Stromereien und Zockereien

ZACKBUM legt sich mit seinen Lesern an. Sollte man nicht tun.

Tun wir aber. Denn wir empfinden uns hier doch noch als Erziehungsanstalt und der Aufklärung verpflichtet. Schliesslich unterscheiden wir uns auch von Organen wie die «Republik» oder Tamedia, die nur im Rahmen des von ihrer Gesinnungsblase Erlaubten die Wirklichkeit zurechthübschen und niederschreiben.

Richtig geraten, es geht nochmals um die Axpo. Nach vertiefter Beschäftigung und mithilfe der NZZ haben wir bereits eingeräumt, dass wir uns in der ersten Analyse getäuscht haben. Die Firma hat schlichtweg ein Liquiditätsproblem, das durch die Besonderheiten des Strommarkts verursacht wurde. Oder einfach gesagt: wer vor einem Jahr prognostiziert hätte, dass der Strompreis von 60 Franken die MWh auf über 1000 explodiert, wäre mit Elektroschocks behandelt worden.

Das wurde soweit verstanden, aber im Chor wird weiterhin der Vorwurf erhoben: «Wer fremden Strom zu angenommenen Preisen auf Termin kauft oder verkauft, ist ein Spekulant. Die Axpo hat mehr Energie gehandelt, als sie selber erzeugt, also ist das Spekulation.»

Das ist richtig, und das ist auch gut so. Fangen wir von hinten an, beim privaten Stromkonsumenten. Der ist nämlich auch ein Spekulant. Warum? Ganz einfach, er schliesst einen Terminkontrakt ab. Macht also genau das, was der Axpo vorgeworfen wird. Der Terminkontrakt besteht darin, dass sein Stromlieferant sich verpflichtet, bis weit in die Zukunft hinein Strom zu einem heute fixierten Preis zu liefern. Wobei nicht einmal die Menge bekannt ist. Spart der Konsument wie wild oder lässt er fünf Elktroöfeli laufen? Das weiss der Stromlieferant alles nicht; er weiss nur, dass er ohne Pleite zu gehen eine unbekannte Menge Strom zu einem fixierten Preis zu liefern hat. Ob auf dem Strommarkt die Preise noch weiter durch die Decke gehen oder nicht.

Nun könnte man einwenden, dass die Axpo dann halt um des Stromes willen Terminkontrakte handeln darf, die ausreichen, um ihren eigenen geschätzten Strombedarf zu decken. Aber handelt sie mit grösseren Volumen, dann sei das eben Spekulation, Zockerei, pfuibäh.

Stellen wir dagegen ein konkretes Beispiel:

Nehmen wir an, die Axpo hat auf Termin 1 Jahr 1 GWh Strom verkauft für Euro 200.- die MWh und nach 3 Monaten sieht sie, dass sie ½ GWh auf denselben Termin kaufen kann zu Euro 150.- die MWh, umgekehrt für einen Termin ein paar Tage später Euro 250.- bekommt die MWh; warum soll sie dann nicht ½ GWh billig zurückkaufen und für einen ähnlichen (ein paar Tage längeren Termin) ½ GWh wesentlich teurer verkaufen? Man müsste den VR entlassen, wenn er solche Gelegenheiten nicht wahrnehmen würde. Es ist so, dass bei der Axpo ein Tradingroom besteht, wo den ganzen lieben Tag gehandelt wird und Arbitragemöglichkeiten wann immer möglich wahrgenommen werden.

CEO Brand hat nun ein kitzliges Kommunikationsproblem. Gesteht er ein, dass die Axpo mit dem Trading hübsche Gewinne macht, versteht niemand, wieso dann die nächste Stromrechnung um 30 Prozent aufschlägt. Dieser geldgierige Wegelagerer. Müsste er einräumen, dass es im Trading Verluste gegeben habe, wäre er ein Versager und sollte entlassen werden.

Wie er’s auch macht, er kriegt von meinungsstarken, aber wissensschwachen Populisten eine rein. Termingeschäft, Spekulation, Zocker, Schweinerei. So geht die Mär.

Der Kurzschluss fängt schon bei dem beliebten Vorurteil an, dass Spekulation als solche des Teufels sei. Geldgierige Spekulanten manipulieren die Preise, treiben sie hoch und runter, je nachdem, wie sie zocken. Eine verdammte Sauerei, eine bodenlose Sauerei, wenn es dabei sogar um Nahrungsmittel oder eben um Bestandteile der Grundversorgung wie Strom geht. Denen muss man das Handwerk legen. Noch schlimmer, wenn sie dann auch noch mit dem Geld des Steuerzahlers gerettet werden müssen, wenn sie sich verzockt haben.

Der zweite Teil trifft schonmal, da sind sich wohl alle einig, auf die Axpo nicht zu. Die hat sich nicht verzockt, sondern macht hübsche Gewinne mit dem Trading. Welche die Besitzer, also die Kantone, gerne einstecken. Aber die Axpo hat ein mögliches Liquiditätsproblem, weil im Strommarkt abgeschlossene Terminkontrakte mit Sicherheiten unterlegt werden müssen, wenn der Preis steigt. Trivial.

Nun ist es so, dass ein Terminkontrakt keinesfalls des Teufels ist, sondern Handlungssicherheit schafft. So wie der Stromkonsument ein Jahr im Voraus weiss, welchen Preis er für eine MWh bezahlen wird, weiss zum Beispiel ein Bauer bereits ein halbes Jahr vorher, welchen Preis er für seine Ernte erzielen wird. Mit dieser Garantie kann er beispielsweisse Düngemittel kaufen. Ist der Preis für eine Tonne Reis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Terminkontrakts höher als bei Abschluss, hat der Bauer allerdings etwas Pech gehabt.

Liegt der Preis aber niedriger, geht das auf Kosten des sogenannten Spekulanten. Denn er muss den höheren, vereinbarten Preis bezahlen. Natürlich ist das von beiden Seiten Spekulation. Und das ist gut so. Hilfreich. Sinnvoll.

Vielleicht hilft auch der Hinweis auf eine banale Tatsache: alle Spekulationen sind Wetten. Wetten auf eine zukünftige Entwicklung. Und Wetten brauchen immer mindestens zwei Beteiligte. Denn man kann ja schlecht gegen sich selbst wetten. Also gibt es immer Gewinner. Genau wie Verlierer. Wobei der Gewinn von den Verlusten bezahlt wird.

Und damit allenfalls der Leser richtig aufschäumt: Es hat viele Versuche gegeben, den Einfluss von Spekulationen, Termingeschäften, vom Handel mit Derivaten ganz allgemein auf die Preisbildung von Produkten, natürlich in erster Linie Rohstoffe, nachzuweisen. Denn das Bild vom hemmungslosen, geldgierigen Spekulanten, der für den eigenen Profit Grundnahrungsmittel unerschwinglich macht, wodurch in der Dritten Welt Hungersnöte ausbrechen, ist zu verführerisch, als dass man es nicht ständig bedienen würde.

Kleines Problem: dieser Nachweis ist nicht gelungen. Im Gegenteil, auch die Analyse grösster Datenbanken hat immer wieder ergeben, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Spekulationsmustern und der Preisentwicklung gibt.

Das ist natürlich blöd, weil es einem allgemein anerkannten Feindbild etwas die Farbe nimmt. Aber die Realität ist halt immer viel bunter, wenn man sie wirklichkeitsnah zu analysieren versucht – statt sie mit der ideologischen Brille zu betrachten. Die gibt zwar Halt in haltlosen Zeiten. Behindert aber Erkenntnisgewinn ungemein.

11 Kommentare
  1. Oskar
    Oskar sagte:

    Da der Strompreis, den der Konsument zu berappen hat, kaum je unter die Produktionskosten der Axpo fällt, sind die Verkäufe auf Termin ein Versuch, den Gewinn, bzw. die Boni der Manager, zu «optimieren». Sie verkaufen den Strom ja nicht ein paar Tage im Voraus, sondern Monate oder sogar Jahre! Jetzt ist die Chose halt aus dem Ruder gelaufen und nicht einmal die hochbezahlten Verwaltungsräte der Axpo scheinen irgend eine Ahnung zu haben, was ihre Masters of the Universe da eigentlich abziehen.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Korrekter Titel wäre: «Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren». Das neue Geschäftsmodell von Unternehmen und Privaten, zocken bis das Wasser zum Halse steht und dann den Staat bemühen. Die Zahlen im Artikel sind korrekt, wurden auch schon von AXPO ausführlich erklärt. Nur warum konnte es soweit kommen?
    Versagt haben die Stakeholder:

    https://www.axpo.com/ch/de/ueber-uns/portraet/konzernleitung-und-verwaltungsrat.html,

    sie haben die Aufsichtspflicht «privatisiert» und sich nur noch auf die jährlichen Dividenden gefreut.
    Der VR der nur noch mit wenigen Profis aus der Strombranche besetzt ist. Man schaue einmal deren Kompetenzen an.
    Der CEO, seit 2020 im Amt und fürstlich entlöhnt, 2021 1,45 Mio Entlöhnung Als Quereinsteiger von TAmedia hatte er nicht die notwendige Kompetenz um die Strategie zu hinterfragen, also business as usual.

    Seit Jahren ist bekannt dass eine Stromknappheit möglich ist, dass die Preise steigen und nicht sinken. Jede/r verantwortungsbewusste UnternehmerIn würde da Vorsorge treffen und Risikos massiv minimieren. Schliesslich tragen sie Verantwortung, während bei AXPO bei einem Desater niemand wirklich Verantwortung übernehmen würde. AXPO hat die Risiken trotzderm aufgebaut und im Stromcasino weiter gezockt.

    Warum diese Schönfärberei und Erklärungsversuche in Zackbum ist mir unerklärlich. Meine Bitte: Schuster bleib bei deinen Leisten

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  3. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Spekulation per se ist wirklich nicht das Übel, aber übel ist, wenn die Steuerzahler wiedereinmal einspringen müssen. Wenn wir «Normalos» spekulieren, dann tragen wir das Risiko. Gewinn, super! Verlust… oje, shit happens. In der Regel tragen wir das Risiko alleine. Nur unter dieser Vorausetzung ist Spekulation OK. Im Fall Axpo wurde mit fremdem Geld spekuliert und man hat sich dabei verspekuliert. Kann passieren. Strompreise steigen, kann auch passieren. Termingeschäft vergeigt? So what.

    Der Staat hilft, mit Miliarden den Spekulationsverlust zu deckeln. Wo ist der Gegenwert für die Steuerzahler? Werden die Strompreise dadurch gedeckelt? Werden die fehlerhaften Spekualtionsprozesse überarbeitet? Wird dadurch die Energiesicherheit gewährleistet? Kriegen wir dafür eine neues Kraftwerk?

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      • Guido Kirschke
        Guido Kirschke sagte:

        Das wäre eine Möglichkeit. Ich denke aber das greift zu kurz. Wieso wird mehr Geld in spekulative Geschäfte gesteckt, statt in neue Kraftwerke? Klar, Standorte zu finden ist mühsam. Wieso auch, die Gewinne aus eigenem Strom sind lange nicht so lukrativ wie ein «Schnäppchen» an der Strombörse. Und der Politik klar zu machen, dass sie in Sachen Energiesicherheit handeln muss, ist auch nicht jedermanns Sache. Da könnten andere VR/GL Leute evtl. mehr erreichen.

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        • Rolf Karrer
          Rolf Karrer sagte:

          Gibt es fähige Verwaltungsräte wie Sand am Meer? Oft wird es weit herum als lukratives Ehrenamt verstanden. Beim Grounding der Swissair zeigte sich etwa, dass kein Verwaltungsrat eine Ahnung des Fluggeschäft hatte.

          Das Renommee der HSG-Schönwetter-Kaderschmiede liegt auch auf dem Prüfstand.

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  4. René Küng
    René Küng sagte:

    und weil (nicht nur) die meisten ukrainischen Mädchen es weder aus a) Neugierde b) Spass gemacht haben, hier meine Version, wieso wir bei der Agenda mitmachen:
    zuerst wegen der Angst, es könnte ja
    dann wegen der Feigheit, es würde mir
    zuletzt in Wut&Panik, wenn es zu spät ist

    Der Herr Kostolany hat sich sein bom-non wohl ausgedacht, nach dem Vögeln in Paris, um sich seine Welt damals schön zu malen.

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  5. René Küng
    René Küng sagte:

    Aufschäumen?
    Wegen eines langen (in sich vielleicht schlüssigen und interessanten) Denkprozesses in fast-republikanischer Länge? Fesseln wir uns nicht selber in Details, abgelenkt von 10 x höheren Strompreisen, die tatsächlich niemand vor einem Jahr voraussagen konnte.
    Aber werden wir Strom in einem Jahr nach in EURO oder Fränggli bezahlen und wieviel kostet dann ein Weggli?
    Zuerst Milliarden verlocht für eine verleumdete Grippe, dann Milliarden für verlogene Spritzen, dann Milliarden für den provozierten Krieg um ‹Demokratie&Freiheit›. In einem (‹befreiten›) Land, das vom freien Westen in den letzten 30 Jahren Schritt um Schritt zu einem Korrupt-oder-Hunger Land pervertiert wurde.
    Dann die ‹kein Gas von Russland›-Politik, aber teures russisches Gas über China (ha ha ha, die lachen sich krumm über Europa) oder teure fracking-Fürze vom Beschützer aus dem Westen (lachen die auch?), wie viel braucht es noch, um das grössere Bild zu sehen und beschreiben?

    Die Agenda läuft, die Währungszerstörung (via Inflation) ist geplant, der Mittelstand überflüssig, der Ausnahmezustand vor der Haustür (und die Armeen, die offiziellen und die ‹kommerziellen› Schlägertrupps, vorbereitet), weil die zerschlissene Gesellschaft kratzbürstig wird (und bös denunziant, alles schon geübt letzten Winter) – weil alle die, die vor dieser Verschwörung warnen als ‹Verschwörer› gebrandmarkt werden.

    Wir lassen uns weiter ablenken, vorführen, gaga machen, weil das Offensichtliche so abartig ist, dass es nur eine Minderheit sehen und benennen will.
    Übersterblichkeit, Geburtenrückgang, provozierter & befeuerter Krieg, absichtliches Vollgas in Hyperinflation rein, noch mehr Lügen & Propaganda in den Medien, noch ein paar Spritzen.

    Nützt alles nichts, one way ticket…….
    wer nicht sehen will, muss fühlen.

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  6. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Zusammengefasst: die Axpo will ihren Gewinn mit dem Trading von fremdem Strom aufbessern.
    Würde sie selbst genügend Strom herstellen wäre ein Stromimport hinfällig und das Trading würde auf den Stromverkauf reduziert.
    Was ist seit 2017 passiert? Irgendwas von neuen Projekten bekannt? Ausser der von Politikern dauernd verkündeten Leier von «Solaroffensiven» etc: nix, nada, null. Mühleberg (gehört nicht der Axpo) wurde definitiv abgestellt.
    Natürlich weiss auch die Axpo, dass die deutsche Energiewende auf billigem russischem Gas aufgebaut ist. Die nennen das «Übergangsenergie». Zur Mittagszeit, wenn’s windet, wird der Strom verschenkt, bei Dunkelflaute mit Gas produziert. Aus AKW und Kohle will man ja aussteigen, Gross-Speicher gibt’s keine, da nicht subventioniert.
    Alle diese Parameter sind schon längstens bekannt, trotzdem ist die Axpo reingelaufen.

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