Die WeWo treppab ins Absurde

Wenn das Dagegen krampfhaft wird.

Es sind einzelne Sätze, die mehr entlarven als ganze Abhandlungen über geistige Befindlichkeiten. So schreibt ein Redaktor von «Tichys Einblick», wo man auch in seiner Gesinnungsblase gefangen ist, in der aktuellen «Weltwoche»:

«Berlusconi war damit der letzte demokratisch legitimierte Ministerpräsident.»

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Alle seine Nachfolger, inklusive Mario Draghi, waren also laut diesem Irrwisch von Autor Usurpatoren, durch einen Staatsstreich, durch krumme Touren an die Macht gekommen. Wie verbohrt muss man sein, wenn man die Absurdität einer solchen Behauptung nicht selber bemerkt? Wie betriebsblind muss man sein, wenn man die Unsinnigkeit dieser entlarvenden Bemerkung nicht beim Redigieren sieht – und sie entfernt?

Roger Köppel, im leichten Cäsarenwahn, schreibt eine Rede, die Bundespräsident Ignazio Cassis vor der UNO hätte halten sollen. Von der Perspektive des Rednerpults im Vollversammlungssaal lässt sich der Besitzer, Verleger, Herausgeber, Chefredaktor und SVP-Nationalrat hinwegtragen. Ginge es nach Köppel, hätte sich Cassis mit Sätzen wie diesem lächerlich gemacht: «Wenn alle Staaten auf dieser Welt neutral wären wie die Schweiz, gäbe es keine Kriege mehr.» Diese Sottise müsste eigentlich von Nena99 Luftballons») oder von NicoleEin bisschen Frieden») gesungen werden.

Dass Marco Gallina seinen Artikel mit dem Brüller betitelt «Italien ist der Fels im instabilen Europa», dass er prognostiziert, dass «eine realistische Möglichkeit besteht, dass diese Regierung eine ganze Legislaturperiode lang existiert», das kann nur bedeuten, dass Italien wohl einen Rettungsschirm benötigt und diese Regierung vielleicht nicht einmal die ersten 100 Tage überlebt. Denn so ist das meistens bei Behauptungen und Ankündigungen der WeWo.

Italien als Fels? Turmhohe Staatsschulden, turmhohe Target-2-Schulden, Graben zwischen Norden und Süden, Mafia, Korruption und magere Wirtschaftsleistung – was für ein bröckelnder Fels. Der nur nicht untergeht, was die Wahlsiegerin genau weiss, weil sie nochmals turmhohe Schulden auf die existierenden schaufeln wird. Nach der erpresserischen Devise, der sich auch Orbán verschrieben hat: Ihr könnt es euch gar nicht leisten, dass wir untergehen.

So viel zu einer realistischen Beschreibung Italiens und seiner neuen Regierung. In bester Tradition der WeWo. Man denke dabei nur an die sauber aus der Krise gekommene UBS, an liebedienerische Interviews mit dem Versagerrat Rohner von der CS, an Putin, den Missverstandenen.

Dann bezeichnet Autor Pierre Heumann den Friedensnobelpreisträger, Intriganten, Machtmenschen und mutmasslichen Kriegsverbrecher Henry Kissinger als «Zauberkünstler der Diplomatie». In Wirklichkeit ist er ein Zauberkünstler, der alle zahlreichen schwarzen und roten Flecke auf seiner Weste ignoriert. Der Putsch in Chile, die Verlängerung des Vietnamkriegs (sein vietnamesischer Kollege verweigerte aus Protest gegen ihn die Annahme seines Nobelpreises), der Journalist Christopher Hitchens halt mit aller Kraft – aber leider vergeblich – versucht, dass man Kissinger vor ein Tribunal stellt. Indem er ihm unzählige Untaten nachwies, die nicht nur den Politikwissenschaftler Alfred Grosser dazu brachten, Kissinger als Kriegsverbrecher zu bezeichnen.

Kissinger tat das einzig Clevere: er reagierte einfach nicht auf die zahlreichen Anschuldigungen, strengte keinen Ehrverletzungsprozess an. Sass es einfach aus.

Sodann fantasiert der Flugmeilenweltmeister, ewige Wahlbeobachter und früherer GSoA-Aktivist (man wollte ernsthaft die Schweizer Armee abschaffen) Andreas Gross davon, dass man einen neuen Krimkrieg vermeiden könne, indem man in «einem sorgfältig ausgestalteten Referendumszyklus» die Bürger der Krim selbst entscheiden lassen sollte, zu wem sie gehören wollen. Schon wieder eine Chance für Nena oder Nicole, in die Harfe zu greifen.

Dann darf der real existierende Verschwörungstheoretiker Oliver StoneJFK») seine Erlebnisse mit Wladimir Putin zum Besten geben. Allerdings ist der Text von Urs Gehriger, der bekanntlich schon mit Leuten gesprochen hat, mit denen er gar nicht gesprochen hat.

Schliesslich gibt Christoph Mörgeli den philosophischen Überflieger und lobhudelt «sechs Helden der Neutralität». Darunter zählt er Niklaus von Flüe, Huldrych Zwingli, Carl Spitteler – und Christoph Blocher. Amen.

«Wenn das Gehirn überhitzt». Dieser Titel ist vielversprechend, darunter steht aber kein Text über die WeWo-Redaktion, sondern über Migräne. Dann behauptet ein ansonsten verhaltensunauffälliger Republikaner in seinem Blog «Stockman’s Contra Corner»: «Eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges wäre jederzeit möglich gewesen. Stattdessen riskieren die USA die Weltkatastrophe.» Interessant, und wir Dummys dachten, dass Russland unter Bruch aller internationalen Verträge in die Ukraine einmarschiert sei und nun mit Atomschlägen droht.

Dann sind wir aber wieder beruhigt, wer wohl den Kontakt zur Realität weitgehend verloren hat, wenn wir von Stockmann solche Sätze lesen, zur schnellen Rückeroberung ukrainischer Gebiete durch Regierungstruppen: «Das betreffende Gebiet war nämlich grösstenteils von den nur leicht ausgebildeten freiwilligen Kämpfern der Republik Luhansk besetzt und verteidigt worden, nicht von den geschulten Profis der russischen Streitkräfte.» Geschulte Profis der russischen Streitkräfte? Der Mann will wohl, dass sich deren Gegner totlachen.

Damit wollen wir den Mantel des Schweigens über den Restinhalt breiten.

 

8 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Fakt ist doch tatsächlich, dass Draghi, Menzi etc., welche sich nach Berlusconi alle am Premierminister Amt in Italien versucht hatten, vom Präsidenten etwa so «demokratisch» legitimiert worden waren wie die Pfuschi von der EU. In Italien läuft’s halt ein wenig anders. Repräsentative Demokratien sind in den Augen vieler liberaler keine wirklichen Demokratien sondern eher Technokratien. Dafür und dagegen gibt es Argemente. Damit will ich nicht behaupten, dass unsere Demokratie in der CH besser wäre und gut funktioniert. Sie tut gerade mal so, als ob sie noch Susbstanz hätte, aber unsere Politiker und Magistraten arbeiten erfolgreich täglich mit ganzer Kraft am Demokratieabbau. Und die Wähler applaudieren mit Ignoranz.

    Für einen Streit braucht es immer mindestens zwei. Um einen Streit zu schlichten, muss entweder einer sterben oder beide sich verstehen. Unsere MSM und die meisten Politiker predigen für das heldenhafte Sterben in der Ukraine, um den anderen, den bösen und schlechten, den dämonischen Russen vom Schreibtisch aus eins «reinzuwürgen». Dafür werden die seraphischen Ukrainer von den selben in den Himmel gelobt resp. von den Russen dorthin gebombt.

    Solche künstlichen medialen Gegensätze nehmen kein Ende, solange wir nach wie vor an die Allgemeingültigkeit der EIGENEN «überlegenen» Moral und die Allgemeingültigkeit der EIGENEN «besseren» Werte glauben. Auch Moral ist pluralistisch, das haben sogar die katholischen Kirchenväter auf die harte Tour lernen müssen.

    Wenn echter gelebter Pluralismus nicht wieder breiter gesellschaftlicher Konsens wird, enden wir fürher oder später wieder im Kommunismus. Einheitliche doktrinierte Moral und Werte gibt es genau nur in einem einzigen System: im Kommunismus.

    Darum ist das Verstehen beider Seiten in einem Streit Pflicht für die offizielle Schweiz. Das geht nur durch Wahrung von Neutralität. Dieser Zug ist für uns im Ukrainekrieg leider abgefahren wie auch im Syrienkrieg, im Irakkrieg, im Lybienkrieg. Seit Jahren fahren wir nibelungentreu mit dem «Wertewesten» gegen die Wand. Seit 2014 wird die Fahrt immer rasanter. Es sollte daher nur allzu verständlich sein, dass die Gegener der «kollaborativen» Neutralität den legendären Begründern und Vorkämpfern der «immer währenden und bewaffneten» Neutralität wieder Raum geben wollen.

    Über Stil und Inhalt lässt es sich immer trefflich streiten, das ist der Sand den ZACKBUM ins Getriebe streut. Weiter so.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Einmal mehr hat sich die WeWo vom anspruchsvollen Journalismus verabschiedet. Köppel muss nehmen was er bekommt, sein Rumpfteam müht sich tapfer, auch im Boulevard. Häfliger liefert 2 Seiten ZFF, 12 Fotos der Cervelat Prominenz von Zürich. Alles schöne Bilder, Ausnahme Bild mit Mauch und Cassis. Da kam wieder der tumbe Hass auf Zürichs Linke zum Vorschein. Das wahrscheinlich schlechteste Bild mit Mauch wurde gewählt. Für die einfach gestrickte Redaktion war das wahrscheinlich der Schenkelklopfer!

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    • Oskar
      Oskar sagte:

      Glücklicherweise haben wir noch die Ausgewogenheit von Ringier, Tagesanzeiger und dem Staatssender. Da gibt es noch echte Nachrichten, Berichterstattung und Recherche ohne Propaganda und Meinungsmache. Toll.

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      • Victor Brunner
        Victor Brunner sagte:

        War doch eher ironisch gemeint? Ausgewogenheit bei SRG konnte man gestern sehen als Frau Beldner, SRG Mitarbeiterin, bei Gredig Direkt jammern durfte. Strahlemann Gredig hat auf kritisches Nachfragen verzichtet, er wollte seiner Kollegin nicht zu nahe treten. Wappler TV mutiert zu einem Inzuchtunternehmen auf Kosten ZwangsgebührenzahlerInnen.

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    • Oskar
      Oskar sagte:

      Dass man sich über Leute lustig macht, die sich für friedliche Koexistenz einsetzen, ist wohl auf das gleichgeschaltete Kriegsgetrommel auf allen Kanälen zurückzuführen. Sich aber selber auf dem Silbertablett als Groupie von Corporate Media zu präsentieren, hätten Sie sich verkneifen können.

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      • Mario Sacco
        Mario Sacco sagte:

        Was sie unter „friedliche Koexistenz“ verstehen, kennen wir doch zu genüge.

        Der oberste Kriegstrommler sitzt immer noch im Kreml; jetzt gar noch in der Funktion als General.

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        • Oskar
          Oskar sagte:

          Und jetzt? Wollen Sie den totalen Krieg? Wenn wir so weitermachen, schlafwandeln mit der moralischen Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, in die Apokalypse. Unsere Politiker haben allesamt den Verstand verloren! Die scheinen keine Ahnung zu haben, was sie da gerade anrichten.

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