Krieg und Leichen

Erinnerungen an Zeiten, als noch nicht alles ins Rutschen kam.

1932 erschien in der Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) diese doppelseitige Fotomontage von John Heartfield:

«Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen», so lautete die Unterzeile. Die Hyäne trägt einen Zylinder als Symbol für die Reichen, um den Hals den Orden «pour le mérite», der höchste preussische Kriegsorden. Heartfield machte daraus «pour le profit».

Die Ausgabe der AIZ wurde beschlagnahmt und nach dem Protest namhafter Künstler wieder freigegeben. Fast eine halbe Million Menschen haben einen «offenen Brief an den Bundeskanzler Scholz» unterschrieben.

Darin heisst es unter anderem:

«Wir begrüßen, dass Sie bisher so genau die Risiken bedacht hatten: das Risiko der Ausbreitung des Krieges innerhalb der Ukraine; das Risiko einer Ausweitung auf ganz Europa; ja, das Risiko eines 3. Weltkrieges. Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.»

Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderen Alexander Kluge, Professor Reinhard Merkel, Gerhard Polt, Alice Schwarzer, Martin Walser, Ranga Yogeshwar und Juli Zeh. Auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat unterzeichnet. Laut dem Trendbarometer von RTL/ntv  lehnt eine Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ab.

Auf zunehmenden Druck aus dem In- und Ausland – besonders peinlich dabei grüne Kriegsgurgeln aus der ehemaligen Friedenspartei, Petra Kelly und Gert Bastian rotieren in ihren Gräbern – hat Bundeskanzler Scholz beschlossen, mit der Lieferung von Kampfpanzern eine neue Eskalationsstufe im Ukrainekrieg einzuläuten.

Unter dem Beifall der Mainstream-Medien; so dümmlich feiert zum Beispiel der «Blick»:

Dazu textet eine «Aussenreporterin News» namens Myrte Müller: «Neue schwere Waffen müssen her, sonst droht die ukrainische Verteidigung zu kollabieren.»

Da keimt der Gedanke auf, einen neuen Messfühler in die Welt zu setzen. Wir nennen ihn den «Stupidity-Worldometer». Seine Aufgabe ist es, den aktuellen Zustand der Dummheit zu messen. Kein leichtes Unterfangen, es gleicht dem Versuch, eine Messlatte in den Ozean zu stecken. Aber man kann auch Symptome heranziehen.

Zum Beispiel den Satz «schwere Waffen müssen her». Damit bekommt die Autorin auf der Skala von 1 bis 10 locker eine 12. Wer den Titel «Leopard-Panzer zum Geburtstag» verbrochen hat, kratzt damit an einer 9, hat aber noch Luft nach oben.

Jede Skala, die meertiefe Dummheit misst, versagt aber vor dem Spitzenprodukt der Schweizer Medienszene. Genau, wir sprechen wieder einmal von «watson». Es ist schwierig, in der allgemeinen Kriegsbegeisterung noch einen draufzusetzen, aber Carl-Philipp Frank schafft es mit traumwandlerisch sicherer Geschmacklosigkeit:

Offensichtlich verwechselt er Panzerschlachten mit einem Videogame. Blut, Leichen, Leid und Zerstörung? Ach was, mit indolenter Begeisterung preist Frank die Mordmaschinen an: «Der Kampfpanzer «Leopard 2A6» gilt als gutes Gesamtpaket.» Oder: «Gerüchten zufolge soll ein einziger Abrams damals sieben T-72 am Stück zerstört haben, ohne selber namhaften Schaden genommen zu haben.» Oder: «Das Flaggschiff der russischen Kavallerie ist der T-90A, eine modernere Version des T-90.» Und noch mehr Sprachdurchfall: «Beim Design des britischen Boliden wurde, laut Hersteller, grosser Wert auf die Sicherheit der Besatzung gelegt.»

Da Selenskyj zum Geburtstag einen Schwung Panzer geschenkt bekommt, hat er natürlich Appetit auf mehr. Nun fordert er – claro – mehr Panzer. Und Flugzeuge. Ach ja, und Langstreckenraketen. U-Boote bitte nicht vergessen. Vielleicht sollten es auch noch ein paar taktische Atomwaffen sein, und überhaupt, Interkontinentalraketen machen sich auch immer gut. Natürlich schallt ihm ein ganz entschiedenes Nein entgegen. Wie bei Flugabwehrgeschützen. Wie bei Waffenlieferungen allgemein.

Aber hier ist ein Nein kein Nein. Hier ist ein Nein die Einleitung zu «so nicht». Dann «jetzt nicht». Dann «unter Umständen schon», «falls die anderen auch». Schliesslich: «also gut, bitte sehr». Die Vorhersehbarkeit dieser Wendehälse erinnert an den Ausbruch von Max Liebermann: «Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte

Der Zeitpunkt scheint näherzurücken, an dem mal wieder alle das nicht gewollt haben. Niemals nicht Kriegshetze betrieben. Immer für den Frieden waren. Sich gar nicht vorstellen konnten, dass so etwas passieren könnte. Überrascht, konsterniert, erschüttert, verzweifelt sind und «Nie wieder Krieg» rufen.

Aber vorher muss man, auch wenn es einem dabei übel wird, der Chronistenpflicht genügen.

 

8 Kommentare
  1. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Kriegshetze und Kriegsgurgel falsch verstanden………..

    Agitator, Aufhetzer, Aufrührer, Aufwiegler, Demagoge, Einpeitscher, Hassprediger, Hetzer, Populist, Scharfmacher, Volksaufwiegler, Volksverführer, Volksverhetzer, geistiger Brandstifter, Brunnenvergifter, Provokateur……..als weitere Umschreibungen in diesem grauenhaften Konflikt gegenüber einem souveränen Staat.

    Jeder Mensch hat das Recht den Verstand zu verlieren!

    Ob Kluge, Polt, Schwarzer, Walser oder Zeyer, diffuse, nebulöse Ansichten bringen uns nicht weiter. Über viele Jahre lief der Pazifist Max Daetwyler in den 60er und 70er Jahren mit einer weissen Fahne dem Limmatquai entlang. Gerne würde ich seine aktuelle Ansichten kennen, wenn er nicht vor bald 50 Jahren verstorben wäre. Gerne würde ich seine aktuelle Ansichten kennen, wenn er nicht vor bald 50 Jahren verstorben wäre.

    «Der Klügere gibt nach……..».

    Sagen diese Herren und Frau Schwarzer dies auch, wenn sie einen Einbrecher im Haus haben? Ein Lackmustest in dieser Hinsicht an diese Unterzeichner wäre hilfreich.

    Müsste sturzbetrunken oder naiv sein, um leichtfertig einen solchen Wisch zu unterzeichnen.

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    • Felix Abt
      Felix Abt sagte:

      Die Geschichte von Sam Thaier und seinem feindseligen Nachbarn:
      Es war einmal ein Nachbar, der Sam Thaier aus tiefstem Herzen hasste. Eines Tages erfuhr Sam, dass der Nachbar eine gewalttätige, schwer bewaffnete Mafia in seinem Haus einquartieren wollte, die es auf Sam abgesehen hatte, obwohl Sam seinem Nachbarn schon seit vielen Jahren deutlich gemacht hatte, dass er das niemals akzeptieren würde. Als Sam beobachtete, wie der Nachbar die Einnistung der gewalttätigen Bande ernsthaft vorbereitete und vorantrieb, beschloss er, dem Nachbarn einen Besuch abzustatten, und zwar nicht durch die Haustür, um die ernste Gefahr ein für alle Mal zu bannen. Außerdem hatte Sam längst erfahren, dass seine Nichte, die dort wohnt, seit 2014 vom Nachbarn gewalttätig misshandelt wurde. Auch dem wollte er ein Ende setzen. Der Nachbar, die Mafia und die Freunde der Mafia verurteilten Sams unprovozierten und illegalen Einbruch scharf. Auch wurde der Nachbar schwer bewaffnet und er durfte Sams Nichte noch brutaler vergewaltigen, und außerdem übernahm die Mafia die Kontrolle über das Haus. Die Geschichte endet hier, denn es ist nicht bekannt, wie Sam Thaier reagiert hat.
      In Sams Fall mag es nur ein unterhaltsames Märchen sein, in Russlands Fall ist es traurige Realität.

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  2. peter weilharter
    peter weilharter sagte:

    … heute Tagsätze, oder Ersatzhaft. (geschehen letztens irgendwo dort Oben)
    Nächstens wieder Lagerung in komprimirendem Speicher?

    wer noch Musse hat, eine Leseempfehlung.

    «Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers» von Stefan Zweig

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  3. Oskar
    Oskar sagte:

    Die Rhetorik erinnert derweilen an ein Fussballturnier. Wie tief kann das Niveau unserer «Qualitätsmedien» eigentlich noch sinken?

    Von der Generation, die vom Grauen des Krieges erzählen konnte, sind nicht mehr viele am Leben. Die Erinnerung schwindet und die Geschichte wiederholt sich. Wenn man sich vor Augen führt, dass nun Leute wie Baerbock und Scholz die Geschicke in Europa lenken, kann einem Angst und Bange werden.

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  4. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Die Waffenlieferungen werden der Ukraine nicht helfen, sondern sie überfordern und ins Chaos stürzen. Was mich enttäuscht, ist die Kriegslust die um sich greift. Das ist nicht gesund.

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  5. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Eine Schande, dass auch Schweizer in die allgemeine Kriegshetze einstimmen.
    Gehörten eigentlich für einige Tage in einen Käfig eingesperrt, zusammen
    mit einem hungrigen Leoparden.

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  6. René Küng
    René Küng sagte:

    Ist ein Kommentar dazu nötig?
    Danke Herr Zeyer, wir sind leider, wieder, auf dem Weg dahin – bis die dekadenten Generationen aus ihrer verwirtuellen Realität aufschrecken werden. Das mit dem ‹aufwachen› hat ja nicht so geklappt.

    Vielleicht eine Ergänzung.
    «Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen»
    John Heartfield hat’s schon sehr richtig gezeichnet – ob der Text auch von ihm ist?
    Denn es ist traurigerweise nicht einmal Hoffnung, es ist nichts anderes als menschenverachtendes, hyänenschnäuziges (sorry Tiere für diese Beleidigung von Euch) Kalkül von abartigen Wesen.

    Und dies sind leider nicht nur ein Teil der Reichen (wo sind die anständigen Reichen, die NEIN sagen?), sondern auch all die Armen, an Allem, die sich wieder ein JA zum Grauen vorjubeln lassen.
    Das neue, bunte Braun vor Augen – in den Tarnfarben von antifaschistisch oder de-mokratisch.

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