Der Ausnahme-Journalist des Jahres: Wolfgang Koydl

Spricht schonungslos Klartext …

Von Felix Abt

Erfreuliche Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Journalisten der Gegenwart:
Wolfgang Koydl (Foto:Imago).

Wenn es den Titel des Ausnahme-Journalisten des Jahres gäbe, dann hätte ihn für mich der 1952 in Tübingen geborene Journalist und Bestsellerautor Wolfgang Koydl verdient. Nach dem Studium an der Deutschen Journalistenschule arbeitete er zunächst für den «Münchner Merkur», dann für die britische BBC. Seither war er für die «Washington Post», «Die Presse», die Deutsche Presseagentur und von 1996 bis 2005 für die «Süddeutsche Zeitung» als Redakteur und Autor tätig – eine beeindruckende Reihe journalistischer Stationen. Seitdem schreibt er für Roger Köppels «Weltwoche» in der Schweiz, wo er auch lebt.

Viele Jahre lang war Wolfgang Koydl Auslandskorrespondent, vor allem für die «Süddeutsche». Zu seinen Stationen gehörten Kairo, Istanbul, Washington, Moskau, London und Stäfa (Schweiz). Das mag ihm geholfen haben, ein großes Einfühlungsvermögen für andere Kulturen und Lebensweisen zu entwickeln, ein «Versteher» zu werden (was in den heutigen ideologiebesoffenen Woke-Zeiten verpönt ist) und nicht mit dem moralisierenden Zeigefinger durch die politischen und kulturellen Landschaften zu wandern. In einem Interview wurde er einst gefragt, was er aufgrund seiner langen und vielfältigen Auslandserfahrung Expats, also Auswanderern, empfehlen würde, wenn sie sich in einem fremden Land niederlassen. Seine Antwort: „Offene Augen, offene Ohren, offener Geist und offenes Herz.

Feine Ironie

Als Schweizer und Liebhaber von französischem Käse konnte ich von ihm Dinge über die Schweiz erfahren, die mir völlig unbekannt waren und die mich wirklich überrascht haben. Zum Beispiel zitierte er den französischen Präsidenten de Gaulle, der seinem Frust freien Lauf liess: «Wie kann man denn ein Land regieren mit 300 Käsesorten, die Schweiz hat zehnmal soviel Käsesorten und schafft es, sich besser zu regieren.» Mit seiner feinen Ironie kann Koydl bis heute selbst komplexe Sachverhalte auf unvergleichliche und sympathische Weise vermitteln. So sagte der mit einer Russin verheiratete Journalist einmal, in Russland gebe es viele engstirnige Regeln, an die sich aber niemand halte, während man sich in der Schweiz als einem Land mit ähnlich vielen und nicht minder engstirnigen Regeln die Regeln selbst mache. Noch eine Besonderheit der Schweizer: «Sie sind auch verantwortlich für die Entscheidungen, die sie treffen. Wenn etwas in einem Referendum, in einer Initiative beschlossen wird, dann waren es die Stimmbürger. Die anderen Europäer können sagen: Das war nicht ich, das waren die da oben

Als die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Februar 2014 die Masseneinwanderungsinitiative zur Begrenzung der bis dahin zügellosen Zuwanderung annahmen, war Koydl, der damals noch für die «Süddeutsche» berichtete, so ziemlich der einzige deutsche Journalist, der Verständnis für den Volksentscheid zeigte. “Wer in den Schweizern schon immer abgefeimte Hinterwäldler mit tiefsitzenden Ressentiments gegen alles Fremde sah, der fühlte sich von dem Votum bestätigt. Wer sich einen offenen Blick – und ein aufgeschlossenes Hirn – bewahrt hat, der sieht das Land plötzlich in einem neuen Licht: Hoppla, die können und machen ja was, was wir auch gerne täten», erklärte er damals.

Abschied bei «Süddeutsche» war absehbar

Allerdings muss ich an dieser Stelle kritisch anmerken, dass die Schweizer Karrierepolitiker und EU-Turbos das neue Einwanderungsgesetz wohl deshalb nie richtig umgesetzt haben, weil sie sich lieber im medialen Rampenlicht auf der internationalen Bühne mit den Grossen der Welt sonnen würden und zudem, als künftige Eurokraten in Brüssel, mit besseren Karrierechancen und höheren Einkünften rechnen können. Dort müssen sie sich dann auch nicht um den lästigen Willen des Volkes kümmern, wie daheim in der Schweiz. Aber das ist ein anderes Thema …

Auf die Frage, ob er für seine Haltung zu dieser Abstimmung Prügel beziehe, antwortete Koydl diplomatisch: «Ich bin sicher, dass sich einige Kollegen bei der Lektüre meiner Stücke an den Kopf getippt und gesagt haben, jetzt spinnt der Koydl wieder. Von Leserinnen und Lesern hingegen habe ich nur Zuspruch erfahren.»

Dass sein Abschied von der «Süddeutschen» anschließend nicht lange auf sich warten liess, hat wohl niemanden überrascht. Denn irgendwie passte Koydl nicht mehr in diesen zunehmend «woken» Gesinnungsjournalismusbetrieb. Er hat seine alten, moralinsauren Besserwisser-Kollegen enttäuscht – denn er schreibt genau, kurz und bündig, was ist und wer dahintersteckt, auch wenn das manchen aus ideologischen Gründen nicht gefällt und sie deshalb die Zusammenhänge lieber verschweigen oder zurechtbiegen wollen.

Schonungslos Klartext geschrieben

So redete und schrieb Kodyl auch schonungslos Klartext über die Korruption in der EU; über die nicht vom Volk gewählte «Sonnenkönigin von und zu Brüssel», Ursula von der Leyen; über die selbstzerstörerische Politik der deutschen Regierung; über die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges, von der die russische Invasion am 24. Februar 2022 gar nicht zu trennen ist, die aber in den deutschsprachigen «Systemmedien» beharrlich zensiert wird. Und noch über vieles mehr, was parteiischen wie moralisierenden Mainstream-Journalisten keiner Erwähnung würdig erscheint.

Gerade kürzlich, vor Weihnachten, schrieb er darüber, wer 2022 das wohl mit Abstand grösste Weihnachtsgeschenk bekommt:

«Amerikas Parlamentarier haben ein Teil-Budget verabschiedet, das Rekorde bricht: 1,6 Billionen Dollar ist es schwer.
Viel Geld. Etwa für Soziales, für die Infrastruktur, für Gehälter schlecht bezahlter Beamter.
Leider nein. Der grösste Batzen dieses Etats – mit 858 Milliarden Dollar mehr als die Hälfte – geht in die Rüstung. Pardon, in die Verteidigung der offensichtlich von allen Seiten bedrohten Supermacht.
Das ist übrigens so viel, wie die nächsten elf Länder gemeinsam für Verteidigung ausgeben.
Das mit dem Wohlgefallen stimmt auch. Also, teilweise. Freuen können sich die Aktionäre von Lockheed, General Dynamics, Raytheon und Northrop. Amerikas grösste Rüstungskonzerne verdienen am Ukraine-Krieg so gut wie seit Jahren nicht.
Halleluja.»

Wolfgang Koydl schreibt ganz offen auch von diesen unbequemen Hintergründen, die durchaus geeignet sind, die Ereignisse in der Ukraine und die Rolle der USA dabei in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. In Ermangelung von Kandidaten aus dem Elendsjournalismus der Mainstream-Medien ist der Ausnahmeautor Koydl daher für mich unangefochten der Journalist des Jahres.

2 Kommentare
  1. peter weilharter
    peter weilharter sagte:

    … und in Kalifornien kostet ein Kopf Salat zur Zeit um die zwölf Dollar.
    Jeder Petrodollar aus dem Nichts geschöpft finanziert den militärisch-industriellen Komplex. Nun wollen sie die «Tankstelle die sich als Staat tarnt» in die Knie zwingen.
    Fakt ist, der sogenannte Wertewesten ist pleite.

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