Gähn

Vorhersehbarkeit ist nicht gut, sondern langweilig.

Wie die Mainstream-Medien über Corona, die Ukraine oder Donald Trump berichten, ist so vorhersehbar wie der Wetterbericht von gestern.

Das gibt dem Konsumenten einerseits das kuschelige Gefühl, dass er genau weiss, was er an Welterklärung zu erwarten hat. Zudem bestätigt es ihn in seiner Weltsicht, weshalb er ja im Wesentlichen die immer dünneren Tageszeitungen liest.

Diese wiederum gehören nur noch drei Konzernen in der Schweiz, plus dem Blatt für die gehobenen Stände. Also ergiesst sich von Basel bis Bern, von Zug bis St. Gallen, von Aarau bis Appenzell die gleiche Einheitssauce über den Leser.

Der einzige bunte Fleck mit einigermassen Wirkung darin ist die «Weltwoche». Umso bedauerlicher, wenn es immer wieder Ausgaben gibt, die an Vorhersehbarkeit nicht zu überbieten sind. Zum Beispiel die aktuelle:

Alle finden Katar echt kacke? Da muss Köppel dagegenhalten. Und wenn er dagegenhält, muss die «Weltwoche» dagegen halten. Differenzierungen sind etwas für Weicheier. Es muss gleich «Katars Sportfest der Lebensfreude» sein. Es muss ein «Hoch auf die zivilisatorische Kraft des Fussballs» sein.

Eine Nummer kleiner geht nicht. Die übrigen Medien bezeichnen die spontane Rede von Gianni Infantino, dem herumeiernden Chef einer zutiefst korrupten und lachhaften Organisation, als leicht schräg bis merkwürdig oder abartig? Da muss Roger Köppel höchstpersönlich gratulieren, zu einem «grossartigen Plädoyer für den Fussball und die völkerverbindende Kraft des Sports».

War da sonst noch was? Ach, andere Länder, andere Sitten, wir wollen doch nicht die Gleichberechtigung der Frau überall auf der Welt einfordern, ein wenig Verständnis für mittelalterliche männliche Herrschaftsausübung, bitte. War noch was? Ach ja, «auch die Gräuelgeschichten über Ausbeutung und Massensterben auf katarischen Baustellen sind an den Haaren herbeigezogen».

Mass und Mitte, die Welt nicht nur gut gelaunt, sondern auch gut und widersprüchlich wie sie ist beschreiben, das ist des Holzhackers Anliegen nicht. Wie der Herr, so das Gescherr: «Politik und Medien putzen sich am Gastgeber der Fussball-WM die Schuhe ab. Zu Unrecht. Das Emirat hat sich in ein neues Zeitalter katapultiert

War da sonst noch was? Die Arbeits- und Lebensbedingungen von Fremdarbeitern, vor allem aus Bangladesch, Nepal oder Philippinen? Nun, die sind Devisenbringer für ihre Länder und deren Regierungen, daher: «Lieber nehmen sie es hin, dass sie unter schlechten, manche sagen, unter menschenverachtenden Bedingungen leben und arbeiten, weil sie sonst ihre «Einkommensquellen» verlieren könnten.»

Manche sagen das, manche sagen dies, wer weiss es schon, will Pierre Heumann damit sagen. Es werde ja Gewaltiges getan, sogar Amnesty International säusle von Verbesserungen, «wie etwa ein Gesetz zur Regulierung der Arbeitsbedingungen von Hausangestellten, einen Fonds zur Entschädigung bei Lohndiebstahl sowie die Einführung eines Mindestlohns».  Allerdings, leider: «Dass Arbeitgeber den Pass oder die Löhne ihrer Angestellten zurückhalten, kommt zwar vor. Aber es drohen harte Strafen, um Betrügereien zu verhindern

Niemand bei der WeWo hat offenbar gemerkt, wie lachhaft die Aufzählung solcher Verbesserungen ist, weil sie erahnen lassen, wie tief im Mittelalter der Wüstenstaat noch steckt.

Und überhaupt, in anderen arabischen Ländern ist es dann noch viel schlimmer, im Fall, da ist Katar dann ganz vorne dabei. Wo vorne? «So sind zum Beispiel Gewerkschaften, unter bestimmten Bedingungen zumindest, zugelassen – in der Nachbarschaft sitzen deren Aktivisten oft hinter Gitter.» Wahnsinn, Gewerkschaften sind zugelassen, so ein bisschen halt. Demokratie ist weniger zugelassen, aber man kann nun wirklich nicht alles auf einmal verlangen, auch nicht das mit den Schwulen, das nervt halt den korangläubigen Menschen, muss man verstehen.

So ziemlich alle Aspekte, immer schön rund um den Fussball, werden abgehandelt, nicht zuletzt auch kühne Bauwerke und andere Highlights.

Bedauerlich, dass die gesamte Schreibkraft der «Weltwoche» kein Wort über die «Al Udeid Air Base» verliert. Das ist auch bloss eine der grössten US-Miltärbasen in der Region; von hier aus werden alle Militäreinsätze in Afghanistan oder Irak koordiniert. Kein Wort auch zu den dramatischen Spannungen zwischen Katar und Saudi-Arabien. Inzwischen halbwegs beigelegt, entzündete sich der Konflikt an der fatalen Nähe von Katar zum Gottesstaat Iran. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten hatten Katar Terrorunterstützung vorgeworfen, die diplomatischen Beziehungen abgebrochen und sogar eine Blockade verhängt.

Nach verlässlichen Quellen finanziert Katar die Muslimbrüderschaft, Al-Kaida, die Al-Nusra-Front oder den Islamischen Staat. Alles wenig lebensfreudige Haufen.

Aber das alles passt natürlich nicht in «Katars Sportfest der Lebensfreude», da würden solche Flecken auf den weissen Kaftanen doch nur stören.

Aber einfach weiss sagen, wenn die anderen schwarz krähen, das macht das Gegenteil vom Mainstream nicht per Definition richtig. Die VAE, Bahrein oder Katar sind sicherlich nicht nur im Mittelalter steckengeblieben. Sie bewegen sich aber keineswegs zivilisatorisch mit raschen Schritten ins 21. Jahrhundert.

Also wäre eine der Komplexität Katars angemessene Berichterstattung grossartig gewesen, ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Wochenmagazins. So aber ist’s ein gähnlangweiliges Trotzheft geworden.

Wieder einmal ein Beleg für das grundlegende Problem: wenn der Besitzer nicht dem Verleger sagen kann, der solle dem Herausgeber ausrichten, dass der mal den Chefredaktor einfangen müsse, dann wird’s halt immer wieder aschgrau. Neben allen Leuchtkörpern wie zum Beispiel dem Feuilleton.

5 Kommentare
  1. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Und wann tritt man mal vor die eigene Haustüre, und wischt da die Berge vom Dreck weg, wenn man das mal Fragen darf? – Zum Beispiel, wie sieht der eigene Arbeitsmarkt aus, für die Mehrheit der Normalsterblichen Arbeiterschaft?

    “Beispiel, Thema Altersrente BVG-Versicherung 2te Säule – und das daraus resultierende Teilzeit-System:“

    Arbeitgeber welche Personal nur in Teilzeit anstellen, und wieder entlassen, “bevor“ sie denn Personen-Freizügigkeits-Betrag von 24’000 CHF im Jahr der Pensionskassen überschreiten. Nur damit die Arbeitgeber keine BVG-Pensions-Versicherungs-Beiträge für ihre Arbeitnehmer bezahlen müssen. Deswegen lieber dauernd das Personal “vor“ der BVG-Pflicht (über 24T Jahres-Lohn beim gleichen Arbeitgeber) austauschen. Diesen unfreiwilligen Teilzeit-Arbeitnehmern, wirft man dann noch in verachtender weise vor, das Sie selber Schuld sind, wenn Sie im Alter nur die AHV-Rente und sonst nix Haben, und um Ergänzungs-Leistungen Betteln müssen. Die Handlanger für dieses Ausbeutungs-System, sind vor allem die unzähligen Temporär-Büros (moderne Sklavenhändler), welche denn Arbeitgebern dabei helfen, Arbeitnehmer nicht mit einem BVG-Pflichtigen Vertrag und Monats-Lohn Festanzustellen.

    Und dann kommt oft noch der Vorwurf, wieso diese Selber-Schuldigen (ironie) Teilzeit-Arbeitnehmer, denn nicht auch noch eine Dritte-Alters-Versicherungs-Säule angespart haben. Aber wie soll das gehen, ohne genug Einkommen aus Hire&Fire-Teilzeit-Jobs. Das BVG ist ein Politisch fabriziertes Selbstbereicherungs/Betrugs-System der Versicherer von A-Z. Wo sich verschiedene, unzählige BVG-Versicherungs-Direktionen (Kassen), mit repräsentativen Büro-Gebäuden, Personal-Aufwand und Finanziellen Bezügen bereichern. Und mit denn Versicherten-Beiträgen der Arbeitnehmer Immobilien bauen, die Sie dann Teuer der betrogenen Arbeiterschaft vermieten, welche diese Finanziert haben. Genau genommen sind die Versicherten die Besitzer dieser Immobilien, und nicht die Versicherer, Versicherer welche die Profite gleich Doppelt abkassieren, über Versicherungsprämien und über die Vermietung.

    Mit dem Geld das im BVG verlocht wurde, könnte man jedem AHV-Rentner eine Alters-Rente von mindestens CHF 4’000.00 Monatlich x 13 auszahlen, was einem Mindest-Lohn und den realen Lebenskosten knapp entspricht.

    “Beispiel, Thema die Folgen der überbordenden Einwanderung – auch die illegale für die Einheimische Arbeiterschaft und den Arbeitsmarkt:“

    Verdrängung und Lohndumping der Einheimischen. Nicht nur in den Ungelernten Jobs. Auch gelernte mit Lehrabschluss, werden oft von billigeren Ausländern mit Uni-Titel verdrängt. Hauptsache billig und studiert – können egal. Und wenn die eigenen Schul/Lehr/Uni-Abgänger die Wunsch-Anforderungen der Arbeitgeber nicht mehr erfüllen können, woran könnte das denn liegen? – Sicher nicht an den Einwandernden Spitzen-Fachkräften, aus aller Welt, oder? (ironie) – Nicht verwunderlich, wenn Schüler/Lehrlinge die oft auch Migrations-Hintergrund haben, in Handwerk & Industrie, von Ausländischen ungelernten Ausgebildet werden, nicht besonders Professionell sind.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    und nur als zäher-Test (von wegen ‹bösen› Kommentaren auf ungenehmen Portalen),
    nicht weil ich verbissen auf Verschwörer-Themen versessen wäre.
    Unsere aktuelle Neuzeit ist perverser dunkler als das dunkle Mittelalter, ein seltsames Schweigen in den Medien und der betroffenen Mähheit in Bezug auf die fortschreitende Realität der einzigen wahren Verschwörung: wie unsere Regierungen&Medien die Tod bringenden Heil!mittel propagieren.
    Mit Steuergeldern. IMMER NOCH.

    Auch hier, die Weltwoche als Kreuz-&Querschläger, dazu K-Tipp und Saldo als auflagenstarke Ausnahmen, die von diesem Wahnsinn schreiben.
    ‹Gähn› als Antwort der Gesellschaft auf eine Gegenwart hier bei uns, der wir nicht mehr ins Gesicht sehen können?
    Es gibt sie, die neuen Portale, die uns ungeschminkt darüber schreiben, was die freigen Bürger nicht wissen dürfen, sollen oder wollen:
    https://transition-news.org/balearen-ubersterblichkeit-liegt-2022-bei-fast-400-prozent
    https://uncutnews.ch/die-zahl-der-fifa-fussballer-die-im-jahr-2021-ploetzlich-starben-war-300-hoeher-als-der-vorherige-12-jahres-durchschnitt/

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  3. René Küng
    René Küng sagte:

    Bravo der Exklave von freiem Denken im tiefen Mittelalter HIER rundum:
    Zeyer macht auf interessante, komplexe, brisante Zusammenhänge bei den Ölgeldsack-Oligarchien aufmerksam, über die im SRG dark age Staat kaum ein Hörer, Leser oder Seh-blind-er (und -innen) auch nur die geringste Ahnung hat.
    Abt erweitert den Tunnelblick der Gesättigten mit einem Einblick der über hailand-Tourismus hinaus geht.
    Und ein Dritter (sorry, Herry Wyss) bezeugt, dass es mindestens 3 Personen gibt, die das Mini-Universum zackbum als Gegengewicht zur demokratischen Mährheit mit Sauerstoff versorgen.
    Merci.
    Als Nicht-allerweltsWoche Abonnent darf ich anfügen: nur wegen der Weltwoche kommen solche Gähn-Artikel zustande.
    So etwa im Sinne von: nur weil Putin den Krieg angefangen hat, passieren dann halt solche Missgeschickte Raketen der Ukraine. Ergo: er war’s halt ursächlich schon.
    Die Latenzzeit der reflexartigen fake-news unserer Medien ist inzwischen bei wenigen Tagen, tendiert gegen Null und bald sind wir bei: Verlogenheit in authentischer Echtzeit.
    Ist wohl ursächlich der liebe Gott dran schuld, er soll ja den Menschen geschaffen haben.

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  4. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Soll die Weltwoche nun auch in das Horn der moralisch überlegenen Gesinnungsmedien blasen?

    Für Kritiker der tatsächlichen und angeblichen Missstände in Katar kann ich nur schwer Verständnis aufbringen, denn sie waren noch nie auf einer Grossbaustelle, schon gar nicht in Katar oder Thailand: Thailändische Bauarbeiter in Katar erhalten ein Monatsgehalt von etwa 2.000 Dollar und Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen; zu Hause müssen sie mit 400 Dollar und ihren eigenen Flip-Flops auskommen. Für die Tausenden von Familien in Thailand muss es ein Fest sein, wenn Väter, Brüder und Söhne das hohe Gehalt überweisen, das armen Familienmitgliedern ermöglicht, der Armut zu entkommen.

    Im Gegensatz zu den westlichen Miesepetern in ihrer Komfortzone freue ich mich mit den Menschen in den arabischen Ländern über ihre Fussballfest: Obwohl die Region auf eine jahrhundertelange Geschichte des “beautiful game” zurückblicken kann, ist dies das erste Mal, dass die arabische Welt mit einer Bevölkerung von mehr als 440 Millionen Menschen die Fußballweltmeisterschaft seit ihrer Einführung im Jahr 1930 ausrichtet – etwas, das die moralisierenden ehemaligen europäischen Kolonialherren ihnen offenbar verwehren möchten.

    Dank Katar als Gastgeber müssen die Menschen in Asien, Afrika und im Nahen Osten keine teuren Transatlantikflüge oder aufdringliche und oft demütigende Visabestimmungen in Kauf nehmen. Im Gegensatz dazu hatten die Vereinigten Staaten, einer der Gastgeber der nächsten Fußballweltmeisterschaft, bis vor kurzem ein «muslimisches Einreiseverbot», das Iraner daran gehindert hätte, die Spiele ihrer Mannschaft zu sehen. Bis zu 100.000 Iraner wollten den kurzen Flug auf sich nehmen, um das diesjährige Turnier zu besuchen. Ich wünsche ihnen allen eine gute Zeit, und mögen sie die moralischen Kreuzritter aus dem Westen ignorieren.

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    • Mathias Wyss
      Mathias Wyss sagte:

      Bravo, Herr Abt! Btw: Es waren genau 7 europäische Verbände, die diese lächerliche Binde unterstützten. «No discrimination» reicht denen nicht. Spanien z.B. war nicht dabei. Und ausserhalb Westeuropas natürlich kein einziges Land.

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