Die WeWo hat zwei Probleme

Das eine heisst Tom Kummer.

Wenn der Cédric Wermuth porträtiert, weiss man nie, was sich tatsächlich so abgespielt hat und was erfunden ist. Also überblättert man die drei Seiten lieber.

Das zweite Problem heisst Roger Köppel. Nein, so kann man das nicht formulieren. Denn es gibt ja viele Köppels in der «Weltwoche». Genau das ist das Problem. Es gibt den Editorial-Schreiber. Den Chefredaktor. Den Verleger. Den Besitzer. Den SVP-Nationalrat. Den Energiebolzen. Und den Interviewer.

Das ist vielleicht der schlimmste Köppel. Denn er findet kein Ende. Diesmal ist er beeindruckt vom deutschen Alt-Philosophen Hermann Lübbe. Dem muss man lassen, dass er für seine 95 Jahre noch ziemlich kregel ist. In dieser Ausgabe scheint es Köppel überhaupt die Philosophie angetan zu haben. In seinem Editorial schwärmt er für den Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, über den Nazi-Anhänger Martin Heidegger, vor dessen Holzhütte sich Köppel ehrfurchtsvoll begeben hat. Heidegger sei nach dem Krieg «fast wieder rehabilitiert» gewesen, habe ganze Generationen von Denkern und Dichtern beeinflusst.

Das wüsste man aber, wenn das so gewesen wäre. Wer gerne über Krampfbegriffe wie «Gestell» nachsinnieren möchte, bitte.

Aber das ist (glücklicherweise) nur ein Teil seines einseitigen Editorials. Sagenhafte 12 Seiten, immerhin mit Bildanteil, verwendet Köppel aber auf sein Interview mit Lübbe. Auch der war, allerdings erst ab 1944, Mitglied der NSDAP. Später fiel er durch seine Polemik gegen die deutsche Studentenbewegung auf, seit vielen Jahren eigentlich durch nichts mehr.

Nun, wie soll man den Inhalt, den Gehalt von 12 Seiten zusammenfassen? Was soll man zu über 60’000 Anschlägen sagen? Nun, es gibt gewisse Längen. Und Peinlichkeiten:

«Man könnte Ihren Gedanken weiterspinnen und sagen: Je ausgeprägter der Zivilisationsprozess, diese Verflechtung ist, desto leichtfertiger leistet sich der Mensch Feindbilder, weil er weiss, dass er letzten Endes sicher ist. Man wird vielleicht etwas leichtsinniger, auch mit der Sprache. Das ist für den Aufmerksamkeitsgewinn gut, aber man macht es letztlich nur, weil man sich sicher ist, dass die Welt nicht einstürzt.
Lübbe: Ja, besser hätte ich es nicht sagen können. Das halte ich für richtig. Natürlich, die Intellektuellen-Rolle ist eine Rolle für sich.»

Häufig beschränkt sich Lübbe auch auf ein knappes «so ist es», nachdem Köppel seine Frage gestellt hat. Manchmal leistet er auch hinhaltenden Widerstand bei der Beantwortung:

«Wie gross ist die Gefahr, dass bei den sendungsbewussten Amerikanern das Gute ins Böse überschiesst – zum Beispiel jetzt, im Krieg gegen Russland?
Lübbe: Das ist eine sehr harte Frage, und ich zögere, sie ebenso sicher zu beantworten, wie sie von Ihnen gestellt worden ist.
Weltwoche: Es ist ja einfacher, eine Frage zu stellen, als sie zu beantworten.
Lübbe: Ja. Nichtsdestoweniger würde ich, in der Zuversicht, zu der ich nicht gefühlsmässig neige, sondern für die ich Gründe zu sehen glaube, sagen, auch die amerikanische Zivilisation neigt doch im Vergleich zur europäischen eher zum Realismus.»

Aber eigentlich begegnen sich hier zwei Denker auf Augenhöhe, wie Lübbe immer wieder feststellt: «Richtig. … Richtig … Ja, so sehe ich das auch … Exakt … Die Frage ist anspruchsvoll … Ich stimme zu … Genauso war es … Damit bin ich voll einverstanden

An nicht wenigen Stellen sehnt man sich einen Redaktor herbei, der den Mut gehabt hätte, diese und viele andere Stellen zu streichen:

«Weltwoche: Vereinigte Staaten von Europa. Das wird’s nicht geben.
Lübbe: Das wird es nicht geben. Das habe ich auch geschrieben.
Weltwoche: Genau. Den europäischen Superstaat wird es nicht geben.
Lübbe: Ja, das meine ich.»

Ein nicht mehr ganz junger Herr liefert einem ziemlich alten Herrn die Stichworte, damit der sich entweder auf ein knappes «Richtig» beschränken kann oder ohne kritisches Hinterfragen befürchten zu müssen diese oder jene Lebensweisheit von sich geben darf.

Man weiss es nicht, aber vielleicht wäre das Interview um 50 Prozent gekürzt interessant geworden. Vielleicht auch um 75 Prozent gekürzt. Oder aber, ein radikaler Seinsvorschlag im Heideggerschen Sinn: vielleicht wäre ein Kürzung um 100 Prozent sinnvoll gewesen, damit ein Ge-Stell daraus geworden wäre  …

 

9 Kommentare
  1. Ludwig Detusch
    Ludwig Detusch sagte:

    Tom Kummer muss aus der Weltwoche raus, wie überhaupt die ganzen leeren Schwätzer im jeweils letzten Drittel des Weltwoche-Hefts. Vorher kann ich leider unmöglich Abonnent werden.

    Antworten
  2. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Köppel ist ein Winkelried . Dazu gesellen sich einige Mitkämpfer der Sonderklasse. Die Medienkonzerne
    mit ihren Schreibknechten mögen ihn und einige seiner Mitkämpfer gar nicht.
    «Lübbe» eine einzige Qual. Schade für die Druckerschwärze. Auch sollte er sich in
    vielem einfach etwas kürzer fassen. Gesamtnote 5-6!

    Antworten
  3. Oskar
    Oskar sagte:

    Vielleicht haben Sie in diesem Fall recht mit Ihrem Urteil. Allerdings hat sich Köppel immerhin nicht der Unsitte bedient, Interviews so abzukürzen und zu verstümmeln, dass beim Leser nur gerade das hängen bleibt, was der Journalist als opportun erachtet.

    Antworten
  4. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Roger Köppel verdient grösste Anerkennung für seine Unerschrockenheit, auch nicht „korrekte“ Meinungen gegen den vor Wut schäumenden rot-grünen Mainstream auszusprechen. Das ist Köppel hoch anzurechnen. Siehe die verlogene Corona-Panik, siehe die Ukraine und die Heiligenverehrung des Selenskyj. Doch gibt es auch ein zuviel an Köppel. Dieser Mann spricht wirklich pausenlos und dabei nervt noch zusätzlich seine narzisstische Seite auch mit dem ständigen Rudern der Arme. Doch sind das Peanuts im Vergleich zur übrigen Leistung des Roger Köppel und seinem grossen Mut.

    Antworten
    • Werner Boschung
      Werner Boschung sagte:

      Roger Köppel dürfte bei den Nationalratswahlen 2023 kaum mehr gewählt werden. Innerhalb der SVP ist Köppel nicht mehr unumstritten, insbesondere wegen seiner Nähe zu Putin und zum russischen Propaganda-TV-Sender RT.

      Viele Artikel der Weltwoche sind unzureichend recherchiert. Köppel‘s Einfluss auf der Redaktion ist dringend benötigt.

      Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Hansruedi Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert