Es ist eine Sauerei

Übertretungen müssen bestraft werden. Aber so?

Als unverbrüchlicher Anhänger des Rechtsstaats ist ZACKBUM selbstverständlich der sicheren Auffassungen, dass sich alle an alle gültigen Regeln und Gesetze zu halten haben.

Nun ist es dem Redaktor widerfahren, dass er eine 30er-Zone für eine 50er-Zone hielt. Dass das daraus entstandene Vergehen bestraft werden muss: keine Widerrede. Auch die Höhe der Busse von Fr. 410.- ist zwar beeindruckend, aber akzeptabel.

Was eine verdammte Schweinerei darstellt: Die Ausfertigung dieses Strafbefehls hat wohlwollend geschätzt 20 Sekunden gedauert, vorausgesetzt, das Stadtrichteramt der Stadt Zürich ist IT-mässig einigermassen à jour.

Dann werden nämlich die erhobenen Daten automatisch übertragen, des Ganze kriegt eine Nummer, wird ausgedruckt und per Gerichtsurkunde auf den Postweg gebracht. Der kostet Fr. 10.60. Nehmen wir an, dass an Stromkosten weitere 10 Rappen anfallen. 10.70. Nehmen wir weiter an, dass ein Beamter gelegentlich neben der Maschine steht, die diesen Strafbefehl eintütet. Kostet, inklusive Couvert, weitere 10 Rappen pro Strafbefehl. 10.80.

Nehmen wir schliesslich an, dass irgend ein Sesselfurzer stichprobenartig checkt, ob auch alles seinen ordentlichen Gang geht. Der Strafbefehl ist mit «Fachbearbeitung Recht» unterzeichnet, wo eine Unterschriftenmaschine ein Gekrakel und einen Namen draufgespuckt hat. Nehmen wir an, dass diese gesamte Mühewaltung mit Pensionsanspruch, 13. Monatslohn, Gefahrenzulage und überhaupt weitere Fr. 10.80 pro Strafbefehl kostet. Dann wären wir also bei Kosten und Gebühren von Fr. 21.60.

Falls das Stadtrichteramt keine komplizierten Zahlen mag, könnte man diese Summe grosszügig auf Fr. 30.- aufrunden.

Das sieht aber das Stadtrichteramt entschieden anders. Es rundet auch auf, stellt aber vor diese 30 Franken noch eine 4. Dadurch entsteht eine «Kosten- und Gebührenpauschale», die sogar noch höher als die Busse selbst ist. Nämlich exorbitante 430 Franken.

Lassen wir mal den Hinweis beiseite, dass bei einer «schuldhaften» Nichtbezahlung «eine unbedingte Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen» droht. Mit dieser kann man zwar die Busse absitzen, aber nicht die Kosten. Hingegen ist es möglich, sowohl Busse wie Kosten abzuarbeiten.

Nun könnte der Beschuldigte Einsprache erheben. Präventiv wird ihm aber mitgeteilt: «Das Einspracheverfahren ist kostenpflichtig

Wer also gegen diese überrissene, willkürliche, exorbitante, durch nichts zu rechtfertigende Pauschale vorgehen möchte, hat gleich zwei weitere Probleme. Das kostet noch mehr, und die Erfolgsaussichten sind mehr als unsicher.

Denn kann man hoffen, dass ein Gericht in der Stadt Zürich die hochwohllöbliche Entscheidung eines Zürcher Stadtrichteramts in Frage stellen würde? Kann man nicht.

Ist das Gequengel in eigener Sache, verursacht durch eine selbstverschuldete Übertretung? Nein. Denn die Ausfällung einer Busse – auch in dieser Höhe – wird nicht kritisiert oder gar bestritten.

Die horrende Geldmacherei durch eine völlig überrissene «Kosten- und Gebührenpauschale» hingegen schon. Insbesondere, weil hier jede Gegenwehr sinnlos ist. Obwohl es sonnenklar ist, dass das Ausfertigen, Ausdrucken und Auf-den-Weg-Bringen eines A4-Blatts mit angehängtem Einzahlungsschein selbst bei wohlwollender Betrachtung keine Kosten und Gebühren von mehr als 30 Franken verursacht.

Nun steckt sich das Stadtrichteramt diesen Betrag natürlich nicht in die eigene Tasche. Wenn man aber bedenkt, wie viele solcher Strafbefehle jährlich ausgestellt werden, läppert sich hier eine Summe zusammen, mit der man das Beamtenklo vergolden könnte. Da man diese Gebührenschneiderei nur kritisieren, aber nicht ernsthaft bestreiten kann, handelt es sich zudem um reine Willkür. Eines Rechtsstaats unwürdig.

Immerhin gibt das Stadtrichteramt rasant und ausführlich Antwort auf die Frage, wie dieser Betrag gerechtfertigt werden könnte: «Für den Kanton Zürich hat der Regierungsrat die Verfahrenskosten in der Verordnung über die Gebühren, Auslagen und Entschädigungen der Strafverfolgungsbehörden (GebV StrV) verbindlich festgesetzt.»

Dazu habe die Justizdirektion «separate Richtlinien und Pauschalgebühren erlassen. Hiernach werden der beschuldigten Person, die mit einer Busse zwischen 400 und 600 Franken bestraft wird, die Verfahrenskosten in der Höhe von pauschal 430 Franken auferlegt. Das Stadtrichteramt Zürich ist an die in der Verordnung und in den Richtlinien vorgesehenen Gebühren gebunden.»

Also mit anderen Worten: wir können nix dafür, wenden Sie sich doch ans Justizdepartement oder besser gleich an den Regierungsrat des Kantons Zürich.

Das lassen wir bleiben, aber auch diese Auskunft ist nicht ohne: «Im Jahr 2021 hat das Stadtrichteramt Zürich in rund 62’000 geführten Verfahren Gebühren von insgesamt 8.3 Mio Franken in Rechnung gestellt.» Das wären dann vergleichsweise schlappe 134 Franken im Schnitt. Offenbar ist also nicht der Aufwand, sondern die Höhe der Busse entscheidend. Macht Sinn. Oder?

7 Kommentare
  1. Ludwig Detusch
    Ludwig Detusch sagte:

    Je mehr man den Staat und seine Institutionen füttert, desto unverschämter wachsen und gedeihen sie. Durch das Aufbringen und Akzeptieren einer Summe von 410 Franken auf die ursprüngliche Geschwulst am gesunden Volkskörper metastasieren die bösartigen Zellen dieses Tumors sogleich und bringen 430 Franken Gebühren hervor, welche sofort wieder zur Fütterung dieses aufplatzenden Tumors verwendet werden, wodurch er sich endgültig zum Geschwür auswächst. Da es bisher allen Versuchen zum Trotzde nicht gelungen ist, den Staat in der für ihn vorgesehenen Badewanne zu ertränken, so müssen wir ihn eben aushungern – am besten indem wir ihm keinerlei Ursache zu Bussbescheiden geben, seine unnützen Dienste in keiner Weise beanspruchen und jeden Gedanken an Steuererhöhung sofort abwürgen.

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  2. Oskar
    Oskar sagte:

    Abgaben und Gebühren sind generell reine Willkür, da sie nicht dem ordentlichen Prozess wie Steuern unterliegen, sondern von irgendwelchen Beamten einfach verordnet werden können. Im Fall dieser Busse werden die Gebühren allerdings von der Rechtsschutzversicherung bezahlt, sollten Sie denn eine haben. Ansonsten sind sie dann halt der Neger.

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  3. Noah Fetter
    Noah Fetter sagte:

    Vorerst. Hier geht es nicht um ein Vergehen, sondern um eine Übertretung (in Deutschland Ordnungswidrigkeit geheissen).
    Für die Übertretungen im Strassenverkehrsrecht gibt es einen Bussenkatalog. Was (alles) in Herrn Zeyers 410 CHF Busse drin steckt, weiss nur der Gebüsste.
    Auch für die Gebühren gibt es einen «Katalog» bzw. eine Liste. Die weitverbreitete und von vielen Medien kolportierte Meinung, die Gebühren seien ja bloss Kuvert, Briefporto, ein A-4-Blatt, 2 Minuten Ausfüllen am Computer und schliesslich 2 Minuten Kontrolle und Unterschrift durch den Juristen, ist unvollständig. Das Strafrecht (vom Volk per Abstimmung so gewollt) sagt klar, dass sich die Gebühren auf den gesamten Aufwand belaufen, den die Straftat verursacht hat. Es gehört also auch der Aufwand der Polizei dazu, die zum Ereignis gerufen wurde, oder die während der Patrouille die Straftat entdeckte, Beweise aufnahm und/oder Zeugen befragte. Schliesslich rapportiert die Polizei die Übertretung an den Stadtrichter. Dort wird nicht einfach irgendöppis abgetöggelet, sondern der Stadtrichter prüft, ob die Polizei korrekt rapportiert hat, ob Beweise erhoben und dem Rapport beigelegt wurden.
    Die «erwirtschafteten» Gebühren decken die Kosten der an der Ermittlung und Ahndung beteiligten Organe (Stadtrichter, Polizei, samt Overhead) bei weitem nicht.
    Dass sich die Höhe der Gebühren an der Bussenhöhe bemisst, mag stossend sein, ist aber vom Gesetzgeber (letztlich vom Volk) so gewollt.
    Ich könnte mir eine Systemänderung vorstellen, indem die Bussen deutlich gesenkt, die Gebühren aber auf die Kostenwahrheit angehoben werden.
    Dass Bussen vom Staat nicht budgetiert werden sollen, ist moralisch gerechtfertigt, buchhalterisch aber ein absoluten no go. Recht geht vor Moral.

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    • Guido Kirschke
      Guido Kirschke sagte:

      Trotzdem müsste der RR offenlegen, wie sich diese «Pauschalen» zusammen setzen. Die Höhe der Busse darf eigentlich in keinem Fall als Begründung für einen polizeirichterlichen Aufwand herhalten. Die Bussenordnung im geschilderten Fall ist klar, da gibt es gar nichts zu «urteilen», das ist aber, was Richter eigentlich und gelegentlich so tun sollten. Die Gebührenordnung verlangt Transparenz. Betreffend dieser Pauschalen habe ich aber auf der ganzen Beamtenwebsite zh.ch nichts gefunden. Gebüren dürfen ausschliesslich nur dazu verwendet werden, den tatsächlichen Aufwand zu decken und nichts sonst. Hier wird abgezockt, es kann gar nicht anders sein.

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  4. Martin Arnold
    Martin Arnold sagte:

    Das der Staat gnadenlos abzockt, ist nicht nur in Zürich so sondern wohl überall.
    Ich weiss von einer Erbsache, die längst vor dem Tod des Erblassers mit Erbverzichtsvertrag wasserdicht geregelt war. Für die Gemeindeverwaltung gab es ähnlich viel Aufwand wie Herr Zeyer für seine Busse beschreibt. Also fast keinen!
    Kostete aber trotzdem 3000 Stutz Gebühren. Das ist Willkür. Gebühren dieser Art sind reine Erpressung. Dass die Staatsvertreter sich in mancher Hinsicht mafiöser Praktiken bedienen, ist leider eine Tatsache.

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  5. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Das hat nichts mit Rechtsstaat zu tun, lieber Herr Zeyer!
    Es gibt das Gesetz (Recht) und dann gibt es Verordnungen, Reglemente und Gebühren. Der Stimmbürger stimmt nur über Gesetze ab.
    Zudem darf man Bussen nicht budgetieren, da man das Fehlverhalten der Bürger nicht voraussagen kann.
    In Zürich verfolgt der sogenannte Rechtsstaat sowieso nur, was im passt; das ist jeweils der Anfang des Endes des Rechtstaats.
    Petty crime wird gnadenlos verfolgt, wenn sie aber Millionen klauen, kommen sie im Tagi-Magi!
    Wie immer geht es um Geld und nicht um Recht. Wie sie im Radio hören: «Zürich grossräumig umfahren!»

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