1’100 Schuss pro Minute

Absurdes Theater um Munition.

Pro Minute kann ein Gepard-Flugabwehrpanzer bis zu 1’100 Schuss abgeben. 60 Stück davon aus ausgemusterten Beständen hat Deutschland an die Ukraine geliefert. Nur war dem deutschen Angriffsministerium offenbar nicht bewusst, dass so ein Geschütz auch Munition braucht.

Da war man etwas knausrig und kratzte gerade mal 60’000 Schuss zusammen. Die sind nach knapp einer Minute verballert, wenn alle 60 Panzer feuern. Daher fordert Deutschland von der Schweiz, dass es weitere 12’000 Stück an die Ukraine liefern kann, die unter dem Vorbehalt, dass sie nicht in Kriegsgebiete weiterexportiert würden, an Deutschland geliefert wurden.

Obwohl es auch in der Schweiz Winkeljuristen gibt, die meinen, man könne im Notfall die entsprechende und glasklare Gesetzgebung per Sonderrecht aushebeln, sagte die Schweiz dazu natürlich nein. Aber Deutschland nimmt da ungern ein Nein für ein Nein und schickte nochmals einen Brief mit der gleichen Forderung an den falschen Adressaten, nämlich an das Schweizer Verteidigungsministerium.

Und zur Sicherheit gleich noch an den «Spiegel». Wie erhofft ergiesst sich nun nach dem logischen und nochmaligen Nein ein Shitstorm in deutschen Medien über die Eidgenossen.

«Rüstungsgüter kauft man künftig besser nicht mehr in der Schweiz ein», keift die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», hinter der nicht immer ein kluger Kopf steckt. Entsprechend tobt der teutonische Kommentarschreiber, wie der Tagi vermeldet: «Unglaublich, dass die Schweiz die Munition für eine FlugABWEHRkanone blockiert. Das macht sie für mich zur Komplizin des Kreml», lässt die altehrwürdige «Zeit» eine Kriegstaube in der Kommentarspalte rüpeln.

Ein anderer meint, man solle doch einfach auf das Verbot der Schweiz pfeifen, «was wollen die denn machen». Es sieht leider so aus, als ob der Deutsche auch nach mehr als 75 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht ganz im Rechtsstaat angekommen ist.

Auf der anderen Seite wird immerhin angemerkt, dass die deutsche Regierung vielleicht damit hätte rechnen können, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halten wird. Das scheint eben auch auf Regierungsebene dort eher überraschend zu sein, nach all den Verrenkungen, die innerhalb der EU schon stattfanden, Stichwort Griechenland.

Allerdings gibt es auch in der Schweiz einige Politiker und sogar ein paar Rechtsgelehrte, die die Lieferung der Munition befürworten oder sogar fordern. Aber glücklicherweise sind das nur einzelne Stimmen, die sich so ihren Ruf ruinieren.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass es offenbar um haargenau 12’400 Schuss gehe. Also um rund 10 Sekunden Feuerkraft. Die Deutschen glaubten bekanntlich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs immer wieder an Wunderwaffen, die den Ausgang noch rumreissen könnten.

Aber das diese 10 Sekunden kriegsentscheidend sein könnten, das dürfte nicht einmal dem nostalgischsten Verehrer der Reichswehr einfallen.

Aber immerhin, es gibt auch wenige Stimmen der Vernunft in Deutschland. Eine davon fragt, wieso es der deutschen Regierung eigentlich nicht vor oder spätestens bei der Lieferung eingefallen sei, dass das Ding auch Munition brauche. Dann hätte man die doch vielleicht besorgen oder herstellen können.

Anscheinend verfügt Brasilien über 300’000 Stück davon, will aber auch nicht liefern. Das wäre dann genug für fast 5 Stunden Feuerkraft. Oder, auf 60 Panzer umgelegt, könnte jeder immerhin 5 Minuten ballern.

What a joke, wie der Ami richtig sagt.

7 Kommentare
  1. Gabriel
    Gabriel sagte:

    Herr Zeyer, ihre Rechnung funktioniert nur in der Theorie, ist aber technisch so unmöglich.
    Ich kenne den Gepard nicht, eine kurze Internetrecherche hat aber ergeben, dass dieser Panzer mit zwei 35mm Luftabwehrkanonen von Oerlikon Contraves ausgestattet ist.
    Zufälligerweise war ich im Militärdienst Mechaniker von dieser 35mm M-Flab Kanone.
    So erzähle ich ihnen gerne ein paar Details über die funktionsweise:
    Die Kadenz von 550 Schuss pro Minute ist ein theoretischer und hochgerechneter Wert.
    Man müsste eher von 9 Schuss pro Sekunde reden, weil nach rund 3 Sekunden das ~30er Magazin pro Kanone leer ist.
    Wir haben in der RS ein Oerlikon Schulungsfilm geschaut: ab der zweiten Minute im Dauerfeuer fängt sich der Lauf an selbst zu zerlegen.
    Es sprühen dann die Zugsrillen aus dem Rohr wie ein Zuckerstock.
    Weiters: Wenn man mit der Kanone ein Flieger abwehrt, wird in der Regel nicht das ganze Magazin verballert, sondern etwa die Hälfte (15 Schuss pro Kanone = 30 pro Geschütz und Angriffsflug)
    Somit würden 60.000 Schuss also für rund 2000 Angriffe reichen.
    Ich kenne mich nicht aus in der Kriegsführung, aber bei einer angenommenen Kadenz von dauerhaft 6 Angriffen / Tag würde also die Munition ausreichen um ein Jahr lang den Luftraum zu überwachen. Bei 3/Tag oder 12/Tag dementsprechend länger oder kürzer.

    Zum Schluss: eine Luftabwehrkanone ist kein Maschinengewehr, welches für Dauerfeuerraten von mehreren tausend Schuss ausgelegt ist.
    Nicht umsonst müssen diese Mitrailleusen mitunter sogar Wassergekühlt werden, weil sonst auch dort sich das Gewehr sehr schnell selber zerlegen würde.

    Antworten
    • Gabriel
      Gabriel sagte:

      Wenn man also von zusätzlichen 12’000 Schuss redet, dann entspricht das nicht der Gleichung 12’000 Schuss = 12 sekunden Luftabwehr.
      Sondern 12’000 Schuss = 400 Luftabwehrmöglichkeiten

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    • Hans von Atzigen
      Hans von Atzigen sagte:

      Ergänzung zu Ausführungen unter, ZumSchluss:
      Darum haben die USA das Mehrläufige Gatlung MG für die Apatsche wiederbelebt.
      Na ja selber zerlegen, nach einer Überhitzung kommt es Hitzebedingt zu
      selbstauslösern.Das Ding schiesst im Kampfeinsatz nicht 2 Minuten bis zur
      Zerlegung des Laufes. Ab Phase Überhitzung ist das Ding unbrauchbar weil
      schlicht nicht mehr kontrolliert in Feuerbereitschaft zu halten.
      Ab Radarzielerfassung muss die erste Patrone im Lager sein ansonsten
      würde der Feuerstoss viel zu Spät ausgelöst.
      Auch hier die Theorie ist das eine, die Praxis ist im Endergebnis etwas anderes.
      aufgestellt.
      Freundliche Grüsse

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  2. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Offensichtlich haben die wenigsten eine Vorstellung welche Mengen an Munition in Zeitgenössischen Kriegen verbraucht werden. Logo das über alle Waffen-Systeme unterschiedlich.
    Bei Hochpräzisionswaffen ergibt sich Logo eine hohe Trefferquote je Schuss.
    Bei einem Gepard werden für einen Treffer mehrere 100 Schuss benötigt, Geschossregen.
    Am höchsten ist der Verbrauch bei den Infanteriewaffen.
    Zur Zeit der Vorderlader wurden rund 20 Schuss zur Ausschaltung eines Gegners verbraucht.
    Im 1 + 2 Weltkrieg, stieg der verbrauch auf rund 5’000 Schuss.
    Der bisherige Rekord wurde, in Vietnam der einige Besonderheiten hatte aufgestellt, die US-Armee verbrauchte für die Ausschaltung, eines Vietcong, rund 60’000 Schuss.
    Im aktuellen Krieg in der Ukraine ist naheliegend der Verbrauch an Grosskalibriger klassischer Rohrartillerie Munition besonders hoch, Kaliber über 100 MM.
    Der erdrückende Anteil der im aktuellen Krieg eingesetzten Waffen und Munition auf beiden Seiten stammt aus den Beständen der verblichenen Roten Armee. Die Lieferungen der Nato, sind da lediglich ein Teil der zu Beginn vorhandenen Gesamtmasse.
    Sehr wahrscheinlich verfügt Russland über den deutlich höheren Anteil an Munition aus dem Nachlass
    der roten Armee.
    Das Munitionsgezerre um den Gepard lässt darauf schliessen, DAS es um die Munitionsbestände der NATO nicht allzu rosig aussieht.
    So zur Beachtung, Munition ist grundsätzlich, sofern fachgerecht gelagert (Zb. vakuumiert)
    rund 40- 50 Jahre ohne grosse Abstriche einsetzbar.

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    • Ludwig Detusch
      Ludwig Detusch sagte:

      Gemäss dem Buch «War games : the psychology of combat» (2018) von Leo Murray werden in heutigen Kriegen im Falle von Gewehren rund 250’000 Schuss verbraucht, um im Endergebnis einen Gegner zu töten. Dies liegt u. a. an der viel höheren Kampfdistanz und daraus folgend viel geringerer Treffgenauigkeit. Viele gewöhnliche Soldaten können abseits des Schiesstands ohnehin nicht wirklich schiessen (treffen), und wenn doch, so schiessen sie dennoch nicht auf Menschen. Des weiteren liegt der hohe Munitionsverbrauch auch daran, dass vielfach bloss in Richtung des Gegners geballert wird, um ihn niederzuhalten (suppress; das nennt sich Deckungs-, Niederhalte- oder Unterdrückungsfeuer), damit entweder er den Standort nicht wechseln kann oder dass man während dieser Zeit selber den Standort zu wechseln kann, siehe z. B. hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Suppressive_fire

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  3. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Der Gepard wurde vor 10 Jahren ausgemustert und soll nun in der Ukraine billig verschrottet werden? D hat ganz andere Waffen, fürchtet aber Putins Rache und liefert vor allem viel warme Worte.
    In einem Tamedia–Blatt hoffte ein Schreiberling, dass Brasilien die fehlende Munition liefert. Bolsonara tat dies nicht, Lula erhielt Glückwünsche zu seiner Wahl von Putin.

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