Das Tiefe im Flachen

Wie CH Media die Welt verstehen will.

Die Welt ist bekanntlich rund, bunt und kompliziert. Das zeigt sich insbesondere in der Ukraine. Nun nähert sich der Tag, an dem Russland unter Bruch aller Versprechen der Wahrung der territorialen Integrität der Ex-Sowjetrepublik in das Land der korrupten Oligarchen einfiel, die sich einen Präsidenten gekauft hatten.

Dazu muss natürlich Hinz und Kunz, also Lohnschreiber und schreibender Operetten-Chefredaktor, etwas Tiefsinniges absondern, weil sich der Tag der Invasion jährt. Und Jahrestage sind immer Leitlinien für die Medien, oftmals Leidlinien für die Leser.

Das «Tagblatt» aus dem Hause Wanner, also Mitglied des CH-Media-Imperiums, macht da keine Ausnahme. Zunächst einmal darf Raffael Schuppisser das Wort ergreifen: «Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Die Generäle, Putin und wir – alle haben sich getäuscht».

Das macht ja nix, von dieser Ausgangsbasis her kann man doch weiterschreiben. Schuppisser bringt für seine Ukraine-Analyse beste Vorraussetzungen mit. Er hat an den Universitäten Basel und Zürich Philosophie studiert. Er ist laut LinkedIn «Redaktor Digital & Wissen Schweiz am Sonntag», zudem «Ressortleiter Leben & Wissen Schweiz am Sonntag» und zeitgleich «Stv. Chefredaktor| Leiter Kultur & Leben/Wissen». Vielleicht darf man ihn auf den Irrtum aufmerksam machen, dass es die «Schweiz am Sonntag» schon ein Weilchen nicht mehr gibt.

Aber gut, das alles hindert ihn nicht daran, über die Ukraine nachzudenken. Weiss ein Philosoph, wie die Zukunft aussieht? Nein, Schuppisser hält sich da mehr an Sokrates, in der Version von Platon, überliefert von Cicero: «Wie geht es weiter? Die ehrliche Antwort ist: Keiner weiss es.»

Aber das ist nun zu viel Nichtwissen, Schuppisser muss hinzufügen: «Denn dieser Krieg – in dem es nicht zuletzt um die Verteidigung der demokratischen Werte geht – darf nicht mit einer Niederlage der Ukraine enden.» Es ist immer wieder erstaunlich, dass es in einem korrupten Oligarchensystem in einem Staat, der erst seit rund 30 Jahren in die Unabhängigkeit taumelt, dessen Präsident sehr rustikal mit Opponenten umgeht, in dem eine Zensur wie in Russland herrscht, dass es ausgerechnet hier um die «Verteidigung demokratischer Werte» gehen soll. Aber vielleicht muss man das philosophisch sehen.

Nun schüttet das «Tagblatt» zum Jahrestag ein ganzes Füllhorn von Artikeln und Kommentaren zum Thema Ukraine aus. «Eine Ukrainerin aus dem Thurgau näht Kriegsmaterial für die Heimat – aber der Export aus der Schweiz ist verboten». Aber es wird dennoch genäht und verschickt; nicht nur Bekleidung, weiss das «Tagblatt»: «Nebst Tarnanzügen basteln die Ukrainerinnen Grabkerzen, die gerade in den klirrekalten Nächten die Soldaten wärmen, die sich für ihre Heimat einsetzten.» Wärmende Grabkerzen? Sachen gibt’s.

Aus dem fernen Peking meldet sich der Jungspund Fabian Kretschmer mit wie immer spekulativen Wackel-News: «Im Westen versucht sich die Volksrepublik als Vermittlerin im Ukraine-Krieg zu positionieren, doch gegenüber Russland gibt sie sich loyal. Die US-Regierung glaubt, Peking könnte bald eine rote Linie überschreiten.»

Fabian Hock hat eine glasklare Meinung über die Stippvisite des US-Präsidenten: «Bidens Besuch in Kiew ist jedoch nicht nur eine Ohrfeige für den Kriegstreiber im Kreml. Es ist auch eine glasklare Botschaft an die Ukraine. Sie lautet: «Die USA stehen hinter euch.» Davon kann Biden nun nicht mehr abrücken. Sein persönliches Erscheinen in Kiew ist die ultimative Zusicherung von Unterstützung

Gleich zwei Korrespondenten braucht es, um dem Leser einen Blick in den innersten Machtzirkel der USA zu erlauben, wo Renzo Ruf sich unter dem Schreibtisch Bidens verstecken durfte: «Die Entscheidung fiel am Freitag im Oval Office des Weissen Hauses. Umgeben von seinen engsten Beraterinnen und Beratern beschloss der amerikanische Präsident, vor seiner anstehenden Reise nach Polen auch einen Abstecher nach Kiew zu machen.»

Launig berichtet dagegen Inna Hartwich aus Moskau: «Socken stricken für Russlands Helden». Dort ist natürlich alles manipuliert, Propanda, Fake, den aber die Korrespondentin glasklar durchschaut: «Der Krieg ist nah, das Mädchen strahlt in die Kamera. Sie fährt fort mit dem auswendig gelernten Gedicht, mit dem sie sich in den Dienst von Russlands Kriegspropaganda stellt und sich ausstellen lässt

Für die militärische Einschätzung ist dann Armeechef Thomas Süssli zuständig. Er teilt mit dem Leser seine Learnings: «Was wir aus dem Ukrainekrieg lernen: Man hat nie genügend Munition.»

Stefan Bühler mahnt Leistungen an, die er persönlich erbringen will. Ach, nein, eine Milliarde sollen alle Steuerzahler und andere aufwerfen: «Es ist unerlässlich, dass sich auch Private am Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes beteiligen. So viel Solidarität mit der Ukraine muss sich die Schweiz leisten – trotz angespannter Bundesfinanzen

«Muss sich die Schweiz leisten», das sind Sätze, mit denen einer allen ins Portemonnaie greifen will.

Da fehlt doch nur noch die Meinung des Chefredaktors Stefan Schmid zu diesem Jahrestag. Aber leider Fehlanzeige,  er kümmert sich um das Lokale: «Kommentar zum Schlussspurt in den St. Galler Ständeratswahlen: Die einzige Chance gegen Esther Friedli».

Irgendwie beruhigend, dass wenigstens einer Lösungsvorschläge für lokale Bedrohungen hat.

7 Kommentare
  1. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Dänemark ist auch jetzt das am wenigsten korrupte Land auf unserem Planeten.

    Gemäss dem massgebenden CORRUPTION PERCEPTIONS INDEX von transperency, liegt die korrupte Ukraine gar besser da, als das noch korruptere Russland. Siehe aussagekräftige Liste aus dem Jahre 2022.

    Der Verfasser sollte diese falsche Annahme korrigieren.

    https://www.transparency.org/en/cpi/2022

    Antworten
    • Beth Sager
      Beth Sager sagte:

      Wichtig zu wissen, dass Transparency International sein Headquarter in Berlin, Deutschland hat.

      Es ärgert mich immer wieder, dass nur von der korrupten Ukraine berichtet wird. Schwarz auf Weiss sehen wir hier die glaubwürdige Sünderliste.

      Antworten
        • Eveline Maier
          Eveline Maier sagte:

          Der Wohlstand begünstigt bestimmt den Listenplatz. Schauen sie auf das vorbildliche Estland. Das kleine Land hat sich aus der Knechtschaft der Sowjetunion mit Bravour hochgearbeitet.

          Antworten
    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Immer das gleiche Lied mit den korrupten Ukrainern und den vielen Nazis. Auch die Lüge, dass der mutige Dissident Alexei Nawalny, die Besetzung der Krim gutgeheissen haben soll.

      1. Ja, die Ukraine muss an der Eindämmung der Korruption arbeiten
      2. Bei den ukrainischen Parlamentswahlen im Jahre 2019, haben weniger als 5% für ultrarechte Parteien gestimmt.
      3. Die Diskreditierung von Nawalny wegen Krim ist eine infame Lüge.

      Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Benno Derungs Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert