So steht’s im Gesetz

Wenn vermeintliche Moral wichtiger als Gesetzestreue wird …

… ist eine Gesellschaft in Gefahr, den Bereich des zivilisierten Zusammenlebens zu verlassen. Wenn Gesetze nicht mehr gelten oder umgebogen werden können, ist der Rechtsstaat in Gefahr.

Der Rechtsstaat ist unser einziger Schutzwall gegen Barbarei, Willkür und Faustrecht. Wohin es führen kann, wenn der Rechtsstaat nicht existiert oder dysfunktional wird, kann man bei allzu vielen Ländern der Welt beobachten. Nicht zuletzt in Russland oder der Ukraine. Beides zutiefst korrupte Regimes, wo fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats nicht funktionieren.

Nun hat das eine Unrechtsregime das andere überfallen. Da das unter Bruch aller internationalen Verträge erfolgte, in denen Russland die territoriale Integrität der Ukraine zusicherte, ist das Putin-Regime noch mehr ein Paria als das Selenskyj-Regime. Ganz abgesehen davon, dass sich der Krieg in der Ukraine längst zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet hat; ein typischer Stellvertreterkrieg wie weiland Korea oder Vietnam. Nur waren dort die USA der Invasor, der unzählige Kriegsverbrechen (Agent Orange, Flächenbombardierungen, Massaker) beging.

In all solchen Auseinandersetzungen der Grossen, der Atommächte, hat ein Kleinstaat wie die Schweiz aus reinem Selbsterhaltungsprinzip die Aufgabe, sich strikt an seine Gesetze zu halten – und sie gegen Angriffe von aussen (und innen!) zu verteidigen.

Nun wird seit einiger Zeit vor allem von der EU, aber auch von diversen politischen Parteien in der Schweiz, das «Bundesgesetz über das Kriegsmaterial» in Frage gestellt. Deutschland hat fast identische Bestimmungen, foutiert sich aber darum und liefert inzwischen sogar schwere Waffen wie Kampfpanzer an eine Kriegspartei. Seine Aussenministerin behauptet sogar, die EU befinde sich «im Krieg mit Russland».

Unglaubliche Zustände. Nassforsch fordert vor allem Deutschland von der Schweiz, dass die gefälligst auch auf ihre Gesetze scheissen solle. Verpeilte Kommentatoren behaupten, wer nicht Waffen an die Ukraine liefere, unterstütze Putin. Prinzipienlose Kommentatoren fordern, dass auch die Schweiz sofort und massiv Waffen an die Ukraine liefern soll. Zumindest der Weiterleitung von bereits exportiertem Kriegsmaterial an die Ukraine nicht im Wege stehen soll.

Nun heisst es im entsprechenden und gültigen Gesetz glasklar in Artikel 18:

«In der Regel kann eine Ausfuhrbewilligung nur erteilt werden, wenn es sich um die Lieferung an eine ausländische Regierung oder an eine für diese tätige Unternehmung handelt, und wenn eine Erklärung dieser Regierung vorliegt, dass das Material nicht wieder ausgeführt wird (Nichtwiederausfuhr-Erklärung).»

Glasklar, der nächste Absatz regelt noch präzise definierte, kleine Ausnahmen.

Artikel 22a definiert die «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte»:

«Auslandsgeschäfte nach Artikel 22 und Abschlüsse von Verträgen nach Artikel 20 werden nicht bewilligt, wenn:
a. das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist;
b. das Bestimmungsland Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt;
c. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird; oder
d. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird.»

Auch hier gibt es nur eine klar definierte Ausnahme:

«Abweichend von Absatz 2 kann eine Bewilligung für Auslandsgeschäfte für Einsätze zugunsten des Friedens erteilt werden, die auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder einer supranationalen Organisation, deren Ziel die Friedensförderung ist, durchgeführt werden.»

Für jeden Laien ist verständlich: es ist ausgeschlossen, Kriegsmaterial an die Ukraine zu liefern. Es ist ausgeschlossen, den Wiederexport von an andere Länder geliefertes Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine zu bewilligen.

Das ist das Gesetz.

Gesetze kann man ändern. Entsprechende Bestrebungen sind im Gange, das ist völlig legitim. Aber bis dieser Prozess mit einer allfälligen Veränderung dieser Gesetze abgeschlossen ist, gelten sie.

Wer daran herumkrittelt, rabulistisch nach Schlupflöchern sucht, moralinsauer übergesetzliche Notwendigkeiten fabuliert, wer gar peinlich berührt davon ist, wenn das Ausland die Schweiz dafür kritisiert, sich an ihre Gesetze zu halten, ist ein gefährlicher Brandstifter im Rechtsstaat.

Darunter sind Politiker, Einzelmasken, die nach Aufmerksamkeit gieren, aber auch Rechtsgelehrte, die zu zeigen versuchen, dass man mit genügend Hinschmalz jedes Gesetz so umbiegen könnte, dass das Gegenteil seiner klaren Aussage gelten würde.

Und natürlich gibt es ein sich ständig vergrösserndes Heer von Schreibtischgenerälen, von schreibenden Kriegsgurgeln, von unerschrockenen Kämpfern am Sandkasten, die gerne Schweizer Waffen in der Ukraine sähen, die dafür sind, dass auch die neutrale Schweiz dafür sorgt, dass noch mehr gelitten, zerstört, getötet wird. Natürlich für eine gute Sache, was jedem Getöteten sicherlich ein gutes Gefühl mit ins Jenseits verschafft.

Die Empörung über das Unrecht, das Russland als Unrechtsstaat verursacht, darf nicht dazu führen, dass auch die Schweiz den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlässt. Ein besonders abschreckendes Beispiel liefert gerade der Rechtsprofessor Mark Pieth, der sogar behauptet, dass die von reichen Russen in der Schweiz beschlagnahmten Werte gesetzeskonform enteignet, also gestohlen und an die Ukraine ausgehändigt werden könnten.

Das alles sind Anschläge auf den Schweizer Rechtsstaat. Hoffentlich bleibt er unberührt von diesem Wahnsinn. Falls nicht, ist das keine gute Nachricht für die Ukraine. Aber eine ganz schlechte für jeden Schweizer Staatsbürger.

2 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Das hoch interessante an den entsprechenden Forderungen. Das Gesetzt wird von den gleichen Kreisen die das damals einbrachten heute in Frage gestellt. Die wollten ein Total Waffenexportverbot. (Volksabstimmung 1972) Das aktuelle Gesetz ist eine entschärfte Version. Nach Kriegsrecht sind Waffenlieferungen selbst Neutralitätsrechtlich zulässig, sofern BEIDE Konfliktparteien auf WUNSCH damit beglückt werden.
    Das war auch zur Zeit des 2.WK der Fall das 3.Reich wurde beliefert und gleichzeitig die Westmächte mit Optischen Waffentechnischen Geräten.(Zumindest so lang möglich. Die Schweiz war damals in der Sparte Weltmeister.) Anderseits hat die Schweiz zum Beispiel den Rückverkauf von 100 Jagdflugzeugen an das 3. Reich abgewiesen. (Die so nebenbei auf Iniatieve des Migrogründers Duttweiler beschafft wurden.)
    Oder die UDSSR mit einer Lizenz für Dieselmotoren eingebaut in Panzer bis in neuerer Zeit T 72.

    Antworten
  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Die Anschläge auf den Schweizer Rechtsstaat hat sich dieser in den letzten Jahren schon längstens, tüchtig und NACHHALTIG selber intubiert.
    Von dem her, wenn eine Minderheit des eigenen Volkes gegen fundamentalste Gesetze (vom Anstand mal abgesehen) und unter dem Applaus der Mehrheit ausgeschlossen, entlassen, geschädigt und schlimmeres werden kann –
    wieso sollte das Gemetzel dort im Namen der Allerwertesten nicht profitabel mit befeuert werden?

    Schlussendlich sind wir Gesinnungs&Geschäftspartner von denen, die das Rechtswesen schon längstens als Ausverkauf an den Meistbietenden verhunzt haben.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu René Küng Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert