Canonica spricht

Dank Roger Schawinski und Radio 1. Endlich.

In seiner Sendung «Doppelpunkt» vom Sonntag hatte der Radiopirat, der inzwischen auch so aussieht, den ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor Finn Canonica vor dem Mikrophon. Nachdem der ausgiebig durch den Dreck geschrieben wurde, hatte er offensichtlich nur mehr Vertrauen in Schawinski.

Wohl auch deshalb, weil Schawinski als ziemlich Einziger neutral über den Fall berichtet und ebenfalls als Einziger ausführlich aus dem Untersuchungsbericht zitierte, der Canonica weitgehend entlastet. Freundlicherweise erwähnte Canonica in dem langen Gespräch, dass René Zeyer und ZACKBUM zu den wenigen Berichterstattern gehören, die sich ebenfalls um eine neutrale Darstellung bemühen. Im Gegensatz zu eigentlich allen anderen, die unkritisch der Anklage im «Spiegel» glaubten und sie mit immer anonymen weiteren Anschuldigungen garnierten.

Es ist doch himmeltraurig, dass sich alle Mainstreammedien so ins Elend geschrieben haben, dass Canonica für seinen ersten und wohl auch einzigen Auftritt ein Privatradio wählt. Allerdings hat das sicherlich auch noch einen zweiten Grund. Radio macht authentisch. Im Radio kann man die Person spüren, wenn ein kritisch-fairer Interviewer am Gerät ist. Welch ein Armutszeugnis für die übrigen Medien, welch ein Triumph des Altmeisters*.

ZACKBUM macht daher hier etwas, was alle diese Organe auch vermeiden und vermeiden werden. Wir erteilen einfach Canonica das Wort. Natürlich können wir kein Transkript des gesamten Gesprächs veröffentlichen, aber Auszüge. Selbstverständlich unkommentiert.

Es muss vorausgeschickt werden, dass Schawinski auch Roshani und Ninck angeboten hat, in einem Interview Stellung zu nehmen. Beide lehnten ab, Ninck liess darüber hinaus durch seinen Anwalt ausrichten, dass gewisse Stellen in der Berichterstattung gelöscht werden müssten. Obwohl das nicht geschah, steht eine Klage bislang aus.

Nun aber O-Ton Finn Canonica:

«Als der Artikel erschien, ist für mich eine Welt zusammengebrochen, meine Familie, ich bin in eine Depression gestürzt, nahm Medikamente, war zwischenzeitlich in einer Klinik.»

«Meine Kinder gingen nicht mehr in die Schule, waren verunsichert, ich war in einem Panikzustand, traute mich nicht mehr auf die Strasse, verliess eine Woche lang das Haus nicht mehr. Auch meine Frau machte Homeoffice. Es war ein kompletter Absturz, ohne Medikamente unaushaltbar.»

«Man hat gemerkt, wer die wirklichen Freunde sind. Meine Familie war völlig aus der Bahn geworfen. Ich hatte Schamgefühle, wegen mir muss meine Familie das erleben.»

«Meine Mutter ist eine jüdische Französin, die den Zweiten Weltkrieg bei einer Familie versteckt überlebte. Ihr ging es lange Zeit sehr schlecht, es gab Medikamenten- und Alkoholkonsum. Als Reaktion darauf habe ich ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihr. Über meinen Vater will ich nicht reden.»

«Das Wort «Machtrausch» ist mir völlig fremd, der Autor des NZZ-Artikels, der es verwendet, hat meines Wissens mit keinem einzigen «Magazin»-Redaktor gesprochen.»

«2014 gab es starke Spannungen, ich hatte den Auftrag, in einem Jahr das Redaktionsbudget von 3,2 auf 2 Millionen Franken zu reduzieren. Mir wurde klar gesagt: wenn ich das nicht schaffe, sei ich der falsche Mann am falschen Ort. Wir waren vorher eine schreibende Redaktion, diese Luxusposition gab es dann nicht mehr. Ich stand extrem unter Druck, musste Kündigungen aussprechen, einige Redaktoren waren mit dieser Veränderung nicht einverstanden, was ihr gutes Recht war. Ich zog es superhart und schnell durch, es kann sein, dass ich mich im Ton vergriffen habe.»

«Ich habe den zweiten Untersuchungsbericht nicht vollständig bekommen. Ich habe damals von Human Resources nie erfahren, dass sich Leute über mich beklagt hätten.»

«Ich wurde ein halbes Jahr vor Roshani im Jahr 2001 «Magazin»-Redaktor. Schon 2004 gab es eine extreme Sparrunde. Der damalige Chefredaktor verlangte einen Lohnverzicht von 7,5 Prozent von allen Mitarbeitern, dem wir zustimmten. Später verlangte Roshani eine Rücknahme.»

«Als ich 2007 Chefredaktor wurde, fragte ich Roshani, ob sie meine Stellvertreterin werden wolle. Sie lehnte ab, weil sie schwanger war, obwohl es für mich okay gewesen wäre, wenn sie nach dem Schwangerschaftsurlaub angetreten wäre. Wie kann sie dann schreiben, dass 2007 das Mobbing gegen sie begonnen habe.»

«Aus meiner Sicht kann man nicht sagen, dass überhaupt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Streit zwischen Roshani und mir angefangen habe.»

«Was ihr halbjähriges Sabbatical in London betrifft, habe ich sie da tatsächlich bevorzugt. Es hatte und hat sonst noch nie eins gegeben, das bezahlt wurde.»

«Wir haben zusammen Reportagen gemacht, wird sind beide fast gleichzeitig Eltern geworden, wir haben lange zusammengearbeitet, natürlich spricht man da anders miteinander. Anuschka hat viel kritisiert, das finde ich auch gut.»

«Als es die zweite Untersuchung gab, hat mein Stellvertreter von allen Redaktionsmitgliedern verlangt, dass sie sich schriftlich an den Verleger wenden. Was auch geschah, aber ich wollte den Inhalt nicht wissen, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, ich wolle mich da einmischen.»

«Die Sache mit den Hakenkreuzen war als Joke gemeint, es war eine extreme Dummheit von mir.»

«Ich habe den Bericht von Christine Lüders nicht gesehen. Ich wurde aber vom damaligen Chefredaktor Arthur Rutishauser in sein Büro zitiert und mit Vorwürfen eingedeckt. Man sagte mir nicht, wer diese Vorwürfe erhoben habe. Es ist extrem schwierig, auf anonyme Anschuldigungen zu reagieren. Ich bin aus dem Gebäude gewankt und habe mich in die Sihl übergeben. Danach war ich sieben Wochen krankgeschrieben. Dann teilte mir die Verlagsleitung mit, dass die Vorwürfe nur von einer Seite gekommen seien, dass das so nicht gehe und dass die Anschuldigungen nicht zutreffen würden. Ich bin dann zu 60 Prozent wieder eingestiegen.»

«Nachdem diese Vorwürfe in den Verwaltungsrat getragen wurden, wurde beschlossen, sie nochmals untersuchen zu lassen, durch die renommierte Kanzlei Rudin Cantieni. Es war eine Tortur für mich, das nochmals durchleben zu müssen. Auch für meine Kollegen; ich wurde sieben Stunden lang befragt, musste alles so weit wie möglich belegen.»

«Bei der Passage über das «Tourette-artige ficken» konnte sich Anuschkas rhetorisches Talent voll entfalten. ich habe nie das Wort «ficken» verwendet, sicherlich «Fuck» und «Bullshit», vielleicht höre ich zu viel Rapmusik.»

«Wir hätten beim «Magazin» einen solchen Text mit so vielen Anschuldigungen gegen eine Person niemals veröffentlicht.»

«Es trifft mich wahnsinnig, in einem Text mein Bild neben einem Foto von Harvey Weinstein zu sehen. Das trifft übrigens auch auf den Verleger zu.»

«Ich möchte ausdrücklich René Zeyer erwähnen, der das Ganze als Erster kritisch hinterfragte.»

«Man hat einfach dem «Spiegel» abgeschrieben, dabei hätte man auch mal gegen die eigene These recherchieren sollen.»

«Viele «Magazin»-Mitarbeiter sind Autoren bei «Kein & Aber», dem Verlag von Peter Haag, dem Ehemann von Roshani. Es wäre natürlich unangenehm, sich öffentlich für mich zu äussern und sich damit in Konflikt mit seinem Verlag zu begeben.»

«Ich wusste nicht, wovon die Rede war, als ich zum ersten Mal vom Vorwurf mit der Brust hörte. Das ist eine Dimension einer Lüge, die einem den Boden unter den Füssen wegzieht. Das ist dermassen grotesk, wie aus einem Groschenroman.»

«Ich bin geschädigt von einer massiven Welle negativer Berichterstattung, lässt sich das korrigieren? In Momenten der Verzweiflung finde ich: niemals.»

«Im Moment habe ich das Gefühl, ich könne überhaupt nichts mehr machen, weil mein Ruf dermassen beschädigt wurde.»

*Packungsbeilage: René Zeyer ist gelegentlich Gast in Schawinskis Sendungen.

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