Wie geht’s?

ZACKBUM erhört den Wunsch der NZZaS.

Lauter kann man nicht nach einer kritischen Bestandsaufnahme rufen. NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer gönnt sich mehr als eine halbe Seite für ein Editorial, in dem er seine ersten 12 Monate Revue passieren lässt.

Grossmütig verzichtet er auf Seitenhiebe gegen übelwollende Kollegen der Konkurrenz, die ihm bei Amtsantritt die Fähigkeit absprechen wollten, das Flaggschiff der Sonntagsmedien lenken zu können. Ausser, dass er mit übelwollenden Kollegen sprach, die ihn dann mit übellaunigen Porträts in die Pfanne hauten, hat er eigentlich keinen von aussen erkennbaren Fehler begangen.

Also sieht es durchaus danach aus, dass er nochmal 12 Monate «die raschelnde Ruhe des Sonntagsmorgens» beliefern wird. Mindestens. Aber womit?

Die Wahrheit ist konkret, wusste schon Bertolt Brecht. Also konkret die Ausgabe vom 23. Oktober 2022. Schon auf dem Cover müssen wir etwas kritisieren, was auch im Blatt selbst schon mehrfach – leider bislang vergeblich – zu Beanstandung Anlass gibt. Das Verbraten von viel wertvollem Zeitungsplatz mit inhaltsleeren, überdimensionalen und wenig aussagekräftigen Bildern und Illustrationen. Ein Smiley mit der Zeile «Wie geht es dir?» anstelle des lächelnden Mundstrichs, das ist doch der NZZaS nicht würdig.

Der dazugehörige Zeitgeist-Text; ein Psychologe hat mal wieder Bedeutendes herausgefunden, allerdings ist die Bedeutung bereits verraucht, bevor die NZZaS zu Altpapier wird, das sollte die NZZaS lieber der Konkurrenz auf den billigeren Plätzen überlassen.

Der Aufrüttler über die offenbar unhaltbaren Zustände an der Ballettschule Basel hingegen ist, obwohl im Gefolge des Skandals von Zürich, erstklassige Recherchearbeit. Dass die NZZaS dafür allerdings die Mitarbeit des Basler Leichtgewichts «Bajour» benötigte, schmälert die Leistung ein wenig. Befremdlich, dass die Schulleitung, mit den ausführlich dokumentierten Vorwürfen konfrontiert, jede Schuld abstreitet. Entweder handelt es sich hier um die kollektive Hysterie von vielen Ex-Schülerinnen, oder aber das Kader der Schule leidet unter galoppierendem Realitätsverlust.

Genauso gute, weil interessante und recherchierte Kost ist der Artikel über die angeblich so saubere und ökologische Fernwärme, die in Wirklichkeit eine CO2-Schleuder ist, viel Gas verbraucht, das Rezyklieren erschwert und durch Ausbau immer mehr Kehrrichtimporte aus dem Ausland braucht. Eine gute und gnadenlose Abrechnung mit einer rotgrünen Mär.

Dass das Abführen des ehemaligen chinesischen Präsidenten Hu Jintao als «Bild für die Geschichtsbücher» ausnahmsweise seinen Platz verdient hat, ist unbestreitbar. Welch merkwürdige Machtdemonstration und Demütigung auf Chinesisch. Wieso dazu allerdings auf dem Rest der Zeitungsseite erklärt wird, dass man sowieso nie erfahren werde, was sich genau abgespielt habe, ist dann eher Slapstick als seriöse Analyse.

Ärgerlich ist dann aber sowohl das Riesenfoto wie der Text zum unheimlich schwachen Abgang der englischen Premierministerin. Man kann deren Versuch, Rezepte des österreichischen Ökonomen August von Hayek anzuwenden, mit Fug und Recht kritisieren.

Das hätte allerdings zur Voraussetzung, dass man dessen Werke gelesen hat – und dass man neben reiner Polemik auch inhaltlich etwas zu bieten hätte. Beides geht der Autorin Bettina Schulz ab.

«Gruppe libertäre Ideologen, … im Sinne neoliberaler Vorstellungen, … Hetze des Rechtsextremisten Nigel Farage, … Boris Johnson liess sich willig vor den Karren der Ideologen spannen, … neoliberale Hardliner, … Werte der konservativen Partei wurden über den Haufen geworfen, … die Finanzmärkte straften den ideologischen Fanatismus so brutal ab …»

Wer so austeilt, sollte vielleicht etwas mehr als oberflächliche Schlagwörter zur Stützung seiner Abrechnung auf Lager haben. Nach dieser Philippika kommt Schulz zum warnenden Fazit: «Fraglich ist, wer im Land begriffen hat, wie gefährlich der Einfluss der Brexit-Extremisten und neoliberalen Ideologen ist

Noch fraglicher ist, wieso die NZZaS dieser ideologischen, einseitigen, dünnen Brutalpolemik eine Seite einräumt. Da hätte man etwas weniger intellektuell Leichtgewichtiges erwarten dürfen. Das hier hat so etwa das Niveau von kleinen Kläffern, die sich jahrzehntelang am Marxismus abarbeiteten. Ohne das geringste intellektuelle Niveau, aber mit Verve.

Parteipolitisch lustig wird es, wenn sich die NZZaS an der Werweisserei beteiligt, ob Albert Rösti nun Bundesrat wird oder nicht. Schliesslich ist das für die FDP, die dem Blatt nun unbestreitbar näher steht, nicht unwichtig. Eigentlich kann die liberale Partei, die um ihre beiden Sitze bangen muss, nur hoffen, dass sich die SVP möglichst blutig bei der Suche nach einem Nachfolger für Ueli Maurer zerlegt. Dafür hat sie sich hier aber – im Gegensatz zur hämischen SoZ – zu einem staatsmännischen Ton verstanden.

Im «Hintergrund» hilft uns Peer Teuwsen bei der Entscheidung, ob man das Werk «Blutbuch» lesen sollte oder nicht. Vielen Dank für die Erkenntnis: auf keinen Fall. Bestärkt, wenn überhaupt nötig, wird man zusätzlich durch den Ratschlag von Linus Schöpfer: «Bitte lesen Sie das Buch». Als Appetithäppchen serviert er eine kurze Szene, die angeblich auch noch «Heiterkeit» ausstrahlen soll.

Der Erzähler liege «neben seinem neusten Gspusi», und nun kommt der Ausbruch von Heiterkeit; wir zitieren das Zitat:

«Farid liegt da, er schwitzt aus den Augen. Ich stehe in unserer Asche. «Aber ich heisse doch Thilo», sagt Farid.»

Das soll Heiterkeit ausstrahlen? Das soll Literatur sein? Prätentiöse Kacke wie «ich stehe in unserer Asche», während man im Bett liegt? Aus den Augen schwitzen, statt weinen? Farid will Thilo heissen? Heiterkeit ob dieses Gestammels kommt höchstens ins Form eines hilflosen Gekichers auf, wieso dieser Schrott mit Preisen geehrt wird. Aber es musste ja so kommen, dass sich der Kulturbetrieb nach der Verleihung des Büchner-Preises an einen Unwürdigen zu steigern vermag.

Das kann auch die NZZaS, indem sie die für Lobhudeleien am untauglichen Objekt zuständige Rafaela Roth über die Initiatorin des «ersten Lehrstuhls für Gendermedizin» schwärmen lässt. Da schafft auch Aline Wanner mit ihrer Medienspalte, dass die Recherchierdauer im Fall überhaupt nicht per Definition für Qualität sorge. Es sollten im Gegenteil öfter «die Arbeiten jener gewürdigt werden, die in hoher Kadenz kurz und klar und schnell die Welt erklären». Also genau das tun, wogegen die NZZ und die NZZaS doch mit aller Kraft anzuschreiben versuchen.

Es kommt allerdings einem Mann zu, den Höhepunkt im Genre Bauchnabelbetrachtung zu setzen. Patrick Imhasly, Redaktor im vom Chefredaktor ausdrücklichgelobten Ressort Wissen, lässt den Leser am Schicksal seiner Familie teilhaben, die doch tatsächlich durch eine Corona-Infektion geschwächt wurde. Bedauerlicherweise zeigte der Nachwuchs kein grosses Interesse an solidarischer Mithilfe, bedauert Imhasly. Aber: «Dafür hat das heimtückische Virus meine Frau und mich noch mehr zusammengeschweisst.» Da wünschen wir eine weitere, lange Ehe, fragen uns aber, wieso ein Wissenschaftsredaktor von einem «heimtückischen Virus» faseln kann.

Dann eine weitere Doppelseite, auf der sozusagen das Schlechteste aller möglichen Welten zusammentrifft. Eine riesige Illustration voller unverständlich-raunender Symbolik. Und ein Text der «erfolgreichsten Krimiautorin der Schweiz», die schon andere Themen in der NZZaS vergeigt hat. Diesmal versucht sie einen Mord zu begreifen, der von seltener Abscheulichkeit ist. Welche Worte findet denn die Literatin? «Ein qualvoll langes Sterben, das sich niemand vorstellen kann, niemand vorstellen mag.»

In einem Pennäleraufsatz mag das vielleicht noch durchgehen, aber es gibt dann schon eine Tradition der Gerichtsberichterstattung, einen Gerhard Mauz, der ein Niveau vorlegte, das man nicht mutwillig so unterbieten darf. Mauz schrieb mit einer den Leser in den Bann ziehenden Anteilnahme, verstehend, nicht wertend, aber klar urteilend, von der Christine Brand etwa so weit entfernt ist wie Lukas Bärfuss von der Beherrschung der deutschen Sprache.

Dafür arbeitet sich die «Wirtschaft» an einem heiklen und interessanten Thema ab. Wieso sind die Exporte der Schweiz nach Russland, immerhin im Wert von rund 2,2 Milliarden Franken in diesem Jahr, nicht deutlich gesunken, nach den Sanktionen? Denn dieser Betrag entspricht ziemlich genau dem Vorjahr, dem Jahr vor dem Krieg.

Eine Bling-Bling-Uhr von dermassen ausgesuchter Geschmacklosigkeit versöhnt dann für einmal mit der Übergrösse des Fotos.

Und die Konkurrenz am Sonntag? Ach ja, welche Konkurrenz?

 

 

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