Zweimal die Pest

Die «Weltwoche» ist das Gegenprogramm zum Medienmief. Mit zwei Ausnahmen.

ZACKBUM liefert die Packungsbeilage gleich am Anfang. René Zeyer publiziert ab und an in der «Weltwoche». Somit wäre er Partei, wenn das Magazin nicht das einzige Blatt im deutschen Sprachraum wäre, wo sich der Chefredaktor dortselbst kritisieren und beschimpfen lässt – wenn es gut geschrieben ist.

Da wir das schon mehrfach ausprobierten, klatschen wir den Vorwurf der Voreingenommenheit locker weg und wiederholen: ohne die WeWo wäre die Schweizer Medienszene deutlich ärmer. Und das will angesichts ihres ärmlichen Erscheinungsbildes etwas heissen.

Aber was gut ist, kann immer noch besser werden. Im Fall der WeWo ist der Weg der Besserung leicht einzuschlagen. Es braucht kein Redesign, es braucht keine Blutzufuhr, selbst der Copy/paste-Journalist Urs Gehriger, das einzige männliche Trump-Groupie, darf seinen Platz behalten. Nur wäre der Frauenquote und dem Ansehen von weiblichem Journalismus geholfen, wenn die Quotenfrauen Anabel Schunke und Tamara Wernli ihr Geholpertes woanders absondern würden. Ach, und Dania, die Fragen über Sex beantwortet, die man nie stellen wollte, könnte sich ihnen anschliessen.

Genderkorrekt sollten zwei männliche Mitarbeiter so schnell wie möglich von der Payroll gestrichen werden. Wieso Tom Kummer einer von ihnen sein muss, braucht wohl keine grossen Begründungen. Der «literarische Korrespondent der Weltwoche» hat alles ruiniert, was es an Ruf, Seriosität und der Eigenschaft, ernst genommen zu werden, im Journalismus gibt. Selbst mit dieser Oberzeile ist es nicht lustig oder lesenswert, was er schreibt:

In der WeWo soll sich der Leser nicht fragen müssen, was Fakt und Fiction ist, was wahr oder gelogen, was erlebt oder erfunden. Abgesehen davon, dass der nächste Skandal, wie es ihn auch schon mehrfach in der WeWo gab, um die Ecke lauert. Wozu ihn abwarten?

Die zweite störende Fehlbesetzung ist Matthias Matussek. Glauben ist Privatsache, und dass der ehemalige «Spiegel»-Mann sein religiöses Erweckungserlebnis hatte, das ihn in die Arme des Katholizismus trieb, sei ihm unbenommen. Aber muss das sein:

Leider neigt der Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor Roger Köppel mit zunehmendem Alter zu religiösen Himmelsreisen, was dem Blatt auch nicht guttut.

Aber heutzutage eine solche Lobhudelei auf den wohl schrecklichsten Papst seit den Zeiten der Medici, das ist schon ein ganz schwaches Stück:

Dass er von anderen Pfaffen als «Mozart der Theologie» gelobhudelt wird, unbenommen. Die katholische Kirche, die älteste Verbrecherorganisation der Welt, hat sich noch nie durch grosse Realitätsnähe ausgezeichnet.

Aber Lobhudelei auf Benedikt XVI., der Homosexuelle unbarmherzig brandmarkte, tausendfachen Missbrauch, Pädophilie und alles Gotteslästerliche ignorierte oder schönschwätzte, Geburtenkontrolle, Abtreibung, Zölibat, Islam, Verteidigung der Pius-Brüderschaft mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson – und schliesslich sein Rücktritt vom Amt, was für die katholische Kirche unerhört war, all das überschattet sehr dunkel die weisse Robe, die er sich anmassend weiter überstreifte, obwohl sie eigentlich dem amtierenden Papst vorbehalten ist.

Hitlerjunge, Angehöriger der Wehrmacht, Falschaussagen im Zusammenhang mit dem deutschen Missbrauchsskandal, strikter Gegner der Befreiungstheologie, mittelalterliche Vorstellungen über die Rolle der katholischen Kirche in der Gesellschaft, entschiedener Gegner der Schwangerschaftsberatung, Rückbesinnung auf die Kirchentradition von 1054, die Christianisierung der Ureinwohner Lateinamerikas sei von denen «unbewusst herbeigesehnt worden», die angebliche Einzigartigkeit der römisch-katholischen Kirche – wäre dieser Papst nicht Papst gewesen, hätte man sich über solch weltabgewandten Unsinn höchsten lustig machen können.

Man kann – de mortuis nihil nisi bene – ihn auch in den Himmel jubeln, aber wer wie Matussek keine Peinlichkeitsschwelle kennt, müsste vor sich selbst beschützt werden:

«Ich habe ihn auf einer seiner letzten grossen Reisen zum Weltjugendtag im August 2011 in Madrid kennenlernen dürfen, ich durfte mich kurz neben ihn setzen. Er fragte: «Na, Herr Matussek, wie geht es Ihnen denn beim Spiegel ?» Und lächelte. Um nicht zu sagen: grinste.
«Mal so, mal so, Heiliger Vater», sagte ich, perplex darüber, wie gut er im Bilde war, und lachte zurück, «im Moment eher so.» Ich hatte erlebt, wie er vor mir mit anderen gesprochen hatte, lächelnd, tröstend, wie er im Zwiegespräch diese Frau aufgerichtet hatte, die auf tragische Weise Familienmitglieder verloren hatte.
Wir übersetzten dann gemeinsam das Augustinus-Wort, das ich ihm als Widmung in mein Buch «Das katholische Abenteuer» geschrieben hatte: «Incipit exire, qui incipit amare» – Wer beginnt loszulassen, beginnt zu lieben? Loslassen, oder doch vielleicht wörtlich: hinausgehen? Hat er da bereits an den Ausgang, den Weggang gedacht, an eine Zeit, in der er sich ganz seiner Liebe zu Gott und seinen Studien widmen kann

Darf man so etwas – ausserhalb einer katholischen Erbauungsschrift – wirklich noch veröffentlichen? Kann man so ungehemmt jubilieren, wenn man auch nur einen Band von Karlheinz Deschners «Kriminalgeschichte des Christentums» gelesen hat?

Papstmodeschau in Fellinis «Roma».

Kann man so viel Licht leuchten lassen, nonchalant von «Pannen» schwafeln, wo dieses Pontifikat doch eine einzige Ansammlung von Pleiten, Pech und Pannen war?

Darüber kann man sicherlich diskutieren, aber so etwas im angeblich gut gelaunten Blatt für Erkenntnisse veröffentlichen, sozusagen die Gegenaufklärung in eine Bastion der Aufklärung einladen, das geht einfach nicht.

Matussek kann doch froh sein, dass uns heutzutage nicht mehr die Möglichkeiten und Methoden der Heiligen Inquisition zur Verfügung stehen. Ihm soll nichts geschehen, keine Streckbank, kein glühendes Blei ins Maul, keine Quälereien, um seine unsterbliche Seele zu retten. Ein simples Schreibverbot in der WeWo wäre völlig ausreichend.

 

5 Kommentare
  1. Oskar
    Oskar sagte:

    Matussek wurde bei der NZZ entlassen, weil er sich erdreistet hatte, «Verschwörungstheorien» über Corona zu verbreiten, die sich ein Jahr später allesamt als die Wahrheit entpuppten. Wo getadelt wird werter Herr Zeyer, soll schliesslich auch das Lob nicht fehlen. (Knapp am Thema vorbei, ich weiss…)

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