Persönliches Manifest

ZACKBUM ist nicht nur Beobachter. Sondern auch Partei.

Es ist im Journalismus verpönt, das Wort «ich» zu verwenden. Ausser, es geht um das Ich. Mir geht es um mein Ich, also verwende ich für einmal dieses Wort.

Ich möchte gerne meine Restlaufzeit auf Erden in Frieden beenden. Ich bin mir bewusst, dass eine Geburt inmitten Europas dafür einerseits gute Voraussetzungen geschaffen hat, für die ich nichts kann. Das Leben in der Schweiz schafft noch bessere Voraussetzungen dafür, für die ich auch nicht viel kann.

Wer wie ich nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, den aber aus dem Erleben seiner Eltern kennt, glaubte mit zunehmendem Alter erstaunt prognostizieren zu können, dass er zu den wenigen, den ganz wenigen Generationen in der Geschichte Europas gehören dürfte, die von der Wiege bis ins Grab keinen Krieg in unmittelbarer Nähe erleben mussten.

Die Bürgerkriege in Ex-Jugoslawien mit all ihren Kriegsverbrechen, begangen nicht zuletzt auch von der NATO, unterstützt nicht zuletzt auch von den ehemals pazifistischen Grünen, konnte man noch mit wahrhaft eurozentristischer Arroganz als Randerscheinung im Wilden Osten abtun, was ja nun nichts mit Kerneuropa zu schaffen habe.

Unter dieses Kriterium könnte eigentlich auch der Krieg in der Ukraine fallen. Er könnte uns, Pardon, so scheissegal sein wie der Gemetzel im Jemen. Wie das Gemetzel in Tigray (wer weiss schon, wo das liegt. Da sind auch nur mehr als eine halbe Million Menschen umgekommen, zwei Millionen wurden vertrieben. Aber sie haben die falsche Hautfarbe und lebten am falschen Ort). Wie die Kriegsverbrechen des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien. Es könnte uns egal sein wie die Desaster, die die Achse des angeblich Guten im Irak, in Afghanistan, in Libyen verursacht hat.

Wie der verbrecherische Krieg der USA in Südostasien, in Vietnam, Laos und Kambodscha, für den die Supermacht bis heute keinen Cent Reparationen bezahlt hat.

Wir könnten den Völkern der Ukraine, Russlands oder des Iran wünschen, dass sie ihre korrupten und unfähigen Führungscliquen zum Teufel jagen. Man könnte das alles tun im festen und sicheren Wissen, dass unsere Stimme, die Stimme der einfachen Bürger, meine Stimme weniger als Blasen gegen den Wind ist, wenn die Mächtigen, die grossen Töter und Herren, Weltpolitik machen, Machtpolitik.

Dennoch wird hier auf ZACKBUM herumgekräht, opiniert, räsoniert und kritisiert. Warum? Einfach deswegen, weil mir mein Leben lieb ist. So egoistisch bin ich nunmal. Ich sehe nicht ein, wieso in der undemokratischen Ukraine die Demokratie verteidigt werden soll. Ich sehe nicht ein, wieso ein imperialer Machtkampf zwischen den USA und Russland zur endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hinaufstilisiert werden sollte.

Weder Biden noch Putin, noch Selenskyj geben einen feuchten Dreck auf meine Meinung – oder meinen Wunsch, wenn irgend möglich mein Leben nicht in einer atomar zerstörten Welt beenden zu wollen. Auch wenn ich ein «Manifest für den Frieden» mitunterzeichne, wiege ich mich nicht in der Illusion, dass das einen Einfluss auf die Politik von Olaf Scholz haben könnte.

Aber was mich umtreibt, sind diese unreflektierten Kriegsbefürworter, diese Militärstrategen in ihren Redaktionsstuben, die der Welt, Putin, Biden, Europa, der Schweiz, der Schweizer Regierung, der Schweizer Bevölkerung Ratschläge aufdrängen wollen, was sie zu tun oder zu lassen hätten.

Was mich umtreibt, sind diese verantwortungslosen Kriegstreiber, bei denen man nur froh sein kann, dass auch auf ihre Meinung (fast) niemand etwas gibt.

Was mich umtreibt, sind diese Bellizisten, die lustvoll die Ukrainer in noch mehr Leid und Tod treiben wollen, die sie mit allen dafür nötigen Waffen ausrüsten möchten, die am liebsten wieder deutsche Panzer durch die Ukraine rollen sehen wollen, die es diesmal dem Iwan richtig besorgen möchten, diesem Untermenschen, der doch tatsächlich mehrheitlich für einen Vollirren, einen dementen Kriegsverbrecher wie Putin sein soll.

Was mich umtreibt, ist deren Indolenz, dass aus dem Ukrainekrieg ohne Weiteres ein Dritter Weltkrieg werden kann. Die das nicht sehen wollen oder können und in einer Spirale der Eskalation gefangen sind, die von Munition über schwere Waffen und Kampfpanzer nahtlos zu Kampffliegern, Raketen und U-Booten führt.

Was mich umtreibt, sind diese publizistischen Brandstifter, sei das der alte Wanner oder sei das ein deutscher CDU-Politiker, die mit Nato-Bodentruppen oder der Bombardierung von Munitionslagern in Russland oder von Luftangriffen auf Russland fantasieren.

Was mich umtreibt, sind diese fahrlässigen Undemokraten, die erfüllt vom sicheren Wissen um das Gute den Schweizer Rechtsstaat, die Eigentumsgarantie, die Neutralität in die Tonne treten wollen, weil sie meinen, ihre Mission sei wichtiger und richtiger als all das.

Demgegenüber muss ich klar festhalten, ob ich damit als Diversant (für die wenigen Gebildeten), als Putin-Versteher (für die Trottel und Würstchen) oder als feiges Weichei gelte, das den imperialen Gelüsten des Kreml-Herrschers willfährig nachgeben will: für mich ist die Ukraine keinen Weltkrieg wert. Für mich ist die Verteidigung eines korrupten Oligarchen-Systems gegen den Überfall durch ein anderes keinen Weltkrieg wert.

Allen, die das propagieren, die dann wieder einmal fassungslos stammeln würden «das habe ich doch nicht gewollt», all denen sei ein deutliches Gedicht von Bertolt Brecht in Erinnerung gerufen, das er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb, als nach dieser Weltkatastrophe von vielen, die sie mitverursacht hatten, «vergessen und Schwamm drüber und nach vorne schauen» propagiert wurde.

Vielleicht ist das nach einem atomaren Weltkrieg gar nicht mehr möglich, dass man sich aus der Verantwortung stehlen kann, aber falls doch, sei all diesen warmonger, diesen Kriegshetzern ins Stammbuch geschrieben, was Brecht in kalter und berechtigter Wut formulierte:

«Und die da reden von Vergessen
und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
mit schweren Eisenhämmern ein
20 Kommentare
  1. Bockhorn
    Bockhorn sagte:

    Krisen bringen es an den Tag. Ganz wenige wachsen über sich hinaus, ganz viele schwimmen mutlos im Strom. Das war bei Corona so, und das ist auch jetzt wieder zu beobachten. In der Krise zeigt sich Substanz ebenso wie ihr Fehlen. Hier Selbstdenker, da GefallenWoller.

    Zeyer bräuchte sich nicht ins Zeug zu legen. Da ist nix zu gewinnen für einen wie ihn. Er könnte einfach schweigen oder möglichst reibungsfrei mitsurfen wie sonst fast alle. Tut er nicht. Er zeigt Kante.

    Deshalb Hut ab. Und danke.

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  2. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Kleiner Nachtrag:
    Bertold Brecht, diese edle Seele, die solch verzweifelte Worte brauchte,
    machte auch eine furchtbare Prophezeiung.
    Er warnte Deutschland vor einer Hybris, die seine vollständige Zerstörung
    bedeuten würde. Leider eine durchaus realistische Vision.

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  3. René Küng
    René Küng sagte:

    Klare Spaltung, auch und definitiv auf zackbum.
    Da graut einem nur, wenn ich an die ‹Mährheit› der Massenmedien, SRF voran, denke.
    In Basel hat jetzt die Treib- und Hetzjagd gegen Daniele Ganser begonnen, im Schlepptau des Neuen Reiches oben.
    In Österreich hat sich ein wunderbarer Mensch (junger Vater) umgebracht, der die letzten drei Jahre gewarnt hat https://www.youtube.com/watch?v=Ai8vcsruHnY
    Die Meute hat ihr Werk vollendet.

    Danke, dass Sie nicht schweigen Herr Zeyer,
    ich mag in meiner Traurigkeit heut nicht beissen, noch Fressen einschlagen,
    das scheint sowieso wieder zu kommen.

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    • Hans Keller
      Hans Keller sagte:

      Daniele Ganser nennt sich «Friedensforscher», bewirtschaftet dabei aber vor allem sein Feindbild «böser Westen»; im Speziellen den Sündenbock USA in einer verqueren Einseitigkeit. Was der Pfarrersohn unter „Friedensforschung“ versteht, erschliesst sich mir nicht. Als Ganser im Jahre 2006 die ETH Zürich verliess, hat er keine seiner Friedensforschungsergebnisse in einem akademischen Journal publiziert bzw. publizieren dürfen.

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      • René Küng
        René Küng sagte:

        Herr Keller
        entdecken Sie manchmal auch eine verquere Einseitigkeit in Ihren Medien?

        Und wenn es so wäre, dass Daniele Ganser das Augenmerk auf ‹den Westen› legen würde
        -wäre das schon per se ein Vergehen?
        -und hätten Sie Beispiele, wo er lügt, fake news verbreitet, hetzt?

        So wie das jetzt gegen ihn nötig ist. Inklusive verbieten, diffamieren, wirtschaftlich schädigen.
        Kommt Ihnen das nicht seltsam vor? Lesen Sie mal Ganser, nicht die kolportierten Urteile über Ganser, und dann ziehen Sie Ihre Schlüsse, wer was wie bewirtschaftet.
        Ich habe Ganser nicht gelesen, aber die Lektionen über die grauenhaften, massenweisen, skrupellosen (und zum Teil saudummen) Lügen des Westens schon über 20 Jahre vor Ganser mitbekommen.
        (Für mich) angefangen bei Kennedy, Vietnam, Schah Reza, Cuba*, Chile, Argentinien, Währungsmanipulationen, *Sanktionen gegen Unwillige und und und
        Alles (mindestens) auf einer Höhe mit Budapest oder Prag.

        Und es ist nicht nur Ganser, der uns die Augen öffnen will für die Intrigen um Geld & Macht. Wir könnten jeden Tag was dazu lernen, um gewisse aktuelle Themen etwas differenzierter zu betrachten: https://uncutnews.ch/brzezinskis-gestaendnis/

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  4. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Es gibt auch in der Schweiz recht viele Friedenswillige, leider
    in vielen kleineren Gruppierungen. Würden sich diese richtig vernetzen,
    wären sie eine Friedensmacht.
    Alles im Universum ist eine Frage des Gleichgewichts. So ist es
    auch auf unserer kleinen Erde. Nur das Gleichgewicht schafft Harmonie.
    Militärisch gesehen besteht leider ein extremes Ungleichgewicht.
    Das nährt den Machtwahn gewisser Politgrössen. Der Krieg in der Ukraine
    hat viele Väter. Und zufielen gelüstete es nach Bärenschinken.

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  5. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    All die Leute die «Putin» verstehen sollten auch Putin zuhören. Glasklar hat er mehrere Male verkündet, sein Ziel sei die kläglich gescheiterte von korrupten und der Nomenklatura regierte Sowjetunion wieder herzustellen. Ich würde jederzeit ein Manifest unterschreiben das die Beendigung des Krieges fordert, nur müsste der Adressat der richtig sein. Putin ist nicht einmal unter z.K.

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      • Rolf Karrer
        Rolf Karrer sagte:

        Sie schreiben immer kurz angebunden Slavica. Unredlich. Teile die Meinung von Victor Brunner, weil er auf diese widersprüchlichen Unzulänglichkeiten aufmerksam macht. Steter Tropfen höhlt den Stein……

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    • Oskar
      Oskar sagte:

      Sie haben den Artikel entweder nicht verstanden, wollen ihn nicht verstehen oder haben ihn gar nicht gelesen. Kurz: Thema verfehlt, eins, setzen.

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      • Schorschli
        Schorschli sagte:

        Auf den Mann spielen und abschissen ist nie zielführend. Eigene Erkentnisse einbrigen und seine Meinung absorbieren ist halt zu anstrengend.

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  6. Ulrich Weilenmann
    Ulrich Weilenmann sagte:

    Lieber Herr Zeyer,
    niemand verlangt von Ihnen, sich zu den «Kriegsgurgeln» zu gesellen. Sie können auch das unsägliche Manifest von Schwarzer et al. unterschreiben. Wenn ich richtig orientiert bin, sind Sie in der kommunistischen DDR zur Welt gekommen und haben es irgendwann zu uns in die Schweiz «geschafft».
    Aber wenn das Leben damals unter der Fuchtel der Kommunisten so grossartig war, wieso hat sich dann das Sowjetreich nach 1989 einfach aufgelöst? Wieso wollten denn ehemalige Satellitenstaaten unter den Schutzschirm der Nato (=USA). Auch die Ukraine (und Georgien) wollten dies. Hätte Europa damals nicht abgelehnt, gäbe es keinen Krieg in Europa, gäbe es keine 10 Mio. Ukraineflüchtlinge (und auch keine (unbekannte Anzahl) Russenflüchtlinge). Ihre Haltung, dass geht mich persönlich nichts an, die Ukraine ist keine «lupenreine» und deshalb keine verteidigungswürdige Demokratie, vernachlässigt völlig, dass wenn Putin nicht gestoppt wird, die nächsten Opfer alle anderen ehemaligen Sowjetrepubliken sein werden (Weissrussland, Moldau, Kasachstan, etc.). Nur wer unter die Flügel der NATO «schlüpfen» kann, wird vor ihm sicher sein. Wie war das übrigens vor dem 2. WK. Zuerst wurde das Rheinland heimgeholt, dann Oesterreich, das Sudetenland. Zu guter letzt teilten Hitler und Stalin (!) Polen auf. Muss sich das heute auf vergleichbare Weise in Europa wiederholen? Ist der Aggressor tatsächlich der Westen und die NATO?

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    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Ihre Sichtweise haben sie geduldig erklärt, mein Kompliment. Schauen sie nur einmal auf die drei baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland. Diese haben sich seit der Befreiung aus der Sowjetunion, hervorragend entwickelt.

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    • Niklaus Fehr
      Niklaus Fehr sagte:

      Das ist wie wenn man einen Hund trätzled bis er einen beisst und dann sagt, der ist aggressiv und muss eingeschläfert werden. Die Amerikaner reiten uns in Teufels Küche und dann verschwinden sie. Es wird der Tag kommen, wo die Amerikaner sich aus Deutschland abmelden. Ich sage das nur, weil ich annehme, dass Sie es noch erleben werden. Dann schlägt die Stunde der Russen, wer immer dann dort an der Macht ist. Dann fliegt uns das Zeug um die Ohren. Der jetzige Ukraine-Krieg ist ein lokaler Konflikt.

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  7. Beat Reichen
    Beat Reichen sagte:

    Einmal mehr das grosse Bild erhellt.
    Danke!
    Ob es nützt bei so vielen Idioten und Kriegsgewinnlern ist allerdings fraglich!

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  8. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Mein Morgenerschrecken: Samuel Schumacher (Blick), abgekürzt SS: «Der russische Krieg gegen die Ukraine ist eine glasklare Sache». Und wie er am Ende betont: «…bleibt eine glasklare Sache». Und ich bin mitschuldig an einem der grössten Verbrechen in der Geschichte Europas wegen meinem gefährlichen Gerede. Sagt ein Mitdreissiger. Da ist er beim Blick doch gut aufgehoben.

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    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Samuel Schumacher Ist mir äusserst positiv aufgefallen. Spricht glasklar und überzeugend. Er ist ein frisches Gesicht und gut informiert. Zukünftig wird noch mehr zu erwarten sein von ihm. Der Reporter Kurt Pelda ist mir schon vor über 15 Jahren als NZZ-Mitarbeiter aufgefallen. Schumacher und Pelda zeigen wahres Interesse für die Thematik. Reisen auch in den Outback des teuflischen Geschehens. Chapeau.

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    • Doris Failer
      Doris Failer sagte:

      Verleumden sie diesen Mann nicht mit SS. Er hat es nicht verdient Herr Fehr. Schumacher ist eloquent und sachkundig. Als einer der wenigen Schweizer Journalisten kann er fliessend (und überzeugend) sprechen.

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    • Niklaus Fehr
      Niklaus Fehr sagte:

      Wenn einer gut aussieht und gut reden kann, wird er von den Frauen verteidigt. Ich nehme ihnen das nicht übel. Trotzdem gefällt mir seine Meinung, und wie er sie kundtut nicht. Und er ist noch zu jung um die Welt zu erklären. Reisen ins Outback des teuflischen Geschehens befähigen nicht, die Thematik zu verstehen, sondern verstärken die subjektiven Eindrücke die zu einer verzerrten Wahrnehmung führen. Das ist meine glasklare Meinung, aber mein Gesicht ist halt nicht mehr so frisch.

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