Gegendarstellungsfrei

Die Schweiz schweigt. München berichtet.

«Um den Fall Roshani/Canonica werden sich demnächst die Gerichte kümmern. … Am Mittwoch wurde mehr aus dem angeblich 100 Seiten langen Untersuchungsbericht bekannt, den Tamedia-Verleger Pietro Supino bei einer Anwaltkanzlei Ende 2021 in Auftrag gegeben hatte.»

So berichtet die «Süddeutsche Zeitung» am Freitag über Innerschweizer Angelegenheiten. In den Schweizer Tageszeitungen wurde breit vermeldet, dass die ehemalige «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani im «Spiegel» eine Breitseite gegen den ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica und ihren ehemaligen Arbeitgeber Tamedia abgefeuert hatte.

Sexismus, Mobbing, toxische Atmosphäre, frauenfeindliche Sprüche. Das Narrativ entspricht dem Zeitgeist, bis hinunter zur «Republik» wurde wiedergekäut, gewäffelt und verurteilt. Dass Canonica die Vorwürfe als grösstenteils erlogen scharf zurückwies, dass Tamedia eine Zusammenfassung eines Untersuchungsberichts veröffentlichte, der die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen liess: kurze Randbemerkung.

Am Mittwoch veröffentlichte Roger Schawinski auf seinem Radio 1 neue, brisante Auszüge aus diesem Bericht. Danach verdichtet sich der Verdacht, dass Roshani, teilweise in Abstimmung mit dem ehemaligen «Magazin»-Redaktor Mathias Ninck oder Michèle Roten, aufgebauscht und erfunden habe.

Zudem veröffentlichte der «Schweizer Journalist» eine akkurate Recherche zur Frage, ob es wirklich so war, wie Roshani darstellt. Resultat: laut Aussagen von 8 aktuellen und ehemaligen «Magazin»-Mitarbeitern: nein.

Über diese neuen Enthüllungen, die nicht so in den Zeitgeist passen, berichtete ansatzweise persönlich.com und ausführlich ZACKBUM.

Und sonst niemand.

Schweigen im Blätterwald. All die Gazetten in der Schweiz – und sogar die deutsche «Zeit» – die aufgrund anonymer Heckenschützen sich darin überschlugen, dass es alles noch viel schlimmer gewesen sei, schweigen verkniffen. Die NZZ, der «Blick», CH Media, die sogar schon eine Entschuldigung in Richtung Tamedia-Boss Pietro Supino rausquetschen mussten – alle halten die Füsse still.

Vielleicht wäre mal eine Entschuldigung Richtung Canonica fällig. Aber das werden wir nicht erleben, dass das freiwillig geschieht.

Welch ein Elendsjournalismus, aufgrund ausschliesslich anonymer Frustrierter loszugaloppieren. Die «Zeit» verwendete sogar den Indikativ, als sei es erwiesen, dass die Behauptungen von Roshani zuträfen.

Nach der wilden Hatz aufgrund trüber Quellen muss man nun in der SZ lesen, was eigentlich in der Schweiz überall erscheinen müsste:

«Der Bericht ergebe ein «ein überraschendes Bild, das radikal von dem abweicht«, das Roshani im Spiegel gezeichnet hatte. Er entlaste Canonica in vielen Punkten. Auch das Branchenmagazin Schweizer Journalist:in hat sich gerade mit dem Fall befasst und in der Redaktion von Das Magazin recherchiert. Die Story zeichnet kein gutes Bild von Finn Canonica als Führungspersönlichkeit. Sie findet aber auch keine Zeugen für ein toxisches Klima in der Redaktion.»

Nur die amtierenden Mitarbeiter – oder der langjährige Kolumnist Daniel Binswanger, inzwischen Chefredaktor a.i. des Gutmenschenblatts «Republik» – haben ein Schweigegelübde abgelegt.

Normalerweise übernimmt ja Tamedia – bis hin zu Katzengeschichten eines ehemaligen Münchner Bürgermeisters – fast alles, was aus der bayerischen Hauptstadt kommt, ausser vielleicht das Kinoprogramm. Wetten, dass dieser Artikel nicht dazugehören wird?

PS: Der Gerechtigkeit halber sei angemerkt, dass immerhin «20 Minuten» die neuen Enthüllungen aufnimmt. Immerhin, weil das Gratisblatt auch zu Tamedia gehört.

8 Kommentare
  1. Mario Sacco
    Mario Sacco sagte:

    «Für jemanden, der in den vergangenen Jahren neu auf die Redaktion kam, war eigentlich schwer erkennbar, wer denn nun von den beiden der Chef war.»

    Dieser aufschlussreiche Bericht im heutigen 20Minuten scheint zu bestätigen, dass sich die Blackbox Anuschka Roshani nicht unterordnen konnte. Es war höchste Eisenbahn von Tamedia, diese Geschichte richtig zu erzählen. Eine solche bedeutsame Nachricht im 20Minuten darzulegen, hat zwar bloss Alibicharakter. Erwarte jetzt noch eine Zugabe (mit weiteren Fakten) in der morgigen Sonntagszeitung auf der Front!

    https://www.20min.ch/story/vorverurteilung-durch-die-medien-magazin-team-entlastet-canonica-165158055764

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  2. Hans Keller
    Hans Keller sagte:

    Hier noch die Radio 1-Medienmitteilung vom 22.2.2023, aufbereitet von Roger Schawinski. Interessant die fragwürdige Rolle von Mathias Ninck (ex Redaktor „Magazin“) am Schluss. Er bestreitet die Vorwürfe gegen ihn. Die Anwaltskanzlei Rudin Cantieni durfte nur aktuelle Mitarbeitende von Tamedia befragen. Die Kanzlei konnte sich allerdings auf eine frühere interne Untersuchung stützen, in die sich Mathias Ninck unaufgefordert schriftlich eingebracht hatte. Die offenbar von Ninck angereicherte Story mit der Phantom-Brust, verdient eine erneute Beachtung.

    https://www.radio1.ch/de/aktuell/medienmitteilung-zum-fall-roshanicanonica

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    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Der jetzige Polizei-Pressesprecher Mathias Ninck müsste jetzt eigentlich als echter Mann hinstehen. Seine Aussagen über die (erotisierende) Brust auf Canonica‘s Pult, war belegbar falsch.

      Das Kartenhaus Anuschka Roshani/Michèle Roten/Mathias Ninck entlarvend eingestürzt. Brutal. Jetzt dürfte das Strafrecht an Bedeutung gewinnen.

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      • Benno Derungs
        Benno Derungs sagte:

        Vom Hörensagen lernt man lügen! Die Erotik eines medizinischen Brustimplantates (dazu ohne Brustwarze) scheint gering zu sein.

        Die orchestrierte Absprache der drei intriganten erlitt totalen Schiffbruch. Alles schriftlich belegbar durch Anwaltskanzlei Rudin Cantieni und dem Implantatenlieferanten. Jetzt wird es um sehr viel Geld gehen, in einer Millionenklage.

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  3. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    ZACKBUM wird leider ständig totgeschwiegen im Schweizer Medienklüngel. Die ZEIT von ZACKBUM ist aber spätestens jetzt gekommen, weil unverbraucht und integer. Auch nicht börsenquotiert dazu.

    Diese Roshani-Affaire dürfte auch Salome Müller, ZEIT, nicht überleben. Wer wiederholt unsorgfältig arbeitet, hat keine journalistische Zukunft!

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  4. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Die Journalisten in der Schweiz sind offensichtlich sehr fest mit sich selbst beschäftigt.
    Da bleibt kein Platz und keine Zeit für Arbeit und News…

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  5. Eveline Maier
    Eveline Maier sagte:

    Bravo Zackbum Zeyer für diese Breitseite gegen diese moralischen Krüppel. Es wäre ausserordentlich nützlich, wenn auch der geschickte Virtuose Roger Schawinski nochmals nachdoppeln könnte. Er wird dies bestimmt tun, gemäss seinen Möglichkeiten. Sein Gerechtigkeitssinn verdient ohnehin grosse Hochachtung.

    Dieser Fall Roshani zeigt auf, dass die journalistische Sorgfaltspflicht in dieser Schweiz unbrauchbar ist. Auch das „Echo der Zeit“ von SRF kommt seiner Informationspflicht nicht nach. Schäbig!

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  6. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Die sich offensichtlich in einer Schockstarre befindenden Tamedia, sollte sich noch heute dieser Thematik annehmen. Eine Entschuldigung wird nicht mehr reichen, nach all diesen kommunikativen Versäumnissen.

    Es dürfte teuer werden für einige Falschspieler, in dieser boshaften Exekution. Unredlich.

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