Denunziationsmaschine #metoo

Kevin Spacey nochmals freigesprochen.

Francis Underwood wäre das nicht passiert. Mit der Verkörperung dieser Figur in «House of Cards» hatte Spacey wohl die Rolle seines Lebens gefunden. Er hob die Darstellung eines skrupellosen, intelligenten, mit allen Wassern gewaschenen Machtpolitikers auf eine neue Ebene. Er spielte nicht Underwood, er war seine Figur. Er machte den Zuschauer zu seinem Komplizen, wenn er mit charismatischer Bösartigkeit direkt in die Kamera sprach und seine machiavellistischen Schachzüge erläuterte.

Das hätte noch gut und gerne eine Weile so weitergehen können, wenn ihm nicht #metoo passiert wäre. Die Protagonistin der Bewegung musste sich schnell einmal selbst Missbrauchsvorwürfen erwehren. Und natürlich brachte sie Schweinebacken wie Harvey Weinstein zur Strecke, der den unseligen Hollywood-Brauch der Castingcouch weiterhin gepflegt hatte.

Wobei hoffnungsfrohe Schauspielerinnen ihm unfreiwillig, aber auch freiwillig zu Willen waren, um ihre Karriere zu befördern. Schnell aber wurden die Vorwürfe immer absurder und reichten in die tiefste Vergangenheit zurück. So musste sich Dustin Hoffman für einen möglichen Vorfall entschuldigen, der sich 1985 zugetragen haben sollte.

Auch Kevin Spacey sah sich unter anderem damit konfrontiert, dass er 1986 einen damals 14-Jährigen unsittlich berührt haben sollte. Der hatte 2017, als #metoo auf ihrem Höhepunkt war, diesen Vorwurf erhoben. Bei einer Party in Manhatten in Spaceys Apartement sei der zu ihm ins Schlafzimmer gekommen, habe ihn wie eine Braut hochgehoben und sich schliesslich quer über ihn gelegt. Dafür wollte das vermeintliche Opfer 40 Millionen Dollar Schadenersatz.

Die Jury brauchte dann nicht einmal eine Stunde, um Spacey von diesem Vorwurf freizusprechen. Dazu beigetragen hatte die Ausführung seiner Anwältin, dass es für den geschilderten Tathergang eine nicht vorhandene Wand und eine ebensolche Türe gebraucht hätte, denn Spaceys damalige Wohnung war eine Loft ohne eigenes Schlafzimmer. Zudem habe der 14-Jährige damals an einem Theaterstück mitgewirkt, in dem genau so eine Szene gespielt wurde.

Damit sind in den USA alle Vorwürfe gegen Spacey erledigt. Allerdings warten in England noch weitere Prozesse auf ihn. Die Zwischenbilanz ist auf jeden Fall ernüchternd. Natürlich hat #metoo den Blick auf Übergriffe geschärft, die unter Ausnützung von Abhängigkeitsverhältnissen, der jugendlichen Unerfahrenheit oder mit Hilfe des Nimbus der Berühmtheit begangen wurden.

Natürlich gibt es in all diesen Fällen eine Grauzone, wo ein Nein nicht als nein gemeint ist und ein Ja nicht als ja. Die Grauzone, dass zwischen Erwachsenen im gegenseitigen Einverständnis so ziemlich alles stattfinden kann. Die Grauzone, dass im Nachhinein einer der beiden Beteiligten aus welchen Gründen auch immer zur Erkenntnis gelangt, dass seine Teilnahme doch nicht freiwillig und einverständig erfolgte.

Allerdings ist Spacey bis heute so unschuldig wie alle Leser von ZACKBUM, die keinen Eintrag im Strafregister haben. Nur ist seine Karriere zerstört worden, hat er die Rolle seines Lebens verloren, wurde sogar in der allgemeinen Hysterie aus einem schon abgedrehten Film herausgeschnitten, als sei er ein Aussätziger, dessen Anblick man keinem Kinogänger zumuten könnte.

Wie meistens bei ins Hysterische umschlagenden Bewegungen übernimmt natürlich der Mob keinerlei Verantwortung für die Zerstörung von Karrieren und Existenzen. Denn gerade Vorwürfe, die sich auf Ereignisse beziehen, für die es normalerweise nur zwei Zeugen gibt, gerade Vorwürfe, die sexuelle Übergriffe zum Thema haben, bleiben an allen Betroffenen kleben. Seien sie schuldig oder unschuldig.

Deshalb müssten sie eigentlich mit grossem Verantwortungsbewusstsein erhoben werden. Im Wissen darum, dass vor allem ein Prominenter damit häufig seine Karriere beenden muss. Das ist aber auch bei Nicht-Prominenten der Fall. Man stelle sich nur vor, wie oft schon ein Vorgesetzter (seltener auch eine Vorgesetzte) wegen eines unbedachten Worts oder sogar wegen eines erfundenen Vorfalls aus Amt und Würden gejagt wurde.

Denn noch verächtlicher als ein sexueller Übergriff ist seine Erfindung als Waffe.

3 Kommentare
  1. Ernst Bächler
    Ernst Bächler sagte:

    Na gut, wie too ist diese Spacey-Geschichte #meetoo? Daran findet sich viel karikierendes zu diesem #metoo. Klarer Fall von Trittbrettfahrerei. Zumal es noch nicht einmal in klassische Schema Junge-Frau=Unbefleckte-Unschuld-Alter-Mann=Grüsel-und-sowieso-alles-wüste. 1986 war Spacey 24, homosexuell und Schauspieler. So gar nicht konventioneller Hintergrund also. Dasselbe übrigens mit den jenseits überhöhten De Niro‘s und Balletttänzern wie Tupac! Die Schauspieler wollen immer so crazy sein, wie ihre härteste Figur. Deshalb gibt De Niro immer den knallharten Italo und Tupac den Typ aus dem Ghetto. Spacey aber, als F. U. war so viel mehr! Da ist jede Grenze verschwommen. Diese hässlichen Vorwürfe schärfen seine Rolle fast noch, im Nachhinein.
    Daran zeigt sich das eigentliche Problem von #metoo: Corporate Virtue Signaling. Seine Rollen waren grösser, gaben mehr her, wogen mehr Gewicht. Netflix ist das eigentliche Problem mit seiner opportunistischen Feigheit, Shows und Schauspieler zu canceln, ohne ein Gerichtsurteil abzuwarten, bis wohin ja eigentlich die Unschuldsvermutung gelten würde. Ohne zu viel hineininterpretieren zu wollen: Zum Teil zu unrechte Vorverurteilung ist das Kernproblem mit „#metoo“

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