Kosmische Welten

Manchmal wird die Welt klein und hässlich.

Ausserhalb von Zürich interessiert es eigentlich niemanden. Auch innerhalb von Zürich interessiert es nur eine kleine Blase von links-alternativen Kultur-Fuzzis. Und all diejenigen, die sich ungeheuer progressiv vorkamen, vor stolzgeschwellter Brust kaum laufen konnten, wenn sie im «Kosmos» einen Café Latte schlürften und dafür viel zu viel bezahlten.

Hier wurde mal mit der richtig grossen Kelle angerichtet, es sollte ein «kulturelles Zentrum» geschaffen werden, ein Bindeglied zwischen der kapitalistisch-geschniegelten Europaallee und der schauerlich anrüchigen Langstrasse. Edles Holz wurde verbaut, Kinosäle perfekt ausgestattet, in die sich aber nur wenige Gäste verliefen, wenn uninteressante, aber aufrechte Streifen aus der weiten Welt des Gesinnungsfilms dargeboten wurden.

Das Zurich Film Festival wollte die Infrastruktur benutzen. Aber nein, zu Bling-Bling, pfuibäh. Matthias Ackeret wollte mit dem Namensgeber Christoph Blocher das Buch «Das Blocher-Prinzip» im «Kosmos» besprechen. Verträge gemacht, Plakate gedruckt, dann ein Nein, das gehe dann doch nicht, aus «ideologischen Gründen».

«Kosmos» ist nicht nur geschäftlich gescheitert, und zwar krachend. «Kosmos» ist auch an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert, eine Begegnungsstätte, ein Forum für Meinungsaustausch zu sein. Stattdessen verkrachten sich die Betreiber, wie es sich für ein linkes Unternehmen gehört. Stattdessen spielten Finanzen keine Rolle, wie es sich für Erblinke gehört. Schliesslich brach völlige Verantwortungslosigkeit aus, als nicht mehr zu übersehen war, dass der «Kosmos» implodiert, überschuldet ist, illiquide. Was angeblich kurz vorher niemandem aufgefallen war.

Als sei das nicht der Misere genug, gesellt sich dazu eine oberpeinliche Berichterstattung. Dass die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger in der «Republik» etwas von einem angeblichen Putschversuch von Rechten schwafelte, je nun. In diesem Magazin herrscht das Prinzip, dass der Inhalt überlanger Auslassungen nur zufällig etwas mit der Realität zu tun hat.

Aber auch das sogenannte Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger» machte bei der Berichterstattung über diese Pleite eine jämmerliche Figur. Genauso jämmerlich wie das dröhnende Schweigen aller sonst so eloquenten Gutmenschen, Linken, Alternativen und Solidarischen in der Stadt Zürich.

Hier hätten sie mal Gelegenheit gehabt, gelebte Solidarität mit ein paar Dutzend in der Vorweihnachtszeit auf der Strasse stehenden Mitarbeitern zu zeigen, mit Gewerbetreibenden, die den Fehler machten, den Betreibern ohne Vorauskasse etwas zu liefern. Mit einer ganzen Latte von Veranstaltern, die Events fest gebucht (und teilweise schon bezahlt hatten), die sich nun – meist vergeblich – um Ersatz bemühen müssen.

Dass man mit einer Idee geschäftlich baden geht, das kann durchaus passieren. Dass ein Millionenunternehmen mit eigener Revisionsstelle so krachend gegen die Wand fährt, das ist schon aussergewöhnlich. Dass ein gut bestückter Verwaltungsrat von alldem nichts gewusst haben will, aber dennoch ein halbes Jahr vor dem Ende Knall auf Fall zurücktrat, das ist schon verdächtig. Dass man einen naiven und blauäugigen Neu-Investor nach allen Regeln der Kunst über den Tisch zog, das ist schon widerlich.

Dass das Meinungsmonopolblatt am Ort in einer Art über diesen Skandal berichtet, dass daraus ein weiterer Skandal entsteht, das ist ziemlich einmalig. Man stelle sich vor, der «Nebelspalter», «Die Ostschweiz» oder jedes beliebige Unternehmen, dass sich konservativen Kreisen zuordnen lässt oder gar von SVP-Exponenten geleitet wird wie die «Weltwoche», man stelle sich vor, ein solches Unternehmen würde einen solchen Bankrott hinlegen. Dabei würde sich herausstellen, dass die Bude schon längst hoffnungslos überschuldet war, keine Chance zum Überleben hatte, aber dennoch fröhlich Gelder aufnahm und haltlose Versprechungen in die Zukunft hinein machte.

Man stelle sich zudem vor, dass alle Verantwortlichen jegliche Verantwortung weit von sich weisen würden. Man stelle sich zudem vor, dass das Schicksal der unter dieser Unfähigkeit leidenden Angestellten, die von einem Tag auf den anderen auf der Strasse stünden, keinem der Besitzer auch nur ein Wort des Bedauerns entlocken würde.

Wenn man sich all das vorstellt, kann man sich problemlos die Reaktion der Mainstream-Medien, angeführt von Tamedia, vorstellen. Bei den Kommentaren sähe man das Halszäpfchen der Kommentatoren, so erregt wären die beim Toben. Es würde mit Adjektiven nicht gespart werden, zuvorderst «menschenverachtend, unfähig, typisch, Theorie und Praxis, eiskalt, unsolidarisch, die Kosten des eigenen Versagens dem Staat aufbürden», etc.

Es würden die hässlichsten Fotos der Exponenten herausgesucht und aufs Papier geklatscht, es würden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, es würden alle Wünsche nach Gegenrede oder Richtigstellung abgeklatscht, weil man diesen rechtskonservativen Hetzern ja nicht noch eine Plattform bieten wolle.

Es würde die gesamte noch vorhanden Recherchierkapazität darauf verwendet werden, die finanziellen Hintergründe auszuleuchten, überall Fragezeichen anzubringen, Schlamperei, Pfusch, Unfähigkeit, lächerliche Inkompetenz anzuprangern. Immer mit der maliziösen Bemerkung, dass ausgerechnet diejenigen, die weniger Staat forderten, nun die Kosten ihres Versagens zum Teil der Allgemeinheit aufbürdeten.

Und es würde lautstark darüber gezetert, dass Multimillionäre wie Blocher und Konsorten keine Anstalten zeigten, ein kleines Stückchen ihres Riesenvermögens dafür auszugeben, um individuelle Härten abzufedern. Es wäre von hässlicher Fratze, Schein und Sein, von Demaskierung, von einem Realitätscheck die Rede, davon, wie hehre Worte schal und hässlich an der Realität zerschellen.

All das und noch viel mehr würde durch die Echokammern gespielt und in unendlichen Variationen wiederholt werden. Es würden Konsequenzen gefordert, Verantwortlichkeiten angemahnt, Haftbarkeiten, es würden allfällige Straftatbestände wie Konkursverschleppung in den Raum gestellt. Es würde alles Schlechte, Hinterlistige, Fiese an Motiven unterstellt.

Aber beim «Kosmos»? Aber nein. Da darf einer der Mitbegründer, einer der Verantwortlichen, einer der Versager sein eigenes Leiden bejammern: «Ich muss sagen: Dieser Schnitt, Schlüssel abgeben, Tür zu, Zettel raus, das ist schon bitter.» Er leidet an sich selbst, bei der Betrachtung des eigenen Bauchnabels. Und darf das Gesülze unwidersprochen raushauen, ohne gefragt zu werden, was für Gefühle er denn gegenüber den Opfern seiner Unfähigkeit aufzubringen im Stande ist.

Schlimmer als geschäftliches Versagen ist das menschliche. Diese demaskierende Heuchelei, das Suhlen in der eigenen Befindlichkeit, das unwidersprochen blühender Unsinn über den angeblichen geschäftlichen Erfolg verzapft werden kann. Dass mit keinem Wort Verantwortung übernommen wird, kein Wort des Bedauerns über die Schicksale von Angestellten oder Lieferanten geäussert – oder eingefordert wird.

Im Gegenteil, inzwischen hat sich auch Oberschwurbler Daniel Binswanger wieder zu Wort gemeldet. Nachdem er kurz Mitgefühl mit den Mitarbeitern geheuchelt hat, stellt er Fragen. Dumme und unsinnige Fragen. Zum Beispiel: «Warum haben die SBB nie eine Umsatz­miete akzeptiert?» Vielleicht deswegen, weil es einen bindenden Mietvertrag mit einer fixen Summe gab? Würde Binswanger akzeptieren, wenn man sein Gehalt vom von ihm generierten Umsatz abhängig machte, obwohl er über einen Arbeitsvertrag mit fixem Salär verfügt?

Er kann sich aber noch steigern, bis zum Gipfel der Absurdität: «Aber war es sinnvoll, das «Kosmos» in den Konkurs zu treiben?» Zu treiben? Ein rettungslos überschuldetes und illiquides Unternehmen?

Dann wird Binswanger noch richtig bösartig. Die beiden letzten VR «behaupten, die unhaltbare finanzielle Lage des «Kosmos» sei ihnen verheimlicht worden. Das erscheint wenig glaubwürdig.»

Wie glaubwürdig Binswanger selber ist, zeigt ein Redaktionsschwanz zu diesem Geschreibsel: «In einer früheren Version schrieben wir, dass die SBB nie Mietzahlungen erlassen hätten, richtig ist: Die SBB haben Mietzahlungen zu Teilen erlassen. Wir haben den Text zudem um eine Stellungnahme der SBB ergänzt. Und um Miss­verständnisse zu vermeiden, haben wir die Stelle bezüglich Monica Glisenti präzisiert.»

Mit anderen Worten: Quatsch, Quatsch und nochmals Quatsch geschrieben. Ist das vielleicht peinlich.

Der vorhersehbare Bankrott des «Kosmos» ist ein Trauerspiel. Seine Beschreibung in den Mainstream-Medien ist aber an Widerlichkeit und Verlogenheit nicht zu überbieten.

4 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Für den ‹Kosmos› der Weltstadt Zürich ist Vorstellungsvermögen da.

    man&frau stelle sich vor, diesen ganzen, interessanten, Versuch und Text mit dem Wörtchen ‹Covid› anstatt Kosmos zu lesen.
    Oder noch dreister:
    Das K von osmos für uKraine zu verbiegen.
    Sich vorzustellen, wie ein desaströses Land seine wichtigste Industrie mit einem Streich (in all seinen Wort-Bedeutungen) auf neue, ungeahnte Umsatz- und Profithöhen K atapuliert (und DEuropa noch tiefer in rote Zahlen, soziales Elend und baldige Bedeutungslosigkeit), ist schon VerschwörungsTheorie oder Putin-Verharmlosung.
    Auch wenn diese Vorstellung ganz konkret auf dem Buckel eines Volkes ausgetragen wird, das wir SOLIDARISCH verheizen. Und dafür erst noch das wohlige Gefühl geniessen können, die Freiheit, Menschenrechte und all unser Gutes zu verteidigen.

    Mir kommt da höchstens das K…….. in die vorweinhachtliche Stimmung, ob der Lage der WerteWelt.
    Aber das ist vielleicht auch der Grund, warum Herr Zeyer die Weltprobleme des ZüriKosmos so eindrücklich seziert – denn all das Grössere blenden wir lieber aus, um nicht K rank und nachdenklich zu werden.

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  2. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Die knallharte Grundlage der Ökonomie in ihrer ganzen breite und tiefe, auf allen 4 Ebenen,
    Mikro—Betriebs–National und Globalökonomie basiert auf nicht aushebelbaren Naturgesetzen.
    Die Natur wird mit absolutter Sicherheit immer der Sieger bleiben!
    DAS haben und werden vor allem die linken und zum Teil auch die rechten wohl bis in alle Ewigkeit nie verstehen und begreifen.
    Den Naturgesetzen, dem Planeten Erde, dem Universum als Ganzes,sind menschliche Ideologieergüsse schnurzegal das tangiert den Lauf der Gestirne die Umlaufdrehzahl des Planeten Erde, um keine Millionstel Sekunde.
    Wünsche allseits schönen Sonntag.

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  3. Mario Sacco
    Mario Sacco sagte:

    Daniel Binswanger soll endlich estimieren, dass sein Lohn durch die Gebrüder Meili ermöglicht wird. Die Stadt Zürich dürfte eine reinigende Zäsur erleben. Stichworte: Kosmos, Menstruation-Urlaub und non binäre WC‘s. Diese Frivolitäten müssen eingegrenzt werden. „Nice to have“ war gestern!

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  4. K. Meyer
    K. Meyer sagte:

    Der Tages-Anzeiger ist so ziemlich das unflexibelste Produkt des hiesigen Journalismus (zumindest im halbwegs ernst zu nehmenden Bereich). Immer alles streng aus der Ideologie-Blase betrachtend, nie ausgewogen oder gar neutral in der Berichterstattung. Geschichten werden stets so gekocht, wie es im linkslastigen Rezeptbuch des Tagi steht.

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