Traumtänzerei

Was wäre, wenn der Journalismus funktionieren würde?

«Die Frage, wieweit Canonicas Opferhaltung glaubwürdig ist, soll nun auch im «Magazin» publizistisch «angemessen» thematisiert werden. Am Mittwoch waren zumindest entsprechende Aufforderungen an die Redaktion zu hören.»

Das schreibt Lucien Scherrer in der NZZ. Er will über den Verlauf einer Aussprache bei Tamedia informiert sein, die letzten Mittwoch stattgefunden haben soll. Bei ihr seien der Tamedia-Boss Pietro Supino und der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser aufgetreten. Supino soll von einer «schmutzigen Geschichte» gesprochen haben, auf die «man jedoch korrekt reagiert habe», will die NZZ wissen.

Zunächst: korrekt reagiert? Wenn Supino das wirklich meint, muss man sich Sorgen um die Tx Group machen. Denn wenn der Chef den Kontakt zur Realität verliert, ist Feuer im Dach. Tamedia eierte sich kommunikativ (als Medienhaus!) geschickt in einen GAU hinein.

Zunächst der edle Verweis auf «Persönlichkeitsschutz», der leider weitere Informationen verbiete. Ausser, dass man die Vorwürfe von Roshani sehr ernst genommen habe. Bereits einen Tag später war es mit dem Schutz vorbei; ohne bei den Betroffenen ihr Einverständnis einzuholen, wurde fröhlich eine Zusammenfassung einer externen Untersuchung veröffentlicht. Zuerst an die Angestellten verteilt, im sicheren Wissen, dass sie so in einer Minute überall gestreut sei.

In dieser Zusammenfassung bekommen sowohl Canonica wie Roshani ihr Fett ab. Der Bericht forderte im Fall Canonicas nur Sensibilisierung, Coaching und Führungskurse. Stattdessen suchte er Mitte letzten Jahres keine neue Herausforderung, wie bislang das Wording war, sondern wurde gefeuert. Ebenso wie Roshani dann im September.

Wie auch die berühmten, nicht namentlich genannt sein wollenden Quellen ZACKBUM versichern, herrscht zurzeit bei Tamedia eine Bombenstimmung. Denn nicht nur Canonica, eigentlich alle Redaktoren kriegen zu hören, bei welchem Schweinebackenverlag sie denn arbeiten würden.

Vielleicht wäre der Vorwurf angebrachter, bei welchem Verlag von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen. Denn in all diesen Fällen von Sexismus-Vorwürfen sind die Journalisten in keiner Weise ihrer angeblichen Kernkompetenz nachgegangen: recherchieren, untersuchen, Beleg sammeln, Zeugen finden, Artikel machen.

78 erregte Tamedia-Journalistinnen hatten einen Protestbrief unterzeichnet, der mehr als 60 verbale Übergriffe aufzählte. Fast zwei Jahre danach ist es in keinem einzigen Fall bekannt, ob er sich wirklich so zugetragen hatte – oder nicht. Das ist ein klägliches Versagen.

In der neusten Attacke behauptet die Autorin Anuschka Roshani, dass verbale Ausfälligkeiten ihr gegenüber nicht nur unter vier Augen oder Ohren stattfanden, sondern coram publico. Also in Anwesenheit von Zeugen. Canonica hingegen behauptet in einem Verteidigungsschreiben, dass das alles gelogen sei. Zudem habe die gesamte Redaktion einen Brief verfasst, in dem sie die Anschuldigungen Roshanis als «absurd» zurückgewiesen hätten und ihm den Rücken gestärkt. Dieser Brief sei an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gerichtet gewesen.

Es liegen also genügend recherchierbare Behauptungen vor. Eine klare Ja/Nein-Sache ist auch, dass die Verlagsleitung behauptet, Roshani sei der Inhalt des Untersuchungsberichts über ihre Anschuldigungen zur Kenntnis gebracht worden. Roshani bestreitet das.

Gibt es diesen Brief, gab es Ausfälligkeiten Canonicas vor Zeugen, hat Roshani den Bericht oder nicht, sind die von ihr belegten Beispiele aus dem Zusammenhang gerissen, wie Canonica behauptet, Ausdruck einer freundschaftlichen Scherzebene, über die beide gelacht hätten – oder sind es widerliche Ausrutscher?

Hat Canonica anzüglich mit einer Frauenbrust aus Plastik gespielt oder war es ein Brustimplantat, das er bei einer Reportage erhielt? Zumindest ein aus anonymer Quelle stammender Vorwurf ist weggeräumt: Big Boss Supino zwang CH Media zu einer «Korrektur und Entschuldigung». Der Wanner-Clan hatte dem Vertreter des Coninx-Clans schriftlich unterstellt, er habe Canonica nahegestanden und seine schützende Hand über ihn gehalten.

Ein weiteres Thema, die «anonymen Quellen». Der «Blick» arbeitet damit, CH Media arbeitet damit, die NZZ auch, sogar die «Zeit» will von gleich fünf ehemaligen Mitarbeitern dies und das bestätigt bekommen haben.

Auch das wäre ein Thema für Recherchen. Gibt es diese anonymen Quellen? Oder sind sie erfunden? Wenn es Ohren- und Augenzeugen gegeben haben soll, was sagen die? Wann wird dieser Solidaritätsbrief veröffentlicht, wenn es ihn gibt? Was kann man über die Arbeitstätigkeit von Roshani sagen? Stimmt es, dass sie eine Blindbewerbung auf die damals noch von Canonica besetzte Stelle des Chefredaktors «Magazin» bei der Geschäftsleitung deponiert haben soll?

Wie man sieht: es gäbe jede Menge Pisten, Hinweise, Andeutungen, Behauptungen, denen man nachgehen könnte. Dass feministische Schreihälse wie Franziska Schutzbach diese Anschuldigungen zum Anlass nehmen, sich mal wieder über die unerträgliche Machokultur im Journalismus zu beklagen, obwohl sie via ihren Partner und «Magazin»-Redaktor eigentlich aus erster Hand schon lange wissen sollte, wie es dort zuging – oder eben nicht –, geschenkt, das ist billiger Klamauk.

Aber wieso bildet die «Magazin»-Redaktion nicht eine Task Force, die diesen konkreten Fall aufarbeitet? Wäre das nicht eine Sache für das sogenannte Investigativ Desk, mal eine Abwechslung zum Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen?

Oder kurz gefragt: Wieso gehen die Hunderte von Journalisten im Hause Tamedia nicht einfach mal ihrem Beruf nach? Wieso lassen es alle anderen beim zitieren von angeblichen Quellen bewenden, die offenbar auch – anonym macht mutig – Stuss erzählen?

War es wirklich «noch viel schlimmer», sind Roshanis Anschuldigungen nur «die Spitze des Eisbergs», herrschte «Psycho-Terror»? Oder ist Canonica ein weiteres Opfer einer rachsüchtigen Untergebenen?

Das sollte doch rauszufinden sein. Aber eben, welcher Journalist arbeitet heute eigentlich noch als Journalist?

5 Kommentare
  1. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Heute ist bei den linken Mainstream-Medien gar nicht mehr erwünscht, dass die Journalisten überhaupt ernsthafte Recherchen anstellen. Dies würde ein geistiges Niveau voraussetzen, welches auch bezahlt werden müsste. Viel einfacher und billiger ist es Agenturmeldungen mit rot-grün-wokem Geschwurbel anzureichen und schon fertig ist der „Bericht“. Der Tagi ist das traurigste Beispiel dafür.

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  2. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Die Gleichstellung von Mann und Frau und die Vermischung der Geschlechter zeigt jetzt ihre Nebenwirkungen. Nur sollte die Lösung eines Problems nicht schlimmer sein als das Problem selber. Die Frauen haben, wenn man das so sagen darf, keinen Businessplan. Sie ticken, trotz aller Bemühungen, halt anders als Männer. Zuerst musste Dieter Bohlen weg, weil er nicht mehr zeitgemäss war. Dann war es doch zu langweilig ohne ihn und die Quoten litten, wo es schliesslich um Geld geht. Also musste er wieder her. Jetzt wollen die jungen Frauen, die sich nicht zu schade waren sich vorführen zu lassen mit ihren gemachten Brüsten und aufgespritzten Lippen, ihn wieder zerlegen. Ich staune nur noch, wie sich die Gesellschaft selber zerstört. Ich konnte mir das vor vierzig Jahren, als ich anfing die Prophezeiungen zur kommenen Zeit zu sammeln, nicht richtig vorstellen. Und jetzt bin ich mitten drin.

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    • Tim Gross
      Tim Gross sagte:

      Prima geschrieben Niklaus Fehr.

      Die Kommunikation von Frauen passiert heute zu oft über gemachte Brüste, aufgespritzte Lippen und himmelblaue Kontaktlinsen. Diese äusserlichen Gadgets ersetzen einen eigentlichen Dialog.

      Das neurotische Element dieser angeblich feministischen Frauen, ist in der Tat besorgniserregend.

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  3. René Küng
    René Küng sagte:

    Tagizin als Spiegel der Gesellschaft.
    ‹……von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen.› gilt wahrscheinlich plusminus für uns Alle.
    Gut genährt, warm verpackt, wollen wir gerne nicht wissen,
    -wie, von wem die grosse Kohle ins Land geschaufelt wird.
    -mit was für Mitteln die Reichtümer von wo weggeschaufelt werden.
    -wie diese Verhältnisse immer mal wieder ’stabil› gebombt werden.
    Und wenn’s einer erzählt, wie das konkret – sehr schmutzig, sehr abartig – abläuft und wer diese Drecksarbeit macht, organisiert und welche Allianz rechtschaffener Staaten hinter sich verbündelt,
    dann lässt man ihn vergammeln in einem Gefängnis vom ‹rechtsstaatlichen› Bündnispartner.

    Solange unsere Saläre und Pensionen fliessen, sind wir alle miteinander gleich bequem, heuchlerisch und korrumpiert wie die Journis, oder Justizs, oder Politis,
    Wohlstandsverwahrlost wie Frau Maier schreibt.

    Wir kriegen grad nach und nach die Vorgschmäckli serviert – im nahen Ausland noch etwas Realitätsnäher – was passieren wird, wenn es mehr und mehr klar wird, dass der breiten Masse die Gürtel enger und enger geschnallt werden.

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  4. Benno Derungs
    Benno Derungs sagte:

    Heute darf ein Vorgesetzter einer Frau nicht mehr sagen, dass sie schlecht oder ungenügend arbeitet. Dies dürfte im Zeitalter von #MeToo seine unliebsamen Konsequenzen haben.

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