Gegenwahrheiten

«Provozierte» Nato-Erweiterung, «unprovozierter» Ukraine-Krieg, unheimliche «Bedrohung durch China». Teil 1

Von Felix Abt

Manche Behauptungen transatlantischer Politiker und ihrer Medienpartner stellen die Realität auf den Kopf – und würden selbst George Orwell verblüffen.

Eine Szene wie aus einem drittklassigen Mafia-Film: Produzent, Drehbuchautor und Regisseur (links) verlässt mit seinem Hauptdarsteller (rechts) mit gemächlichen Schritten diese orthodoxe Kirche in Kiew (beide sind nicht orthodox), während Sirenen heulen und vor einem bevorstehenden russischen Bombenangriff warnen. Obwohl Moskau vor diesem Besuch von Washington informiert wurde, um einen gefährlichen Zwischenfall zu vermeiden, jubelte „The Independent“, stellvertretend für die kriegslüsternen Mainstream-Medien, begeistert: „Biden trotzt Sicherheitswarnungen und Luftschutzsirenen für einen historischen Moment in Kiew.“ (Foto: Evan Vucci/Keystone)

US-Präsident Biden, westliche Politiker und ihre Medienpartner sind sich einig, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine «unprovoziert» war. Der Präsident des Landes, das für seine zahlreichen unprovozierten Angriffskriege berüchtigt ist, bezeichnete Putin dafür als «Verbrecher». Dass der Krieg in irgendeinem Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung stehen könnte, die zur Stationierung nuklearfähiger Raketen in Polen und Rumänien mit einer Flugzeit von weniger als 10 Minuten nach Moskau führte, wird nicht einmal ansatzweise thematisiert. Ebenso wenig wie der Vorstoss der Obama/Biden-Regierung, die Ukraine der NATO einzuverleiben, mit einer 2.000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze mit Russland und noch mehr Raketenbasen in der Zukunft. Wenn Kuba eine einzige russische Rakete stationieren würde, wäre das für Washington ein Grund für einen Krieg gegen die Insel; Russland hingegen wird es zugemutet, von zahllosen NATO-Raketen an seinen Grenzen und in seiner Nähe umzingelt zu werden, ohne sich dagegen zu wehren.

Russland hatte Deutschland friedlich wiedervereinigen lassen, nachdem der Westen auf diplomatischer Ebene versprochen hatte, die NATO keinen Zentimeter nach Osten zu verschieben. Darüber hinaus hatten die westlichen Länder 1999 in der Europäischen Sicherheitscharta dem Grundsatz zugestimmt, dass «jeder Staat verpflichtet ist, seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu stärken.»

Russische Limits ins Lächerliche gezogen

Der ach so vertrauenswürdige Wertewesten scherte sich aber einen Dreck um die Einhaltung von Versprechen und Vereinbarungen mit Russland. Moskau schluckte die große Kröte, als sich die NATO an Russlands Grenzen, nicht nur in Polen und Rumänien, zu einer ernsthaften Bedrohung aufblähte, hielt aber seit Jahren unvermindert an seiner Forderung fest, dass Georgien und die Ukraine unter keinen Umständen NATO-Mitglieder werden dürften. Westliche Politiker und Medien haben diese russische «rote Linie» nie ernst genommen und sie sogar ins Lächerliche gezogen. Spätestens seit den Angriffskriegen der NATO in Jugoslawien, im Nahen Osten und in Afghanistan dürfte sich Russland bewusst sein, dass die NATO nicht einfach eine Selbstverteidigungsorganisation, sondern ein aggressives Kriegsbündnis ist.

Es ist daher wohl kein Zufall, dass die Konsumenten der Mainstream-Medien nie erfahren haben, dass derselbe Joe Biden, als er noch ranghöchstes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats war, die NATO-Erweiterung als gefährliche westliche Provokation Russlands bewertete und davor warnte, dass sie «eine energische und feindselige Antwort Russlands» hervorrufen würde.

Anstatt diese vorhersehbare Reaktion durch eine Sicherheitsgarantie für Russland zu verhindern, was für alle Beteiligten kostengünstig und schmerzlos gewesen wäre, hat er aktiv dazu beigetragen, sie zu provozieren! Nun, dem ehrlichen Joe Biden ist es hoch anzurechnen, dass er sich als korrupter Politiker geoutet hat, der den Geldgebern zu dienen hat: «Ich denke, Sie sollten nicht annehmen, dass ich nicht korrupt bin. Man braucht eine Menge Geld, um ins Amt zu kommen. Und die Leute mit diesem Geld wollen immer etwas

Konnten Sie zu alledem irgendetwas in Ihrer Zeitung lesen oder aus Ihren TV-Kanälen erfahren? Eher nicht. Man kann also davon ausgehen, dass ein gut geschmierter Senator, der Präsident werden will, zumindest dem Expansionsdrang des allmächtigen militärisch-industriellen Komplexes nicht im Wege steht und deshalb seine Meinung anpasst: Es war also Russland, das provoziert hat! Washington-treue Politiker und Medien haben sofort den Grund für die NATO-Erweiterung nachgeliefert: Im Kreml sitze ein imperialistischer Zar, der sich in einen gefährlichen neuen Hitler verwandelt habe, und deshalb brauche man eine hochgerüstete NATO an möglichst vielen Grenzen Russlands. Wahrlich, der Teufel im Kreml hat die NATO-Expansion provoziert!

32 Jahre dauerte es von der Auflösung des Warschauer Paktes bis zur fast vollständigen NATOisierung Europas – vergleicht man den Zustand des Jahres 1990 mit dem von 2022, dem Jahr des «unprovozierten Angriffskrieges»:

Europa 1990 (Quelle: Bryn Bache | CNBC)

Die obige Illustration zeigt, dass 1990 – dem Jahr 1 nach dem Fall der Berliner Mauer – zur russisch dominierten Sowjetunion die Ukraine, die baltischen Staaten und mehrere andere, inzwischen unabhängige Länder gehörten. Dem Warschauer Pakt, einem ebenfalls von Russland dominierten Bündnis, gehörten sechs Staaten an, die heute ebenfalls alle unabhängig sind.

Und in der nachfolgenden Grafik, sieht man, dass 2022 – also 32 Jahre, seit sich Deutschland wiedervereinigt hat – alle ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten zwischenzeitlich der NATO beigetreten sind. Drei Länder, die früher zur Sowjetunion gehörten – Estland, Lettland und Litauen – sind ebenfalls NATO-Mitglieder geworden.

Europa 2022 (Quelle: Bryn Bache | CNBC)

Wer hat den Ukraine-Krieg wann begonnen?

Bislang lautete das offizielle und ständig wiederholte Mantra Washingtons, seiner europäischen Vasallen und Medienpartner, dass Russland für das Verbrechen eines völlig «unprovozierten» Angriffskrieges verantwortlich sei, den es im Februar 2022 begann. Jetzt hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg das Datum des Kriegsbeginns korrigiert – und bestätigt, was die Konsumenten alternativer Medien schon seit Jahren wissen: Der Krieg begann acht Jahre zuvor, im Jahr 2014, als die demokratisch gewählte Regierung Janukowitsch in Kiew durch einen von den USA unterstützten Staatsstreich gewaltsam abgesetzt und durch eine antirussische Regierung ersetzt wurde, die anschließend hart gegen russische Minderheiten vorging.

Übrigens kann es kein Zufall sein, dass ausgerechnet acht Jahre nach dem Putsch in Kiew, also im Jahr des «unprovozierten» Angriffskrieges Russlands, der entscheidende Beweis für die Beteiligung der USA am Sturz der Regierung in Kiew von YouTube entfernt wurde.

Nach dem Staatsstreich began die NATO sofort mit der Ausbildung und Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte. Das neue, banderistische und russophobe Regime in Kiew nutzte ab 2014 die militärische Aufrüstung und begann noch im selben Jahr mit der Bombardierung der russischsprachigen Zivilbevölkerung im Donbass, was zu Tod und Verwüstung führte. All dies konnten Sie auch nicht aus Ihren Zeitungen oder Fernsehkanälen erfahren.

Fortsetzung folgt.

13 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Bin ja persönlich in der Regel gegen Kleinlichkeiten und Erbsenzählerei.. Ergänzung zu den Ausführungen Martin Lopez. Russland existierte von 1917 bis 1991 als Völkerechtsubjekt nicht und war lediglich
    TeiI-Republik (In der Schweiz nennt sich das, Kanton.) der UDSSR,mit Zentralregierungssitz Moskau. Zudem, im vormaligen ZK waren noch längst nicht alles Russen. So war der schlimmste Sowjetdiktator nicht Russe, das war ein Georgier oder Chruschtschow Ukrainer. So nebenbei jener der die Krim im „Grundbuch» der UDSSR auf die Ukraine „Umbuchte». Scheint die meisten auch honorige, kennen bis heute nicht den Unterschied zwischen Russland, als vormaliger Monarchie, der UDSSR und dem heutigen Russland, dessen (Zb.) Staatsverfassung (soweit mir bekannt) von US-Amerikanern geschrieben wurde.
    Seltsam bei einer eher linken Klientel, war Moskau vormals so etwas wie das Licht der Welt das,,Jerusalem» der Linken. Die kreischen aktuell am Iautesten. Scheint da haben so einige vor allem, im linken Politspektrum den Untergang der UDSSR bis heute nicht verwunden. Nur weil auch ein Teil der Schweizer, deutsch spricht, sind die Deutschschweizer noch lange keine Deutschen, oder alle Schweizer Berner.
    LG.😉😢😢😊😊

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Danke Allen, die einspringen (und dürfen, dank zbCEO) und Fakten, Informationen einbringen, die wir hier in der Schweiz nie rgens finden, nur selber suchen können.
    Ob das nun die ‹Wahrheit› ist, nun gut, sollen sich alle ihren Teil denken dabei, oder noch tiefer recherchieren, lesen und was Fundiertes beitragen.

    Aber nicht nur diffamieren, das sei alles PPropaganda,
    und selber nicht über Tagi-, Blick-, Wannedia-, SRF-Niveau hinaus zu blicken.
    Oder auch NZZ. Ja, leider auch die: wenn’s um Kohle, die ewigen Profite und Machtstellung ihrer clientèle geht, dann machen auch die aus Objektivität eine Leiche….

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  3. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Wie Selensky daran gehindert wurde, Frieden im Donbass zu schaffen:

    Selensky wurde mit einer großen Mehrheit der Wählerstimmen mit dem Versprechen ins Amt gewählt, im Donbass Frieden zu schaffen. Er hat es tatsächlich versucht. Nur die amerikanischen Unterstützer wollten nicht mit Russland verhandeln, ebenso wenig wie die Neonazi-Extremisten, die den Großteil der Kämpfe in der Ostukraine führen – sie sagten Zelensky sogar, er würde sein Todesurteil unterschreiben, wenn er mit Putin spräche -, so dass das einzige Ergebnis Krieg war, und das ist es, was wir jetzt in der Ukraine haben, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

    Neben der Bedrohung seines Lebens sah sich Selensky auch an mehreren Fronten direkten Hindernissen für sein Friedensmandat gegenüber.

    Als Selensky im Oktober 2019 in den Donbass reiste, um für Wahlen in den von Rebellen gehaltenen Gebieten zu werben, wurde er von wütenden Mitgliedern des neonazistischen Asow-Bataillons konfrontiert, die unter dem Motto «Nein zur Kapitulation» demonstrierten. In einem auf Video aufgezeichneten Wortwechsel stritt Selensky mit einem Mitglied des Asow-Bataillons über die Forderung des Präsidenten nach einem Abzug der Streitkräfte. «Ich bin der Präsident dieses Landes. Ich bin 41 Jahre alt. Ich bin kein Verlierer. Ich bin zu Ihnen gekommen und habe Ihnen gesagt: Ziehen Sie die Waffen ab», flehte Selensky.

    Doch Selensky stieß auf weiteren Widerstand. Dieselben rechtsextremen Kräfte errichteten einen bewaffneten Kontrollpunkt, um einen Rückzug des ukrainischen Militärs zu verzögern. Tausende von rechtsextremen und nationalistischen Demonstranten, die von der liberalen Intelligentsia bejubelt wurden und Fackeln trugen, marschierten ebenfalls in Kiew.

    Die Anerkennung des Leids im Donbass durch Selenskys Pressesprecher Mendel, so Quinn-Judge von der International Crisis Group, resultierte aus «Zelenskys Wahlkampfversprechen, die Bewohner der von Russland unterstützten Enklaven wie vollwertige Ukrainer zu behandeln» – ein Fehltritt für die von den USA begünstigten rechtsextremen Nationalisten, die kein solches Interesse an der Gleichberechtigung der Ukrainer hegen.

    Obwohl Selensky in Bezug auf Minsk zögerte, setzte er die Gespräche über dessen Umsetzung fort. Die Rechtsextremen brachten ihren gewaltsamen Widerstand bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck, so auch im August 2021, als bei bewaffneten Protesten vor dem Präsidialamt mindestens acht Polizisten verwundet wurden.
    Die rechtsextremen Drohungen gegen Selensky haben zweifellos ein Friedensabkommen vereitelt, das die russische Invasion hätte verhindern können. Nur zwei Wochen vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stellte die New York Times fest, dass Selensky «extreme politische Risiken eingehen würde, selbst wenn er ein Friedensabkommen mit Russland in Erwägung ziehen würde», da seine Regierung von rechtsextremen Gruppen «erschüttert und möglicherweise gestürzt werden könnte», wenn er «einem Friedensabkommen zustimmt, das ihrer Meinung nach Moskau zu viel gibt».

    Juri Hudymenko, Führer der rechtsextremen Demokratischen Ax, drohte Selensky sogar mit einem Staatsstreich: «Wenn irgendjemand von der ukrainischen Regierung versucht, ein solches Dokument zu unterzeichnen, werden eine Million Menschen auf die Straße gehen und diese Regierung wird aufhören, eine Regierung zu sein.»
    Selensky hat die Botschaft eindeutig verstanden. Anstatt das Friedensprogramm, für das er gewählt wurde, weiterzuverfolgen, hat der ukrainische Präsident stattdessen Bündnisse mit der ukrainischen extremen Rechten geschlossen, die sich dem gewaltsam widersetzt hat. Erst Ende Januar, inmitten der letzten Gespräche zur Rettung des Minsker Abkommens, erklärte der von Selensky ernannte ukrainische Sicherheitschef Oleksiy Danilov stattdessen, dass «die Erfüllung des Minsker Abkommens die Zerstörung des Landes bedeutet». Bei der letzten Runde der Minsker Gespräche im Februar, nur zwei Wochen vor der russischen Invasion, war ein «Haupthindernis», wie die Washington Post berichtete, «Kiews Widerstand gegen Verhandlungen mit den prorussischen Separatisten».

    Mehr dazu im Video von Jimmy Dore: https://www.youtube.com/watch?v=sKotuZ-OvcI&t=22s

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    • Martin Lopez
      Martin Lopez sagte:

      Danke Herr Abt

      das ist eine ganz wichtige Info. Leider ist diese vielen unbekannt und es wird auch nicht darüber berichtet.

      Ich habe auf YouTube erst kürzlich das Video gesucht, in welchem er von diesem Asov-Kämpfer bedroht wurde. Vielleicht habe ich zu wenig lange gesucht. Auf die Schnelle konnte ich es aber nicht wieder finden.

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    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      Zuviel Tratsch aus zwielichtigen Quellen. Es ist doch wohl verständlich, dass die drangsalierte Ukraine ihre (richtige) Position erst einmal finden musste.

      Beim Despoten Putin sieht es halt wirklich anders aus. Gemäss Aussenminister Sergej Lawrow hat der Diktator bloss drei enge Vertraute: Iwan der Schreckliche. Peter der Große und Katharina die Große. Unfreiwillig aussagekräftig dargestellt von Lawrow.

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  4. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Man erkennt eine klare, unaufgeregte, faktenbasierte Zusammenfassung wie diejenige hier unter anderem auch daran, dass die Gegenseite bloss noch mit Geschwurbel, Nebelpetarden, Relativierungen, persönlichen Angriffen reagieren kann. Einsicht wäre zwar intelligenter, reifer. Aber dies würde Charakter voraussetzen.

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  5. René Küng
    René Küng sagte:

    Drittklassig?
    Höchstens von der Intelligenz her. Bei der klassischen Mafia würden solche breitbeinig herum ballernden Angeber nur für Kamikaze Aktionen eingesetzt.
    Erstklassig könnte höchstens der Grad an Verlogenheit ihrer PR & Medienabteilungen genannt werden.
    Die schaffen es, den Westen flächendeckend für jedes Verbrechen zu begeistern, sie brauchen nur SOLIDARITAET zu rufen.
    Das nennt sich dann nicht ideologische Brille, sondern Scheuklappen oder bei den am weichsten Gekochten: Augenbinden.

    Danke Herr Abt für die Realitäten aus andrer Sicht.
    Wahrheiten bekommt die Mehrheit kaum welche zu sehen, hören oder lesen.

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  6. Edwin Hunggeler
    Edwin Hunggeler sagte:

    Ihr Problem, Herr Abt, ist, dass Sie sich selber für wahnsinnig schlau und aufgeklärt halten und den grossen Rest als dumm, naiv oder verblendet ansehen. Ich denke mal, dass die meisten Menschen auch durch die von Ihnen gescholtenen «Mainstream-Medien» durchaus in der Lage sind, sich ein differenziertes Bild von der Weltlage zu machen. Jeder Idiot ist sich im Klaren, dass «der Westen» nicht von vorbildlichen Demokratien ohne Korruption dominiert wird.
    Es geht um Macht, Geld, Einfluss. Und letztlich auch um die Frage, auf welcher Seite man stehen will. Jedes souveräne Land hat das Recht, sich einem Bündnis anzuschliessen. Und da Sie schon die baltischen Staaten als Beispiel für die angeblich aggressive Expansionspolitik der Nato nehmen: Wie können Sie es den Menschen dort verübeln, dass sie sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und Jahrzehnten der Unterdrückung und Deportation schnellstmöglich der Nato anschliessen wollten? Wie können Sie das Sicherheitsbedürfnis der von Russland geknechteten Staaten als Legitimation für einen brutalen Angriffskrieg ad absurdum führen? Sagen wir es so: Meine lettische Grossmutter hätte Ihnen für Ihre Aussagen ins Gesicht gespuckt.

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    • Martin Lopez
      Martin Lopez sagte:

      Die Sowjet Union bestand nicht nur aus Menschen die dem heutigen Russland zugeordnet werden können und wurde auch nicht nur durch Russen angeführt. Stalin war z.B. Georgier, Krushchev und Brezhnev könnte man auch der Ukraine zuordnen.

      Den Terror des Sowjet Regimes bezweifle ich nicht und will ich auch nicht relativieren. Alle seine Opfer haben mein volles Mitgefühl. Wie man am Beispiel Stalin aber aufzeigen kann, greift es bei weitem zu kurz jetzt alles dem «bösen» Russen in die Schuhe zu schieben. Und das ist in vielen Ländern des ehemaligen Warschauer-Paktes leider nicht nur gängige Praxis. Es geht sogar soweit, dass in aller Öffentlichkeit stolz der eigenen Nazi-Vergangenheit gehuldigt wird.

      Lettland ist auch kein unbeschriebenes Blatt. In einer Reportage des ARD-Formats Panorama gab es im März 2017 einen interessanten Einblick:

      «In Lettland ist es wie Folklore: Jedes Jahr im März feiert man den «Marsch der Legionäre». Damit werden in Riga die lettischen Angehörigen der Waffen-SS geehrt. Zunehmend wird aus dem Marsch eine anti-russische Demonstration. …

      Seit dem Untergang des Sozialismus wird in Lettland am 16. März den angeblichen «Freiheitskämpfern» der Waffen-SS gedacht, zwischenzeitlich war er sogar offizieller Feiertag. In der Öffentlichkeit werden die deutschen Besatzer als «Befreier» gefeiert, die zusammen mit den Letten gegen die Sowjet-Armee kämpften. Damit nicht einverstanden zeigen sich nur wenige – vor allem die russische Minderheit und jüdische Verbände.

      «Ohne die deutsche Nation würde es die lettische Nation nicht mehr geben», sagt Agris Šēfers, der am «Marsch der Legionäre» teilnimmt. Die Russen, meint der Lette, seien schon aufgrund ihrer Gene faul, räuberisch und «im Grunde Parasiten». Šēfers› Vater war 1942 in die unter deutscher Führung stehenden Polizei-Bataillone gekommen, die maßgeblich an der Ermordung von mindestens 70.000 lettischen Juden beteiligt waren und später in der SS aufgingen.

      Andtis Holms von der lettischen Veteranen-Organisation «Daugavas Vanagi», die den SS-Marsch organisiert, betont, dass die Legionäre nicht für Deutschland, sondern für ein unabhängiges Lettland gekämpft hätten. So sehen das hier viele. Auch er findet, dass Europa den Aggressionen Russlands begegnen müsste. Holms: «Gewalt ist die einzige Sprache, die die Russen verstehen.» Die SS-Kämpfer von damals dienten heute als Vorbilder.

      Der SS-Gedenkmarsch und der eskalierende Konflikt mit Moskau lockt Nationalisten aus ganz Osteuropa nach Riga. Eine Abordnung ukrainischer Rechtsextremer ist ebenso angereist wie Gruppen aus Estland, Litauen und Polen. Vladislav Kovalcuk, Repräsentant der Partei «National Corps» , sagt, er wolle in Riga «Solidarität zeigen». «Wir kämpfen im Osten der Ukraine gegen Russland», die lettischen SS-Männer hätten die gleiche Situation damals erlebt, so Kovalcuk. «National Corps» ist der politische Arm der paramilitärischen Asow-Bataillone, die offen Nazi-Symbolik verwenden.
      »

      Quelle:
      https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Lettland-Jubel-fuer-SS-und-Bundeswehr,riga162.html

      Und hier noch eine weitere Quelle ARD von 2015 zur Situation in der Ukraine:
      https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Ukraine-Gedenken-an-Hitler-Kollaborateur-Bandera,ukraine554.html

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  7. Eveline Maier
    Eveline Maier sagte:

    Diese brutalste Angriffskrieg durch ein neo-faschistisches Regime, kann weder durch Relativierungen noch durch schiefe Vergleiche gerechtfertigt werden, Herr Abt. Verwenden sie besser nicht mehr die ausdrucksweise „main-stream Medien“. Schreiben sie stattdessen in ihrer Fortsetzung über die ausgeklügelte Pressefreiheit in ihrem Russland.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Liebe Frau Maier,
      ja, Krieg ist brutal. Verabscheungswürdig und furchtbar – nur (relativ) Wenige wollen das gerne (weil sie davon leben), die Massen & Heere werden dann rein getrieben.

      Aber lösen Sie sich doch mal von Ihrem angefütterten Schock, denn wenn Sie den Yemen, Afghanistan oder Syrien auch ‹lesen› würden, dann wäre Ihr Herz seit Jahren längst verblutet.
      Oder sonst wären SIE eine Heuchlerin wie alle, die jetzt klatschen,
      weil erneut ein Volk (die Ukrainer) verheizt wird. Von der Ma$ia.

      Den Ukrainern ging es vor 1991 um einiges besser als 2021 – die sind nach Moldavien (auch gelandet im ‹freien Wertesten›) zu den ärmsten, ausgesaugtesten Ländern von WestEuropa.
      Wir reden vielleicht nicht von den korrupten Eliten dort –
      und hoffentlich nicht von den Arbeitsplätzen unserer Rüstungsindustrie, die jetzt mitverdienen könnten, sollten …..

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  8. Roger Karrer
    Roger Karrer sagte:

    In der Exklave Kaliningrad (ehemals Königsberg) hat Russland eine beeindruckende Militärpräsenz aufgebaut, die Atomwaffen, seine baltische Flotte (eisfreier Hafen) und Zehntausende von Soldaten umfasst. Abgesehen von den internationale Gewässern der Ostsee – ist dieser bedeutsame, militarisierte russische Verwaltungsbezirk von Litauen und Polen umgeben. In diesen beiden NATO-Ländern gibt es jedoch auch jetzt keine Nuklearsprengköpfe.

    Solche wichtige Gegenwahrheiten sollten sie uns nicht unterschlagen, Herr Abt. Die ideologische Brille steht ihnen im Weg.

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    • Felix Abt
      Felix Abt sagte:

      Ein ziemlich schräger Vergleich von Roger Karrer, der glaubt, den ideologischen Splitter im Auge eines anderen zu sehen, ohne den Balken in seinem eigenen zu erkennen.
      Er unterschlägt die Tatsache, dass Kaliningrad russisches Territorium ist und dort schon immer russische Truppen stationiert waren (lange bevor Litauen, in dem diese russische Enklave liegt, Mitglied der NATO wurde). Die Sowjetunion lagerte seit den sechziger Jahren Atomwaffen in Kaliningrad, und Russland setzte diese Praxis fort. Natürlich erwähnt er nicht, dass Litauen erst kürzlich versucht hat, diese Enklave mit einer Blockade zu strangulieren, eine extreme Provokation, die das Risiko einer militärischen Konfrontation in sich barg.
      https://www.dw.com/en/explained-why-is-kaliningrad-so-important-to-russia/a-62206978

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