Kamikaze-Rechnung

Es geht bergab. Also wird mehr Geld rausgehauen.

Wenn man einen Newsletter bekommt, der mit «Sehr geehrte Frau Verlegerin, Sehr geehrter Herr Verleger
and everybody beyond!» beginnt, hat man schon einen Verdacht. Der verfestigt sich zur Gewissheit, wenn man scrollt und scrollt, bis man das Ende von 14’000 Anschlägen erreicht hat.

Die «Republik» überschüttet unschuldige Leser mit einem weiteren Anfall von Sprachdurchfall. Ein klitzekleines Highlight in Form sanfter Selbstironie sei gleich am Anfang gelobt:

«An Erkenntnis warf das Jahr 12’573’576 Zeichen Text ab. Wir entschuldigen uns, dass es nicht weniger waren.»

Damit ist dann aber bereits fertig lustig:

  • «Die Verlagsetage blieb in etwa gleich: ein Jahr zuvor 28’695, dieses Jahr 28’338 Verleger. Die Zahl der Jahres­mitgliedschaften stieg leicht. Die Monatsabos nahmen um 600 ab. Hier haben wir Sorgen.
  • Seriösen Ärger macht höchstwahrscheinlich ein Formfehler aus der Vergangenheit, der uns teuer zu stehen kommt: Wir haben Steuer­rückstellungen von 930’000 Franken vorgenommen, die dieses Geschäfts­jahr ins Defizit reissen.»

Damit nicht genug. Nach diversen Rücktritten und Abgängen will die «Republik» die «publizistische Kompetenz» im Verwaltungsrat stärken. Dafür hat sie sich einen Veteranen ausgeguckt, der eine lange Tradition in der Unterstützung von jungen Start-ups hat und vor gefühlten 100 Jahren das letzte Mal journalistische Verantwortung auf den Schultern trug: Roger de Weck.

Wir wünschen allen Beteiligten viel Spass. Denn die Begründung für diesen Wahlvorschlag ist selten originell: «Aus exakt neun Gründen: erstens bis achtens, weil er er ist. Und neuntens: Sonst wäre unser strategisches Deck unterbesetzt.»

Nun dümpelt die «Republik» bekanntlich vor sich hin, was die Entwicklung der Abozahlen betrifft. Auch wenn man die Abonnenten Verleger nennt, ändert das nichts daran, dass das bei einem werbefreien Produkt die einzige Einnahmequelle ist. Laut eigenen Angaben seien rund 28’000 Abonnenten ausreichend, um ein Budget von 6,3 Millionen Franken zu finanzieren.

Das ist arithmetisch richtig; bei einem Preis des Jahresabos von 240 Franken braucht es haargenau 26’250 Vollzahler. Nun soll kräftig draufgesattelt werden: «Wir bleiben dabei und gehen nächstes Jahr bewusst ins kalkulierte Risiko. Und erhöhen das Budget von 6,3 auf 8,6 Millionen Franken.»

Dieser Zusatzbetrag soll für dieses und jenes verplempert werden, wobei sich die von der «Republik» präventiv gestellte Frage aufdrängt, «ob wir nicht zu viel am Apparat bauen. Anstatt zu sagen: Wichtig für das Produkt sind zwei, drei neue Reporter – und fertig».

Das wäre was, aber: «Nur war das die Todsünde vieler etablierter Verlage: nicht zu sehen, dass die Entwicklung, das Redigieren, die Ästhetik, Programmierung, Fehler­freiheit von Beiträgen ein schwieriger, zeitaufwendiger, nicht von vielen machbarer Job ist.»

Das ist im Prinzip richtig, und gerade bei der Fehlerfreiheit von Beiträgen könnte die «Republik» gewaltig zulegen. Man erinnere sich an eine ganze Reihe von Megaflops, von zu Skandalen aufgeblasene Storys wie über Mobbing an der ETH oder angeblich unerträgliche Zustände in einer Kindertagesstätte, die – nachdem sie wunschgemäss für Wirbel gesorgt hatten – wie ein Soufflee in sich zusammenfielen. Aber deshalb noch mehr Geld für den Overhead ausgeben?

Aber sei’s drum, auch die «Republik» akzeptiert zähneknirschend, dass Geld, bevor es rausgeschmissen wird, zuerst eingenommen werden muss. Also, so läuft’s: «Deshalb planen wir für Jahres­beginn eine Kampagne – mit dem Ziel, 5000 Verlegerinnen auf einen Schlag an Bord zu holen.»

5000 auf einen Schlag, das ist eine Ansage. Falls es gegen Jahresende nicht wie üblich mehr Abgänge als Aboerneuerungen geben sollte, hat die «Republik» also «28’338 Verleger an Bord». Plus 5000 macht nach Adam Riese 33’338.

Nun ist es aber so, dass die Finanzierung von 8,6 Millionen, bei einem Jahresabopreis von Fr. 240.-, ebenfalls nach Adam Riese haargenau 35’833 «Verleger» bräuchte; immer vorausgesetzt, alle schliessen tapfer ein Jahresabo ab.

Damit würden also, selbst wenn dieser kühne Plan funktionieren sollte, immer noch rund 2500 Abonnenten fehlen, also 50 Prozent der Zahl, die die «Republik» neu an Bord holen möchte. Also mal wieder ein fauler Zahlenzauber eines Kamikazes.

Angesichts dieser dramatischen Fehlkalkulation kann man der «Republik» nur empfehlen, statt einen teuren Ausbau von diesem und jenem zu finanzieren, einen simplen Taschenrechner anzuschaffen. Oder noch kostengünstiger, eigentlich jedes Smartphone bietet diesen Service, man muss ihn nur finden.

Stattdessen macht die «Republik» in Traumtänzerei: «Klappt das – grossartig. Wenn nicht, müssen wir ab Februar den Kurs ändern

Aber auch diese Aussage kollidiert mit der nächsten:

«Wir hoffen, dass Sie die Nerven bewahren und uns trotz oder wegen des ehrgeizigen Budgets die Treue halten. Und dass Sie uns helfen, bis Ende Geschäftsjahr auf 33’000 Verlegerinnen zu kommen – die dann jeden Herbst die Bürde (und das Privileg) des Geschäfts­berichts, der Urabstimmung und eines nicht überraschungs­freien Newsletters auf sich nehmen.»

Was denn nun, sollen 33’000 Verleger bereits ab Januar «an Bord» sein oder erst auf Ende Geschäftsjahr? Ist auch ein klitzekleiner Unterschied.

Wie soll man Vertrauen in den Inhalt eines Organs haben, das einen solchen Stuss über seine finanzielle Basis erzählt? Wie soll man Zahlenangaben in Artikeln vertrauen, wenn hier gezeigt wird, dass die «Republik» nicht mal die Grundrechenarten beherrscht? Wie soll man an Seriosität glauben, wenn das finanzielle Grundprinzip weiterhin lautet: sollten wir wieder mal feststellen, dass wir viel zu viel Geld ausgeben und viel zu wenig einnehmen, dann drohen wir doch einfach wieder mit Selbstmord.

Oder sie betteln ein paar reiche Säcke an, die ein fehlendes Milliönchen oder zwei aus der Portokasse zahlen können. Schliesslich rettet die «Republik» nach wie vor die Demokratie. In den letzten Monaten beispielsweise mit aufsehenerregende Artikeln über, öhm. Also zum Beispiel, hüstel. Da war doch, räusper. Unbedingt erwähnenswert ist, hm. Also gut, ZACKBUM nimmt den Telefonjoker und gibt auf.

Aber immerhin, dafür haben wir milde Spenden verdient, wir haben uns bis zum «PPPPPPPPS» durchgequält.

 

 

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