… aus den Löchern

Halali. Die Jagd auf Tamedia ist eröffnet.

Das muss man mal hinkriegen. Innerhalb von nur zwei Tagen ist die Affäre Canonica zu einem Tamedia-Skandal gereift. Dank selten unfähiger Kommunikation der Verlagsspitze.

Von einem verkniffenen Anschwärzen der ehemaligen «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani mitsamt Verweis, dass man aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nix mehr sagen könne, gelangte die Geschäftsleitung schnell zur Veröffentlichung einer Zusammenfassung des Untersuchungsberichts. Scheiss auf Persönlichkeitsschutz, sowohl bei Roshani wie bei Finn Canonica.

Man kann davon ausgehen, dass beide nicht um ihr Einverständnis angefragt wurden, bevor die hyperventilierende Geschäftsleitung das Papier öffentlich machte.

Darin wird die Kritikerin kräftig runtergebürstet, aber auch Canonica kriegt sein Fett ab. «Fäkalisierte Sprache», wunderbarer Ausdruck. So nebenbei haut sich die Tamedia-Spitze selber eine rein. Hiess es zuvor, Canonica habe von sich aus eine neue Herausforderung gesucht, wird nun klargestellt, dass man ihn gefeuert hat.

Aber es gibt noch einen kitzligeren Punkt, der wohl zu Köpferollen führen wird. Die GL behauptet, Roshani habe den Untersuchungsbericht bekommen. Sie bestreitet das. Einer von beiden sagt die Unwahrheit. Die Logik gebietet zu vermuten, dass sie in ihrem Anklageartikel sicherlich auf diesen Bericht eingegangen wäre, hätte sie ihn gekannt.

Wird also die GL dabei ertappt, zu allem zu auch noch die Unwahrheit gesagt zu haben, dann muss das personelle Konsequenzen haben. Der Newcomer Müller von Cronenblum würde sich anbieten. Allerdings steht Arthur Rutishauser eine halbe Etage unter ihm und war der direkte Vorgesetzte von Canonica. Müsste also mit staatstragenden Worten ein Sündenbock gesucht werden …

Es gibt allerdings schon zwei sehr widerliche Aspekte in der ganzen Affäre. Roshani behauptet, Canonica habe seine «fäkalisierte Sprache» und seine ständigen sexuellen Anspielungen auch coram publico vorgeführt, also vor der gesamten Redaktion. Es ist kaum anzunehmen, dass sie das erfunden hat.

Das bedeutet also, dass eine ganze Reihe von edlen Gutmenschen teilweise über Jahre diese Unappetitlichkeiten eines offenbar gestörten Menschen anhörte – und dazu schwieg. Alle diese Aufdecker von Skandalen, diese Kämpfer gegen Sexismus, diese tapferen moralinsauren Besitzer der Wahrheit, des Guten und moralisch Richtigen – die haben aus Feigheit oder Arbeitsplatzsicherung jahrelang zugehört und geschwiegen?

Sie tun es weiterhin; allen von ZACKBUM angeschriebenen Edelfedern des «Magazins» ist die Tinte getrocknet. Keiner von ihnen wagt es, etwas Mumm und Zivilcourage statt feigem Schweigen zu zeigen. Auch kein ehemaliger. Wo bleibt da Peer Teuwsen, wo bleibt Martin Beglinger, wo bleiben alle, die im Impressum des «Magazins» verzeichnet sind? Welche Bankrotterklärung.

Gleichzeitig kommen nun viele aus den Löchern, die niemals bereit wären, vor der eigenen Türe zu kehren, und ergehen sich in billigen Solidaritätsadressen oder Tamedia-Beschimpfungen. Patrizia Laeri, selbst immer schnell und vergeblich mit dem Sexismus-Vorwurf zur Hand, wenn man ihre dubiose Geschäftspolitik kritisiert, droht dunkel: «Nun bricht nach diesem Text aber gerade so viel auf, dass ich nicht mehr verdrängen kann und will.» Müssen wir uns hier auf neue Enthüllungen gefasst machen?

Christof Moser findet nach bitteren Worten über die von ihm mitgegründete «Republik» nun bittere Worte über die Tx Group und fordert dort Köpferollen, so wie seiner gerollt ist. Habe das keine Konsequenzen, sei «dieser Konzern noch verkommener als gedacht».

Währenddessen schweigt der neue Chefredaktor a.i. der «Republik» weiter eisern. Dabei müsste die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger doch sehr gut wissen, wie sein Freund Canonica so drauf war. Ebenso wie der Kampffeminist Philipp Loser. Aber eben, mutig gegen andere wäffeln und ganz allgemein Missstände verbellen, ist das eine. Zivilcourage das andere.

Dafür kommen Leute aus den Löchern, die eigentlich ein Schweigegelübde einhalten sollten. So der «Kosmos»-Bruchpilot Patrick Frey, dem 72 von ihm mitverantwortete Arbeitslose zwar scheissegal sind. Der aber Zeit findet, sich darüber zu mokieren, dass Tamedia-Redaktorin Michèle Binswanger über die Entstehungsgeschichte ihres Buchs über die Landammannfeier zu Zug schreiben darf.

Dazu gab es am Sonntagabend im Kaufleuten die Vernissage. Das war dann ganz bitter für die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet und ihren abbröckelnden Fanclub und Hassmob. Es ist halt etwas anderes, anonym im Netz zu keifen als sich zu trauen, an einer öffentlichen Versammlung zumindest eine Frage zu stellen. Obwohl düstere Ankündigungen durchs Netz schwirrten, dass man doch etwas unternehmen solle, verlief der Abend vollkommen friedlich und ungestört. Es wurden nur lammfromme Fragen gestellt. Was für eine feige Bande.

Ausser Konkurrenz sozusagen läuft Profi-Wäffler Hansi Voigt, der als gefeuerter «20 Minuten»-Mann selber noch ein Hühnchen mit Tamedia zu rupfen hat. Ebenso wie Salome Müller, die in den edlen Spalten der «Zeit» auch noch gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber nachtritt. Natürlich mit lediglich anonymen Zeugen, wie es halt so ihre Unart ist. Obwohl ihr dortiges Wirken am Ende des Artikels vermerkt ist: im anständigen Journalismus hätte diese Interessenskollision verhindert, dass sie zu diesem Thema schreiben dürfte.

Ein besonders breite Schleimspur hinterlässt Kerstin Hasse. Kerstin who? Nun, die Quotenfrau der Chefredaktion, die bislang noch nie durch irgendwas anderes als durch lustige Ferienfotos aufgefallen ist und die angeblich irgendwas mit digitalem Storytelling machen soll.

Vielleicht nicht das: «Als Mitglied der Chefredaktion und nicht zuletzt auch als Frau kann ich dazu nicht schweigen.» Wäre aber besser gewesen: «Mobbing und Sexismus haben in einer guten und gesunden Unternehmenskultur keinen Platz.» Ach was, gut, dass es Hasse gibt, die uns darauf aufmerksam macht. Aber die Schleimspur geht noch weiter: «Ich möchte zudem nicht versäumen,» – das ist digital Storytelling at its best! – «dem tagi-magi meinen Dank auszusprechen. Die Redaktion hat im letzten Jahr viel durchgemacht und dennoch grossartige Arbeit geleistet.»

Das werden sich nun die stummen «Tagi-Magi»-Mitarbeiter einrahmen und an die Wand hängen, als Motivationsspritze, ja nicht so zu schwiemeln.

Es ist schon phänomenal. Bis am Freitag konnten sich die Mitarbeiter bei Tamedia noch an den Problemen delektieren, die Ringier-CEO Marc Walder dem «Blick» eingebrockt hatte. Und nun sind sie selber im Zentrum eines eigenen Skandals. Dumm gelaufen.

17 Kommentare
  1. Robert Müller
    Robert Müller sagte:

    Zu „Kosmos-Bruchpilot“ Patrick Frey fällt mir da gerade noch eine lustige Geschichte ein. Nachdem er seinen Komiker-Kollegen Rob Spence öffentlich wegen unterschiedlicher Ansichten zu Corona-Massnahmen angriff, stellte dieser ihn bei nächster Gelegenheit zur Rede und schaute ihm dabei offenbar tief in die Augen. Der dadurch völlig aufgewühlte Frey rannte danach sofort zu den Medien um den bösen Macho Spence zu diffamieren. Feige und erbärmlich aber leider bezeichnend für diese Art von Leuten.

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  2. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Wenn das stimmt, was der Blick schreibt über Finn und die Fake-Brust (https://www.blick.ch/schweiz/bei-bewerbungsgespraechen-mit-praktikantinnen-ex-magazin-chef-soll-fake-brust-massiert-haben-id18292912.html), dann müsste man sich einmal eine Frau vorstellen, die am Arbeitsplatz einen Fake-Penis auf dem Schreibtisch stehen hat und bei passender Gelegenheit daran massiert. Das ist einfach der Hammer. Das gehört in die Geschichtsschreibung für spätere Generationen.

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    • Mario Sacco
      Mario Sacco sagte:

      Nehmen sie nicht alles für bare Münze. Die Witze der Journalist:innen sind gelegentlich derb.
      Mit dieser heimtückischen Anuschka Roshani möchte ich auch nicht zusammenarbeiten. Der Spruch von Finn Canonica: „Super Heft.! Vielen lieben Dank! Obwohl Du eine Frau bist hast du brilliert! Lg“ muss ganz klar in einem Kontext geführt worden sein. Isoliert betrachtet zwar boshaft, aber Roshani pflückt bloss dasjenige heraus, was sie gegen ihren Vorgesetzten verwenden kann.

      https://www.blick.ch/politik/sexismus-affaere-bei-tamedia-jetzt-wehrt-sich-finn-canonica-id18296288.html

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      • Rolf Karrer
        Rolf Karrer sagte:

        Habe soeben die Stellungsnahme von Finn Canonica gelesen. Würde jetzt gar von einer Kehrtwendung in diesem Drama sprechen. Ich traue den Aussagen von Roshani überhaupt nicht mehr. Der KONTEXT ist doch das Mass aller Dinge!

        Erstaunlich eigentlich, dass diese SPIEGEL-Gastkolumnistin Anuschka Roshani ihre subjektiven Erlebnisse erst nach gegen 15 Jahren vorbringt. Es steht im Raum, dass sie völlig überzeichnet und gar lügt.

        Patrizia Laeri hatte ihr coming out nach 20 Jahre, wie ich eben gelesen habe.

        https://www.blick.ch/people-tv/schweiz/wegen-sexueller-belaestigung-srf-leitet-untersuchung-ein-patrizia-laeri-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-srf-kollegen-id18296600.html

        Es scheint bezeichnend zu sein, dass Frauen ihren (neurotischen) Ballast über Jahrzehnte mitschleppen. In den USA immer wieder zu beobachten.

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      • Niklaus Fehr
        Niklaus Fehr sagte:

        Ich weiss, das gibt es auch im medizinischen Bereich und anderswo. Aber wenn ein für Aussenstehende seltsames Gebaren auch üblich war und toleriert wurde, darf das nicht von einem Vorgesetzten mit Vorbildfunktion ausgehen. Der Chef darf sich nicht zu jedem Blödsinn hinreissen lassen, sonst steht er nicht über den Dingen. Wir leben im Zeitalter von Shitstorms und MeTo, und in den heutigen Firmenkulturen mit dem Duzis ist das eine Falle die sich bitter rächen kann. Der Finn tut mir jetzt auch ein bisschen leid, denn er ist trotzdem ein Mensch und hat Familie.

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      • Silvia Saner
        Silvia Saner sagte:

        Soeben auch die andere Seite gelesen. Diese ganze «Soap» scheint sich zu relativieren; gar um eine Neubeurteilung um 180 Grad.

        Diese Frau Roshani scheint mir hinterhältig-tückisch zu sein.

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    • Hans Keller
      Hans Keller sagte:

      Vergleich untauglich Herr Fehr:

      Eine Brust auf dem Pult ist kein primäres Geschlechtsmerkmal; eine Vagina ganz bestimmt.

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      • Niklaus Fehr
        Niklaus Fehr sagte:

        Hab ich mir auch überlegt, aber vom Mann gibts eben nichts Sekundäres zum aufstellen, auf dem Pult. Ich hatte mal einen Renault. Das Zeichen erinnerte mich immer an eine Vagina und so konnte ich doch nicht herumfahren. Da kaufte ich dann das Auto mit den zwei Kleiderbügeln im Logo.

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  3. K. Meyer
    K. Meyer sagte:

    Loser, Voigt, Frey, Binswanger usw…eine Geisterbahn der selbstverliebten Gratis-Moralisten. Alle diese pseudo-linken Antäuscher und Maulhelden sind einfach nur zum Lachen. Wer nimmt solche Leute ernst?

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    • Hans Keller
      Hans Keller sagte:

      Maulhelden und……

      Gernegross, Angeber, Grossmaul, Prahlhans, Aufschneider, Schaumschläger und Zungenheld.

      Der Etikettenschwindel ist aufgedeckt. Zeyer sei Dank!

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      • Koni Suter
        Koni Suter sagte:

        Adlerauge René Zeyer in absoluter Höchstform. Vielen Dank für die fadengerade Einordnung.

        Eidgenössische Medienkritik, neu lanciert!

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  4. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Wunderbar geschrieben René Zeyer, ich gratuliere. Wie in der Muppet-Show, führen sie all diese bleich gewordenen Falschspieler vor. Diese feigen Heuchler und Schwätzer haben ihr verdientes Fett abbekommen. Sie wurden alle beim Stehlen erwischt……..“Moral“ ist eben keine Worthülse!

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  5. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Anuschka Roshani verdient grossen Respekt für ihren Kampf gegen die widerlichen Zustände in der linken Magazin-Redaktion und erscheint damit als sehr überzeugend. Die jetzt plötzlich auftauchenden Trittbrettfahrerinnen sind es deutlich weniger. Allen voran Patrizia Laeri, die gerne auch wieder mediale Aufmerksamkeit möchte und deshalb die Gelegenheit benützt, einen angeblichen Fall einer Belästigung bei SRF vor 20 Jahren aus der Schublade herauszuziehen. Doch im Gegensatz zu Anuschka Roshani ist dieser leicht durchschaubare Versuch einfach nur erbärmlich.

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  6. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Über ehemalige Arbeitgeber und Arbeitskollegen nur Gutes! Das haben offensichtlich viele Journalisten und Journalistinnen vergessen.
    Diese Tamedia-Geschichte gibt einen wunderschönen beängstigen Einblick in die diversen Charaktere der Schweizer Schreibzunft.
    Danke an René Zeyer für die Offenlegung. Er dürfte für sein Zackbum mit den (meist) gehaltvollen Kommentaren schon längst einen Abonnement verlangen?

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