke
        Guido Kirschke sagte:

        Gebe 100 Punkte, aber warum hat die Exekutive nicht mal einen kurzen Sicherungsstopp eingelegt und gewisse Umsetzungen im Namen des Notrechts zur Diskussion gestellt? Weil sie keine Verantwortung trifft, alles wird und kann auf die Parlamente abgewälzt werden, aber ich glaube eben nicht an einen massgeblichen Richtungswechsel in den Parlamenten im Herbst. Das dauert einfach sehr viel länger. Die Parlamente bestehen ja nur aus den Parteilen, die wir auch im Herbst wieder wählen können resp. müssen. Wir wählen wieder die Parteien, welche das Notrecht überhaupt ermöglicht haben.

        Die persönliche Haftung der Exekutivverantwortlichen wäre ein weiterer Kontrollhebel. Aber wie gesagt, ich glaube nicht mehr an die «Kraft» unserer Demokratie, da von innen her etwas zu bewegen. Es braucht den Tritt von aussen, und dieser wird im Fall der CS auf einzelne Protagonisten abzielen.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      ‹Dieses Mal wird die dringend nötige Bereinigung resp. Reform des Apparates von ausserhalb angestossen werden.›
      Angestossen Herr Kirschke?
      Ich glaube, die sind seit vielen Jahren am Anstossen, die Cüpli. Auf die längst erfolgte Übernahme der Schweiz. Und unsere Regierung und die ganze Leiter abwärts, zusammen mit allen andern Höheren im Lande, die sich im globalen Verein ihr Plätzchen sichern.
      Wenn wir’s nicht kapieren, dann werden nur wir gestossen: nach unten.

      Das was ich nicht kapiere in Ihrem Beitrag ist das mit den Anwälten. Oder meinen Sie sogar die Justiz???? Sie meinen wirklich, die ‹Schlausten› von den Unis haben sich (einige gloriose Ausnahmen gibt’s) je um die Schwächsten, oder das Recht, gekümmert?
      Die machen mit bei Bereinigung, wenn’s rentiert.
      Aber vielleicht haben Sie ‹Reinigung von innen› oder ‹aussen› gemeint,
      das muss von/bei uns Allen beginnen. Oder nicht.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Notrecht für Gift-Geld-Spritzen.
    Notrecht für Geld-Gift-Spritzen.
    Notrecht für die Armee, unsere oder UNO-Söldner?
    On verra, Macron nous dira.

    Sie wissen es jetzt, es kann zur: ‹Störung der öffentlichen Ordnung führen.›
    Wenn wir sie nicht durch die Wahlen im Herbst 2023 retten. Abwählen.

    Aber wer den Analysen der FT folgt und die UBS braucht – und das ist ja angesagt jetzt –
    der hat auch schon verinnerlicht, wer unsere ‹Herren› der Welt sind.
    Die gerade dabei sind, alle nationalen Strukturen vorzuführen, demontieren, überflüssig zu machen.
    Jetzt einfach offiziell und final, lean management sozusagen.
    Die letzten 20 Jahre haben sie diese Operetten-Figuren noch benutzt, geschmiert, mit young global Lieders und netten Damen ergänzt – die ‹globalen› $nstitutionen übernehmen.

    By the way, für Notrecht 1 (die Covid-story) hat die Meerheit schon 2x JA gesagt.
    Wegen ein paar ‹Idioten›, Zwängi-Siechinnen, unsolidarischen Oma-Tötern soll jetzt dann noch ein drittes Mal abgestimmt werden.
    Ob’s noch dazu kommt, oder das Notrecht gegen aufgebrachtes Volk allem zuvor kommt?

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