Finanzwirtschaft …

… ist nichts für Amateure.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat nach einigen Jahren des stetige Höhenflugs 2022 einen grossen Stiefel voll rausgezogen.

132 Milliarden Miese, das ist Weltrekord für die SNB. Nun ist grosses Heulen und Zähneklappern angesagt. Und bleiernes Schweigen.

Denn hübsch den Mund halten alle die, die noch vor Kurzem herausposaunten, dass man die Gewinne der SNB doch sinnvoll ausgeben könnte. AHV-Sanierung, beliebige staatliche Begehrlichkeiten oder wohlfeile Wahlfangslogans («die SNB gehört den Bürgern», also kassiert jeder mal 10’000 Franken Spielgeld), all die Vertreter solch wohlfeil-populistischer Aussagen haben sich vom Acker gemacht und wollen nicht mehr an den Unsinn erinnert werden, den sie noch bis gestern verzapften.

Heulen und Zähneklappern deswegen, weil es in vielen kantonalen Budgets bereits fest eingepreist ist, dass es einen hübschen Zustupf von der SNB geben wird – und man dergestalt die Ausgaben mal unabhängig von den Einnahmen gestalten kann.

Nun ist der Nationalbank das passiert, was eigentlich vorhersehbar ist. Nur weiss man nie um den genauen Zeitpunkt. Die hat sich offenbar verspekuliert, Trends nicht rechtzeitig vorhergesehen und schlichtweg in der binären Entscheidung eins zu eins aufs falsche Pferd gesetzt.

Nun hat das vom «Blick» aufwärts und abwärts zu Heulen und Zähneklappern geführt. Die bange Frage wurde in den Raum gestellt ob die SNB denn auch pleite gehen könne (nein), wie denn das nur möglich sei (einfach, mal geht’s rauf, mal runter), und ob denn nun die sichere Geldquelle SNB versiegt sei (sicher war das nie).

Nun ist es so, dass die SNB in den letzten zehn Jahren insgesamt 88 Milliarden Franken Gewinn gemacht hat – den Taucher von aktuell 132 Milliarden schon einberechnet. Ist nicht schlecht, und um einiges besser, als die beiden Schweizer Grossbanken im gleichen Zeitraum performt haben. Obwohl oder vielleicht gerade weil bei der SNB niemand zweistellige Millionengehälter verdient.

Besonders betrübt sind nun die Kantone, die so blöd waren, einen Zustupf der SNB fest in  ihr Budget einzuplanen. Denn der fällt nun flach.

Das da von Laien gejammert und geheult wird, ist verständlich. Aber nicht nur das wirtschaftliche Blöd-Blatt «Tages-Anzeiger» vermeldet: «Ökonomen kritisieren Nationalbank, weil sie kein Geld ausschüttet.» Unter ADS (Aufmerksamkeit-Defizit-Syndrom) leidende Wissenschaftler sehen die Chance, endlich einmal ihre 15 Minuten Ruhm abzuholen.

Wer denn genau? «Yvan Lengwiler, Wirtschaftsprofessor an der Universität Basel, Charles Wyplosz, Professor am Graduate Institute in Genf, und Stefan Gerlach, Chefökonom der Bank EFG, betreiben das Projekt «SNB Observatorium». Es hat das Ziel, die Politik der Nationalbank mit kritischen Beiträgen zu hinterfragen.»

Diese drei C-Finanzkoryphäen behaupten nassforsch, dass «die SNB zwar fähig, aber nicht willens ist, Gewinne auszuschütten». Die SNB könne doch locker ihre Rückstellungen für Währungsschwankungen aktivieren, dann habe sie immer noch ein Eigenkapital von 66 Milliarden Franken, davon könne man doch wie gewohnt eine Ausschüttung von 6 Milliarden abzwicken. Schlimmer noch: die Politik der SNB, ihre Rückstellungen jährlich um mindestens 10 Prozent zu erhöhen, «entbehrt jeder wirtschaftlichen und finanziellen Logik», wissen die Wirtschaftskoryphäen.

Das ist nicht nur Unsinn, sondern bedrückend ist, dass dieser Unsinn vom Tagi aufwärts und abwärts umkritisiert wiedergegeben wird.

Ein Blick in die «Vereinbarung über die Gewinnausschüttung der SNB» hätte alle Beteiligten auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn sie ist so einfach formuliert, dass sie jedem Leser auch ohne HSG-Abschluss sofort verständlich ist:

«Die Gewinnausschüttung von maximal 6 Mrd. Franken pro Jahr besteht aus einem Grundbetrag von 2 Mrd. Franken, der ausgeschüttet wird, sofern ein Bilanzgewinn von mindestens 2 Mrd. Franken vorhanden ist. Hinzu kommen vier mögliche Zusatzausschüttungen von je 1 Mrd. Franken. Diese werden vorgenommen, wenn der Bilanzgewinn 10, 20, 30 respektive 40 Mrd. Franken erreicht.»

Wollen wir es für diese Wirtschaftskoryphäen und die versammelten Wirtschaftsjournis nochmal gaaanz laaaangsam erklären (wir bitten unsere Leser um Nachsicht):

Gab es einen Bilanzgewinn von 2 Milliarden Franken im Jahr 2022? Nein. Gab es einen Bilanzgewinn von 10, 20, 30 oder 40 Milliarden Franken? Nochmals nein. Ist die Gewinnausschüttung an diese Gewinne gekoppelt? Ja. Handelt es sich hier um eine verbindliche Vereinbarung? Ja. Kann man die durch irgend welches Gequatsche ersetzen? Nein.

Könnte man diese Vereinbarung neu aushandeln? Sicher, wenn die unabhängige SNB dazu Hand böte. Ist die SNB bei einem Bilanzvolumen von gegen eine Billion (1000 Milliarden) gut daran beraten, eine stetig steigende Rückstellung alleine schon für Währungsschwankungen zu bilden? Ja.

Erklärt’s die SNB selbst nochmal für die Langsamen im Geiste? Ja: «Die Rückstellungen für Währungsreserven sind Reserven und somit Teil des Eigenkapitals. Das Eigenkapital dient als Puffer bei Verlusten, insbesondere auf den Devisenanlagen und Gold.»

Wir fassen also zusammen. Kommt man mit der absurden Forderung, die SNB könne doch trotz diesem Verlust eine Gewinnausschüttung machen, in die Medien? Ja. Ist Gewinnausschüttung bei Verlust ein Widerspruch in sich selbst? Ja. Müsste das nicht jeder Wirtschafsjournalist kritisch anmerken? Ja. Ist die Absicht von C-Ökonomen, einmal in die Medien zu kommen, legitim? Ja. Ist die willfährige Reaktion der Medien aschgrau? Ja. Wagt es einer der Journis, diese hirnrissige Forderung zu kritisieren? Nein.

Schafft man so mehr Vertrauen in die Wirtschaftsberichterstattung? Nein.

Sonst noch Fragen?

 

 

2 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Ja, noch eine Frage: besteht bei Ihnen Her Zeyer, in irgend einem relevanten Bereich der Medien – oder der Wirtschaft – noch Vertrauen?
    Ausser temporär bei Rüstungsaktien?

    Antworten
  2. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Es könnte ja sein, dass nebst unseren Politikern auch bei der SNB Amateure sind?

    CHF 880’000’000’000 in Fremd-währungen?

    Antworten

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