Mitleiderregend

Schon blöd, wenn einfach nix los ist.

Früher, ja früher, profitierten die Sonntagszeitungen davon, dass es am Samstagabend sehr schwierig ist, einen Richter zu finden, der eine superprovisorische Verfügung ausstellt. Das bedeutet, dass man am Samstag den Betroffenen mit knackigen Vorwürfen konfrontieren konnte, der dann aufheulte und vergeblich zum Kadi rannte, worauf man am Sonntag eine fette Schlagzeile hatte.

Aber diese Zeiten sind im skelettierten Sparjournalismus vorbei, heutzutage muss man zusammenkratzen, was in der Pfanne liegt, und sei es das hier:

Der Donnerschlag am Sonntag; 40 Prozent der Teilnehmer an einer Umfrage sind für einen Bundesrat Rösti. Wer hätte das gedacht. Niemand. Deshalb folgen dann auch noch insgesamt 7 Seiten über die Nachfolge von Bundesrat Maurer. Wer danach noch nicht das Blatt ermattet zu Boden sinken lässt und sich einem süssen Sonntagsschlummer hingibt, kriegt noch diese Schlafpille nachgereicht:

Nein, das ist keine Realsatire, das ist satirische Realität.

Zwischendurch, das sei der Gerechtigkeit halber vermerkt, siracht Frank A. Meyer gegen die feministischen Befürworter der Burka. Soweit aufrecht, aber nix Neues. Danach gibt der SoBli allerdings weiterhin sein Bestes, die letzten Leser in Tiefschlaf zu versetzen, indem er eine Frage (nicht) beantwortet, die sicherlich allen unter den Nägeln brennt:

Das ist keine Satire, oder sagten wir das schon. Schliesslich noch ein Betrag zum Thema «was macht eigentlich». So gesehen, wäre ein Interview mit dem längst verglühten und mit Schimpf und Schande aus dem Amt geschiedenen österreichischen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Schmonzette wert. Aber ein ernsthaftes Interview zu aktuellen Fragen?

Und was weiss der Frührentner denn so?

Dafür lohnt es sich natürlich drei Seiten auf ein Interview zu verschwenden. Denn der Mann plaudert doch auch noch ungeniert Privates und Intimes aus:

Ganz der charmante Österreicher, statt zu sagen: was ist denn das für eine beknackte Frage.

Aber nicht nur mit Buchstaben, auch mit Bildern setzt der SoBli hier neue Massstäbe:

Dieses Foto soll drei Dinge beweisen. Erstens, der Redaktor (rechts) war tatsächlich im gleichen Raum wie Kurz. Zweitens, sie können gekonnt gemeinsam in die Kamera lächeln. Und drittens, ganz wichtig: sie tun zumindest so, als könnten sie ein Buch lesen (das zufällig der Herr links hat ghostwriten lassen).

Aber, sozusagen als Schlusspunkt will der SoBli den Leser wieder wachrütteln, mit einer unterirdisch geschmacklosen Karikatur:

Die nächste «SonntagsZeitung» kann man schon nach diesem Cover ermattet aus der Hand sinken lassen:

Es wäre wenigstens ehrlich gewesen, wenn die SoZ stattdessen getitelt hätte: es ist nix los, und uns ist auch nix eingefallen.

Uns ist wirklich nix, einfach nix eingefallen:

Uns ist nix eingefallen, oder sagten wir das schon?

Die SoZ deckt auf und enthüllt: eine Trennung der Eltern hat nicht unbedingt positive Auswirkungen auf die gemeinsamen Kinder. Wahnsinn.

So schleppt sich das Blatt dahin, und als letzten rettenden Strohhalm (aus Plastik) greift es dann noch in den Fundus der «Süddeutschen Zeitung», die sich eines Themas widmet, das die Deutschen sehr, die Schweizer eher am Rande umtreibt:

Aber selbst dem SZ-Autor fällt dazu so wenig ein, dass Bild und Titel samt Lead genauso viel Platz einnehmen wie der Text.

Dass der einstmals journalistische Leistungen enthaltende «Fokus» wieder und wieder mit einem Interview aufmacht, dem journalistischen Kleingeld, wen wundert’s noch.

Blätter, gähn, Blätter, gähn, Blätter, schnarch. Nur einmal schreckt der Leser kurz auf, erschüttert ob so viel Bescheuertheit:

Riesen-Symbol-Bild, darunter ein Durchhaltetext wie aus einem Weltkrieg. Aber auch das hätte die Kapazitäten der kälteresistenten SoZ-Redaktion überfordert, also kaufte sie den Artikel lieber bei einer Freelancerin ein.

Nein, nach diesem Parforce-Ritt gegen Schlafattacken hatten wir nicht mehr den Nerv, auch noch die NZZaS durchzublättern. In dieser Meinung bestärkte uns das Titelblatt:

Wirklich wahr, das Blatt für die gehobenen Stände und den anspruchsvollen Leser kümmert sich um die Barbie-Welt? Seitenfüllend? Als Gruss an die schwule Leserschaft?

Aber oben links gibt es eine Nachricht, bei der sich der Leser spontan fragt: nur beim Maulwurf?

1 Antwort
  1. Oskar
    Oskar sagte:

    Dabei gäbe es so viele interessante Geschichten, bei denen sich eine vertiefte Recherche wirklich lohnen würde. Leider gehören die meisten davon in die Abteilung Giftschrank und die Journalisten müssen erst an ihre Hypotheken, Alimente und Karriere denken.

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