Konzernjournalist Tobler

Der Prototyp des Niedergangs des Qualitätsjournalismus.

Wer im sich zu Tode sparenden Journalismus überleben will, muss flexibel sein. Sehr flexibel. In alle Richtungen dehnbar, verwandelbar, immer zur Stelle, wenn es gilt, eine Meinung abzusondern. Die eigene? I wo.

Andreas Tobler ist der Mann für alle Fälle bei Tamedia. Einen unliebsamen Konkurrenten niedermachen? Tobler begeht sogar Rufmord am Rufmord.  Es geht gegen den Chefredaktor der NZZaS? Auf ihn. Es geht gegen die neue Radiostation «Kontrafunk»? Hau drauf. Faktenbefreit und meinungsstark.

Es geht drum, einen Kritiker des Schweizer Staatsfernsehens niederzumachen? Tobler liefert die Schmiere dafür. Verständnis für den Genderwahn und für Frauen im Allgemeinen heucheln? Tobler ist zur Stelle.

Schon ganze 32 Mal musste sich ZACKBUM mit dieser Zierde seines Berufs befassen. Jedes Mal dachten wir: eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Jedes Mal zeigt uns Tobler: doch. Tamedia hilft dabei. Denn offenbar stockt der Nachschub mit Secondhand-Artikeln aus München. Was  tut da ein Qualitätsmedium, um dem Konsumenten den Kauf schmackhaft zu machen? Es rezykliert ausgewählte Artikel und präsentiert die auf seiner Homepage, als wären sie gerade aus dem Ei geschlüpft.

Vielleicht ein Test des Kurzzeitgedächtnisses des Lesers. Oder man will die Reaktion provozieren: über diesen Unsinn habe ich mich doch schon mal geärgert. Das trifft eigentlich auf jeden Artikel der Literaturchefin Nora Zukker zu. Ganz trübe wird’s bei der regelmässig, wenn Alkohol im Spiel ist:

Das beschwipste Interview ist vom 11. Juni, aber es prangt stolz wieder auf der aktuellen Homepage des «Tages-Anzeiger». Vielleicht soll das ZACKBUM provozieren, aber wir bleiben nüchtern.

In diesem Ringelreihen «empfiehlt» die Redaktion aktuell besonders auch diesen Artikel:

Diese «exklusive Recherche» gerann zu einem Buch von Andreas Tobler. Darüber durfte er selbst ganz exklusiv am 24. April 2022 auf zwei Seiten in der «SonntagsZeitung» berichten. Tobler erzählt hier die Geschichte der WG in der Bändlistrasse in Zürich nach. Dafür blendet er zum April 1972 zurück. Es waren wilde Zeiten damals. 1968 waren die Studenten in Europa und in den USA auf die Strasse gegangen und wollten alles ändern. Das System, den Kapitalismus, die Welt. Hatte nicht ganz geklappt.

Danach splitterte sich die Bewegung auf. Die einen traten den Marsch durch die Institutionen an, die anderen gaben auf und verschwanden in Landkommunen, im Drogenrausch oder setzten sich zu Füssen eines Gurus. Wieder andere kamen zur Überzeugung, dass das herrschende Schweinesystem nur mit Gewalt geändert werden könnte. Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Personen. Gegen die Charaktermasken des Kapitals.

Da sprang im April ’72 ein junger Mann im LSD-Rausch durch die Scheibe der WG in der Bändlistrasse und landete schwer verletzt auf der Strasse. Die Polizei durchsuchte, fand Waffen, Sprengstoff, die kindische Inschrift RAF an der Wand. Das stand für «Rote Armee Fraktion», eine Gruppe von Linksterroristen in Deutschland. Ihre militanten Mitglieder um Andreas Baader, Gudrun Enslin und der ehemaligen «konkret»-Kolumnistin Ulrike Meinhof hatten gerade ihr erstes Autobombenattentat verübt. Später sollten sie mehrere deutsche Wirtschaftsführer ermorden, berühmt wurde die Entführung und Hinrichtung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer.

Es gab damals enge Kontakte zwischen der Bändlistrasse und der RAF. Es gab enge Kontakte zwischen Schweizer Linksradikalen und Linksterroristen in Deutschland und in Italien, insbesondere zu den Brigate Rosse, den Roten Brigaden.

Tobler hatte einen Überlebenden und Zeitzeugen aufgetrieben, der ihm offen Auskunft über die damaligen Zeiten gab. Dazu stellt Tobler die üblichen Geschichten von André Chanson und Co. Im Mai gab es dann eine Buchvernissage, moderiert vom Westentaschen-Co-Chefredaktor Mario Stäuble vom «Tages-Anzeiger».

Dabei wäre ein ehemaliger Chefredaktor des Tagi viel geeigneter gewesen, über dieses Thema zu diskutieren. Er hätte viel aus eigenem Erleben beisteuern können. Das hätte sich auch prima bebildern lassen. Denn vom Augenzeugen des damaligen Fenstersprungs veröffentlichte Tobler das Polizeifoto:

Nun hätte man Res Strehle genau gleich für den Anlass porträtieren können:

Screenshot Artikel «Weltwoche».

Die Verhaftung von Strehle fand 1984 statt, also 12 Jahre später. Diesmal waren es die Zeiten der 80er-Jugendbewegung. Der nicht mehr so ganz jugendliche 32-jährige Strehle hatte mit Gesinnungsgenossen ein Gebäude nahe dem Zürcher Stauffacher besetzt, sozusagen einen Steinwurf von seiner späteren Wirkungsstätte beim «Tages-Anzeiger» entfernt. Auch damals waren Brandanschläge im Schwange, so wurde die McDonald’s-Filiale am Stauffacher von «Aktivisten» abgefackelt.

Im Februar 2013 veröffentlichte der damalige «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut unter dem Titel «Der süsse Duft des Terrorismus» die Ergebnisse seiner Recherche in der linksradikalen Vergangenheit des damaligen Tagi-Chefredaktors. Der hatte sich inzwischen dem Marsch durch die Institutionen angeschlossen und war bequem auf einem Chefsessel gelandet. Während er sich allerdings früher noch für die Unterdrückten und Entrechteten eingesetzt hatte, exekutierte Strehle damals die ersten Sparrunden des Konzerns mit brutaler Effizienz.

Was wohl der jüngere Strehle vom älteren gehalten hätte? Denn noch 1993 «verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler», der sei dann sogar der von Strehle mitbegründeten WoZ  zu radikal gewesen, merkt Gut süffisant an, sie verweigerte, auch wegen inhaltlichen Fehlern, den Abdruck. Kistler hatte sich in der Türkei einer leninistischen Splittergruppe angeschlossen, «sie ist nicht im Bett gestorben, sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war», schwärmte Strehle damals. Ebenfalls vom konsequenten Handeln, die Revolutionärin habe «für viele Genossinnen und Freundinnen einen Massstab gesetzt».

Aber nicht für Strehle, der solche Kämpfe lieber aus Distanz wohlwollend mit Worten begleitete. Schon 1986 hatte er über eine portugiesische Terrorgruppe geschwärmt und den Lesern erklärt: «Revolutionäre Gewalt ist die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfs gibt.» Klassenkampf wurde für Strehle dann aber immer mehr der Kampf um einen Platz in der Business Class, mit möglichem Upgrading in First.

Noch 1984 war er Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution». Aber spätestens ab 2009 war er dann für die Zerstörung eines kleinen Teils des Profits des Coninx-Clans, indem er erst als Co-, dann als alleiniger Chefredaktor ein exorbitantes Gehalt bezog.

Also wer wäre prädestinierter gewesen, die Vernissage des Buchs von Tobler mit eigenen Erfahrungen zu bereichern. Aber so meinungsstark Strehle als Chefredaktor auch war, indem er unzählige staatstragende Kommentare absonderte, so schweigsam ist er, was seine linksradikale Vergangenheit betrifft. Als alter Medienprofi machte er das einzig Richtige: er sagte nichts. Keine Stellungnahme, keine Erwiderung, keine Erklärung. Nichts. Er setzte nur juristisch die Streichung einiger Passagen im WeWo-Artikel durch und beschwerte sich beim Presserat, der als Köppel-Hasser natürlich eine «Verletzung der Privatsphäre» Strehles monierte.

Einen besonders widerlichen Geruch bekommt diese alte Affäre dadurch, dass Tobler bekanntlich einen sogenannten «künstlerischen Mordaufruf» gegen den WeWo-Chefredaktor Roger Köppel verharmloste. Das sei doch nur ein «Theatermord», der als Reaktion auf Äusserungen Köppel «verstanden werden» könne, sülzte Tobler. Und sein damaliger Chef Strehle sah darin keine «journalistische Fehlleistung».

Vielleicht ein kleiner nostalgischer Rückfall in seine eigene Vergangenheit. Nun ist es aber so, dass in dem ganzen Buch von Tobler über die Bändlistrasse, Linksterrorismus und die bewegten Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren zufällig ein ziemlich prominenter Name fehlt. Der ist dem Recherchiergenie irgendwie entgangen. Durchs Raster gefallen. Entwischt. Welcher Name? Ach, den wollen wir nicht enthüllen; unsere intelligenten Leser kommen sicherlich nach reiflichem Nachdenken auf das richtige Resultat. Kleiner Tipp: Der Mann mit diesem Namen ist zwar schon längst pensioniert, veröffentlicht aber jährlich einen «Qualitätsbericht» über das Schaffen von Tamedia. Jeweils ein Quell unbändigen Gelächters für die Leser.

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