Ist KI der K.o. für die Medien?

Textroboter werden besser, Journis schlechter.

Es ist eines der vielen Projekte des Tausendsassas Elon Musk. openai.com hat gerade die Beta-Version ihres Text Creators als Spielfeld mit einigen Freiversuchen freigeschaltet.

Hier kann man sozusagen in einem Text-Photoshop zu beliebigen Themen in beliebigen Längen, Tonalitäten, Stilrichtungen und Ausformungen Texte abholen. Vom Ausgang des Ukraine-Krieges über eine Beurteilung der Präsidentschaft Trumps zu philosophischen Erwägungen oder gar Liebesgedichten mit vorgegebenem Inhalt und Reim-Art.

Die dahinterstehende KI (Künstliche Intelligenz oder Artificial Intelligence) nähert sich immer mehr dem erfolgreichen Bestehen des Turing-Tests. Nach dem ist eine KI dann ausgereift, wenn ein menschlicher Gesprächspartner sicher ist, dass er mit einem anderen Menschen spricht und nicht mit einem Computer.

Sowohl Geschwindigkeit der Reaktion wie auch Qualität des Antworttextes ist dem Schaffen der meisten Schweizer Journalisten eindeutig überlegen. Hier kommt nichts Geholpertes, nichts Verstolpertes, nichts Unfertiges. Wohltuend ist auch: diese KI hat überhaupt kein Bedürfnis, Nabelschau zu betreiben, mit dem Zeigefinger zu wackeln oder der Welt Vorschriften zu machen, wie sie zu sein hätte.

Beispiel gefällig? Beispiel. ZACKBUM verlangte eine kurze Rede, um für eine Revolution aufzurufen. Et voilà:

«Friends, I come here today to ask for a revolution. A revolution of change and action. We must take bold steps to ensure that our voices are heard, that our rights are respected, and that our future is secure. Let us rise up and make our collective dreams a reality. Let us join together in a movement for progress. Let us be the agents of change. Let us start a revolution!»
Damit könnte man locker in einem beliebigen Land in der Dritten Welt ganz hübsch für Action sorgen. Besonders wertvoll für Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom ist auch dieses Tool:
«Translates difficult text into simpler concepts.»
Hilfreich ist auch der «sarkastische Chatbot Marv». Der reagiert so auf Fragen:
«You: How many pounds are in a kilogram? Marv: This again? There are 2.2 pounds in a kilogram. Please make a note of this. You: What does HTML stand for? Marv: Was Google too busy? Hypertext Markup Language. The T is for try to ask better questions in the future. You: What is the meaning of life? Marv: I’m not sure. I’ll ask my friend Google.»
Unverzichtbar ist auch der Creator einer Restaurantkritik. Da könnten sich selbst Co-Chefredaktorinnen noch ein paar Scheibchen davon abschneiden. Statt über das «Razzia» zu stammeln, kann man hier einfach ein paar Angaben stichwortartig einspeisen; zum Beispiel: «The Blue Wharf Lobster great, noisy, service polite, prices good.»
Daraus entsteht dann: «I recently visited The Blue Wharf and had a wonderful experience. The lobster was excellent and the prices were very good. The only downside was the noise level, but the polite service more than made up for it. Highly recommend!»
Nun wollen wir hoffen, dass dieser Text nicht Pietro Supino unter die Augen kommt. Denn der sähe hier garantiert eine weitere Sparmöglichkeit. Die Zukunft des «Tages-Anzeigers» und seiner Kopfblätter sähe dann so aus: einige Basistexte werden immer noch von der SDA übernommen. Der Sicherheitsmann (oder die -frau), der nachts schaut, ob auch alle Lichter gelöscht sind, kann dann gegen Langeweile aus einer Liste von Vorschlägen der KI einen Titel und Lead auswählen.
Damit wäre bereits die Hälfte des Contents generiert. Ein weiteres Viertel besteht aus Texten, die tel quel aus der «Süddeutschen» übernommen werden. Mitarbeiter des Reinigungspersonals dürfen dort jeweils das ß durch ss ersetzen. Ein Germanistik-Student in Banja Luka kann zur Entspannung neben der Moderation von Kommentaren noch «parken» durch «parkieren» oder «grillen» durch «grillieren» ersetzen. Und gelegentlich aus einer Liste von Helvetismen per Zufallsprinzip ein Wort einstreuen («grüezi, notabene, vorprellen, behändigen», etc.).
Bleibt das letzte Viertel. Davon werden die grössten Brocken von der KI hergestellt. Dieser Aufgabe dürfen sich die beiden Co-Chefredakteure widmen, da braucht es Führungserfahrung und einen ausgeprägten journalistischen Muskel. Also genau das Richtige für Priska Amstutz und Mario Stäuble.
Dann kommt noch die Königsdisziplin, der Kommentar, die Meinung. Auf diesem Spielplatz dürfen sich Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, die Mitglieder der Chefredaktion und die Grüss-August-Chefredakteure der Kopfblätter tummeln.
Was bliebe noch? Oh ja, heikel, die lokale Berichterstattung. Da müsste das gescheiterte Projekt «Aurora» neu ansetzen. Zum Beispiel so: Da alle erfahrenen Lokaljournalisten entlassen wurden (zu teuer), kommen sogenannte Leserreporter zum Einsatz. Denen verspricht man eine gloriose Karriere in den Medien und motiviert sie dadurch, gratis von lokalen Ereignissen zu berichten.
Hier kann die KI dann ihre Kompetenz voll ausspielen. Diese Leserreporter holpern ihre Texte in ein Eingabefeld und wählen dann noch die gewünschte Länge, Ausrichtung (kritisch, zustimmend, wohlwollend, ablehnend, skandalisierend, neutral), und schwups: schon entsteht ein fertig produzierter Text, zu dem die KI aus dem Archiv noch ein passendes Foto sucht.
Damit wäre die nächste Stufe der kostengünstigen Herstellung eines qualitativ hochstehenden Bezahlmediums erreicht.
Da es sich eindeutig um eine synergetisch verbesserte Ausgabe handelt, kann dem Leser die frohe Botschaft verkündet werden, dass er für Besseres nicht etwa mehr bezahlen muss. Als Ausdruck der Verantwortung und Bedeutung als Vierte Gewalt im Staat darf Supino in einem seiner seltenen, aber berüchtigten Editorials ausführen, dass es weiterhin eine strikte Trennung zwischen Verlag und redaktionellem Inhalt gäbe (was immer brüllend komisch ist, wenn er als Verlags-Chef redaktionell das Wort ergreift), und dass es dem Konzern gelungen sei, deutliche inhaltliche Verbesserungen kostenneutral umzusetzen.
That’s the future, baby, würde die KI sagen. Und ZACKBUM hofft natürlich auf einen kräftigen Rums auf seinem Spendenkonto.
2 Kommentare
  1. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    KI wird in einer Art Anfangseuphorie überschätzt. Es gibt eine Grenze, und die war der Grund, warum wir Menschen erschaffen wurden. Wir sollten ein Verbindungsglied werden zwischen KI-gesteuerten Robotern und unseren «göttlichen» Urahnen. Das ist dann aus dem Ruder gelaufen. Die Geschichte ist bekannt. Man müsste sie nur verstehen.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    The future is here, schon etwas länger.
    Die KI tagt bald wieder in Davos und die vierte Revolution läuft bei den Programmierten besser als in jedem Dritten Welt Land.
    Also kein Grund zur Überheblichkeit in unseren ‹besten Demokratien aller Zeiten›.
    Bilderberg&co sei Dank, die Voraussetzungen sind geschaffen dafür, dass KI besser werden wird als das was uns täglich vorgelogen und hingedummt wird.
    Es bleibt die naive Frage, was denn dieses ‹besser› wird? Und für wen?

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