Und der Rest ist …

Peinlich. Peinliches Schweigen bei Tamedia.

Die «SonntagsZeitung» soll angeblich helfen, den Montag bis Samstag zu verstehen. Letzte Woche war von Montag bis Samstag zumindest in medialen Kreisen ein einziges Thema interessant: der neuste Tamedia-Skandal.

Zu dem ist nämlich ein möglicher Canonica-Skandal oder ein möglicher Roshani-Skandal oder ein möglicher «Magazin»-Skandal geworden. Die aktuelle Chefredaktion des «Magazin»? Sie schweigt. Die Redaktoren, die ja nicht erst seit gestern an Bord sind? Sie schweigen. Ehemalige Mitarbeiter wie die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger, früher mal eng mit Canonica? Schweigt.

Anonyme Heckenschützen, die allenthalben zitiert werden, dass alles noch viel schlimmer sei oder schon längst intern bekannt? Sie schweigen nicht, aber wie glaubwürdig sind Behauptungen von Journalisten, die sich nicht einmal trauen, mit ihrem Namen dazu zu stehen?

Also hat sich ZACKBUM auf Spurensuche begeben, ob es denn in der SoZ oder im «Magazin» wenigstens Andeutungen über diesen Skandal gibt.

Schon im Editorial von Arthur Rutishauser meinten wir, fündig geworden zu sein: «Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten und sich ansonsten einigelt.» Könnte das eine Kritik an der unterirdische Performance von Pietro Supino sein? Mutig, könnte man meinen: «Genauso wie 2001 beim Swissair-Grounding ist es es auch heute wieder bei Tamedia.» Oh, Pardon, unser Fehler, «bei der Credit Suisse», schreibt Arthur.

«Wohin unsere Steuergelder gehen», ist eine Analyse auf Seite 4 überschrieben. Na, nicht zu Tamedia, aber das ist leider auch kein Beitrag zur Aufarbeitung des hausinternen Skandals. ««Gesundheit» wünschen oder ignorieren?» Ist das wenigstens ein Artikel über den Zustand von Finn Canonica? Leider nicht, es geht um viel Wichtigeres: «Was erwidert man auf ein «Hatschi»?» Das ist in Zeiten der politischen Korrektheit wahrlich nicht so einfach.

Aber hier vielleicht? «Sie nehmen die Hodenschrumpfung in Kauf». Ein bislang unbekannter Spruch des Ex-Chefredaktors? Schon wieder nein, es geht um Anabolika. Leserbriefseite? Nix. Harald-Schmidt-Interview: Sternstunde, aber auch nix über Canonica oder Roshani oder Supino. Aus die Maus.

Also nahm sich ZACKBUM «Das Magazin» vor; mit 32 Seiten immerhin schnell zu überblättern. Die Titelgeschichte ist aus dem «New Yorker» übersetzt. Soweit nichts Neues; Eigenleistung nur, wenn es gar nicht anders geht. Und es geht immer anders.

Auf Seite zwei ein längeres Editorial des nachgerückten Chefredaktors Bruno Ziauddin. Die Chance, endlich. Aber nein, Plattitüden, Seichtheiten und Lob eines «ambivalenten Verhältnisses zu Butter». Also alles in Butter.

Aber vielleicht die Kolumnisten, sonst immer schnell zur Hand, Schlimmes, Kaputtes, Fragwürdiges, Fehlerhaftes überall auf der Welt und auch in anderen Gazetten zu kritisieren. ZACKBUM setzte grosse Hoffnungen auf Philipp Loser. «Der Inhalt zählt nicht», ist seine Kolumne überschrieben. Ein Hinweis auf die Oberflächlichkeiten des Canonica-Ära? Leider nein, Loser verbreitert sich über Wahlen, mit Dumpfsätzen wie: «Diese Komponente  der inhaltliche Wahrnehmung ist ein Teil der Wahlentscheidung.» Wie man einen solchen Satz schreiben kann, ohne selber dabei wegzuschnarchen?

Aber vielleicht Katja Früh, sie dilettiert über «Liebe und Toleranz». Endlich eine Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen Canonica und Roshani? Nein, verflixt, sie hat endlich auch noch den Briefwechsel Bachmann-Frisch gelesen. Nach allen anderen. Aber dann Kaltërina Latifi, «Wie viel Widerspruch halten Sie aus?» Ach was, Anlass zu banaler Nabelschau: «seit 2016 lehre ich zeitweise an einer Londoner Universität». Leider nennt sie den Namen nicht, damit man diese Bildungsstätte meiden kann.

Dass Christian Seiler als Fresspapst nichts zum Thema schreibt, okay. Ein Bericht über die Kreml-Propaganda? Wenn man auch wenige Seiten füllen muss, die bei 14 Seiten voller «New Yorker» noch übrigbleiben …

Max Küng vielleicht? Lachhaft. Als Frage an Hans Ulrich Obrist? Lachhaft. Und schon ist’s aus, das «Magazin». 10 Tage Tamedia-Skandal, 10 Tage das «Magazin» und seine Mannschaft im Feuer. Aufarbeitung, Reaktion, journalistische Analyse, Einordnung? Investigativ-Desk, all die überbezahlten und unterbeschäftigten Journis bei Tamedia, die sich endlich mal von der Betrachtung des eigenen Bauchnabels lösen könnten? I wo, nur kein Stress. Interessiert den Leser doch nicht.

Unfassbar.

 

 

2 Kommentare
  1. Frank Maurer
    Frank Maurer sagte:

    Doch, das Thema interessiert auch jenseits der Medien-Bubble, weil dieses «beredte Schweigen» viel über den Umgang mit (eigenen) Problemen aussagt, wo doch lauthals immer die der anderen angeprangert werden.
    Vielen Dank für diese Website und diesen Einsatz!

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  2. Franz
    Franz sagte:

    Aber auch hier wie beim Corona-Zeugs: ausser der Medien-Bubble interessiert das Thema keine Seele.
    Gut für eine Woche Schlagzeilen…

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