Mein, meine, Meinung

Die «SonntagsZeitung» als müdes Meinungsblatt.

Wie wirkt sich die Rückstufung von Bauernopfer Arthur Rutishauser auf den Posten des SoZ-Chefredaktors aus? Soweit erkennbar – überhaupt nicht. Es werden weiterhin dünne Bretter gebohrt und viel, sehr viel gemeint. Gut gemeint, schlecht gemeint, über alles gemeint.

Rutishauser geht dabei als Vorbild voran und meint im Editorial: «Die Credit Suisse fährt gegen die Wand, doch in Bern interessiert das keinen.» Hier stapelt er aufrecht – als sei er der ins Archiv entsandte Sonderkorrespondent – alle Gehaltsexzesse, Fehlentscheide und das Wirken der ständig wechselnden Führungspfeifen aufeinander.

Und zitiert sich gleich selbst: «Ein Jahr ist es her, dass wir an dieser Stelle vor … möglichen Blackouts gewarnt haben. Blackout gab es keinen», dafür habe die Axpo einen Rettungsschirm von 4 Milliarden gebraucht. Oder auf Deutsch: damals lag Rutishauser daneben. Gutes Argument, um seine düsteren Warnungen bei der Credit Suisse zu stützen.

Und worüber redet eine Redaktion, wenn es mal nichts zu meinen gibt? «Der Winter sagt noch einmal kurz Hallo.» Und sonst so? «Dünn ist wieder hip».

Von ZACKBUM diskriminierungsfrei beschnittenes Aufmachersymbolfoto.

Was gibt es noch für Möglichkeiten, den wertvollen Platz sinnlos zu füllen? So:

Nichts gegen die Abgebildete, aber gibt es irgend einen nachvollziehbaren Grund, dieses banale Porträt dermassen aufzublasen?

Die Frage bleibt auch hier ohne Antwort:

Vermummter Jugendlicher nachts neben durchfahrendem Zug, der auf der anderen Hälfte der Doppelseite weiterfährt. Ob das als Kunstwerk durchgehen soll?

Aber dann wird wieder gemeint, und wie. Wie meist ziemlich schräg in der Landschaft steht Markus Somm: ««Tatsächlich ist es vielleicht das dümmste Gesetz, das wir haben. Es ist kein Kriegsmaterialgesetz, sondern ein Antikriegsmaterialgesetz.» Das ist vielleicht der dümmste Kommentar, den er je geschrieben hat.

Wenn der «Politchef» Denis von Burg den Zweihänder schwingt, müssen Anstand, Logik und Vernunft in Deckung gehen, kommen aber trotzdem nicht unverletzt davon. Von Burg – seine Spezialität seit Corona-Zeiten – nimmt sich mal wieder unsere Landesregierung vor und ist überhaupt nicht mir ihr zufrieden: «Dem Bundesrat fehlt Mut und Führungskraft». Nimm das, du schlapper Haufen: «Die Schweizer Regierung stolpert in der Aussenpolitik ohne stringente, zukunftsorientierte Strategie von einer Baustelle zur nächsten – und schadet damit sich und dem Land.»

Als sei er einen Moment vor sich selbst erschrocken, behauptet von Burg: «Das ist keine billige Polemik.» Nein, das ist es nicht, es ist zusammenhangsloses, dummes Gewäffel und Geschwafel: «… agiert aussenpolitisch so orientierungslos und abwehrend, dass es einer Dienstverweigerung gleichkommt … nicht in der Lage … Neupositionierung … geht alles seinen bürokratischen Gang … voller innerer Widersprüche … versteckt sich billig hinter der Rechtslage … Position der Schweiz moralisch und politisch nicht mehr haltbar … im Parlament brechen derweil chaotische und zum Teil groteske Glaubens- und Grabenkämpfe … aus … hat das Europa-Dossier infiziert …»

Wieso man es zulässt, dass sich ein führender Meinungsträger mit solchen Gebabbel lächerlich macht, ist völlig unverständlich – ausser, man hasst ihn kräftig. Was hat der Wüterich denn als Gegenmodell anzubieten? Couchepin und dann Micheline Calmy-Rey und Eveline Widmer Schlumpf. Die hätten «das Bankgeheimnis beerdigt und bewahrten die Schweiz auf diese Weise vor der drohenden wirtschaftspolitischen Isolation». Das wird auch in der Wiederholung nicht schlauer oder richtiger. Widmer Schlumpf gab ohne Not das wichtigste Asset eines Kleinstaats auf: die Verteidigung seiner Rechtssouveränität gegen die imperiale Durchsetzung der extraterritorialen Gültigkeit von US-Gesetzen auch in der Schweiz. Durch diese Bresche, diesen Kunden- und Mitarbeiter- und Prinzipienverrat, marschierten dann unzählige weitere Staaten und holten sich Milliarden ab – bis heute.

Geradezu erholsam ist die ewige Leier von Gülsha Adilji, die sich weiterhin an ihrem «Ex-Boyfriend» abarbeitet. Wen interessiert eigentlich, dass sie inzwischen bereit sei, ihm zu verzeihen? Wohl nicht mal ihn selbst, sonst wäre er ja nicht der Ex. Und wieso darf diese Frau den Leser damit belästigen? Dumme Frage, bei diesem Namen, der Eigenschaft Frau und der Berufsbezeichnung «Autorin und Journalistin». Schliesslich muss doch jemand die Lücke füllen, die de Weck und Bleisch hinterliessen.

Kann man das noch steigern? Schwierig, aber die SoZ probiert’s. Mit einer Seite über Isabel Pfaff. Nichts gegen die Schweiz-Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung». Wobei man sich natürlich fragt, wieso die SZ so jemanden überhaupt noch braucht, wo doch der «Tages-Anzeiger» fast alles aus München übernimmt und auch seinen bescheidenen Inhalt dort gerne anbietet. Aber item, Pfaff will nun «Bärndütsch» lernen. Wahnsinn, ein Vorhaben, an dem auch die meisten Zürcher, Basler oder St. Galler scheitern würden. Ohne dass die SoZ darauf eine Seite verschwendete (hoffentlich).

Und was den Leser ungefähr gleichstark wie die Beziehungsproblem von Adilji interessiert. Aber Frau ist immer und überall gut, auch hier: «Die Frauen sind auch am Berg keine Anhängsel der Männer mehr». Das beruhigt ungemein, dass sie nicht mehr wie die Eselin davor stehen und anschliessend als Anhängsel von Männern auf die Bergspitze geschleppt werden müssen.

Aber dann reitet Rutishauser nochmals sein Lieblingssteckenpferd: die grosse Wirtschaftsstory. Also die kleine Story, ob vielleicht nicht CS und UBS fusionieren sollten. Gähn mit grossem, dafür völlig aussagelosem Foto nach SoZ-Art:

Zwei Männer starren dich an, lieber Leser. Mach was draus.

Sehr bitter ist dann, dass das Interview mit Peter Sloterdijk beweist, dass selbst dieser Grossdenker manchmal schwächelt und uninteressante Meinungen vertritt. Zu seiner Entschuldigung kann man vielleicht anführen: wer von Andreas Tobler interviewt wird, hat’s natürlich nicht leicht, einen klaren Gedanken zu fassen und zu formulieren.

Dann haben wir einen Meinungsbeitrag zum Thema: Trend, komm heraus, du bist umzingelt:

Kleiner Tipp: ein Trend, selbst ein Retro-Trend, sollte etwas Neues sein. Nicht etwas Altes, Gewohntes, Gewöhnliches. Und so hübsch die Sardinendosen, die eigentlich Sardinenbüchsen sind, auch von aussen daherkommen: ihr fetttriefender, grätiger Inhalt mit ungeniessbarem Kopf und Schwanz, na ja.

Und eine leicht lösbare Quizfrage zum Schluss: Darf der Berichterstatter über Tourismus in Montenegro vielleicht seiner Meinung Ausdruck verleihen, dass es dort eher beschissen sei? Die Antwort liefert die Fussnote seines völlig objektiven und nach rein journalistischen Kriterien abgefassten Artikels: «Diese Reise wurde unterstützt von One & Only und Luxury Dreams». Da muss es reiner Zufall sein, dass das Luxushotel der «One and Only Resorts» als einziger Geheimtipp vorkommt, allerdings nicht wirklich für jeden geeignet («in der Hauptsaison steigen die Preise auf über 1000 Fr.» Pro Nacht im Doppelzimmer.).

Vielleicht ist es ein erstes Anzeichen von altersbedingter Erschöpfung, aber nach dieser Überdosis Meinungskrampf war ZACKBUM zu ermattet für weitere Sonntagszeitungslektüre. Da haben NZZaS und SoBli Glück gehabt. Denn anscheinend hat Gieri Cavelty wieder ein «Editorial» geschrieben …

 

 

1 Antwort
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Oskar-Nachverteilung….
    und nicht vergessen geht: Herr René Oskar Zeyer, zackbum,
    der uns in stoischer Ruhe (bis zur Erschöpfung) die Gewissheit schenkt,
    ausser Ärger und Enttäuschung nichts verpasst.
    Pegelstand im trockenen Bereich, weiter runter geht nicht.?.

    Oder wie er die Medien-Kritik ganz maliziös unterhalb der Packungsbeilage versteckt:
    ‹ihr fetttriefender, grätiger Inhalt mit ungeniessbarem Kopf und Schwanz, na ja.›

    Oder bin ich das? Prediger für Rettung des Rest-Respekts auch gegenüber Medien&Journalismus, der seinen Not-Sarkasmus nicht lassen kann?
    Nein, ich bin gegen Heuchelei noch allergischer.
    Wenn zackbum den ‹Profis› immer wieder Pfeffer gibt, dann ist es sein Rest-Respekt vor diesen Menschen, dass er ihren Ausstoss immer wieder seziert.

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