Der Journalist und der Staat

Darf Quellenschutz alles?

Der Journalist ist auf Informationen angewiesen. Heutzutage ist die übliche Methode, Informationen abzuschreiben. Von einer Nachrichtenagentur, von ausländischen Quellen, auch mal von der Konkurrenz.

Aber eigentlich wäre die Idee, dass sich der Journalist Informationen beschafft. Durch recherchieren, untersuchen, nachhaken, überprüfen. Das kann sich im legalen Bereich abspielen, also der Journalist konsultiert nur Informationen, die auch öffentlich zugänglich sind. Das ist aber eher der langweiligere Bereich. Richtig spannend wird es, wenn eine Information ans Tageslicht kommt, von der einige meinen, dass sie dort nicht hingehört.

Weil sie geschützt ist. Privatsphäre, Geschäftsgeheimnis, Amtsgeheimnis, Staatsgeheimnis. In solchen Fällen ist der Journalist häufig auf eine Quelle angewiesen, modern-deutsch den Whistleblower. Also jemand mit Zugang zu klassifizierten Informationen, die er – gegen Geld oder aus Überzeugung – an die Öffentlichkeit bringen möchte.

Hier hat der Journalist nun ein Privileg wie der Arzt oder der Anwalt: den sogenannten Quellenschutz. Er muss nicht verraten, wer ihm eine Information gesteckt hat. Im Prinzip.

Konkret will zurzeit ein Sonderermittler wissen, wie es zur sogenannte «Cryptoaffäre» kommen konnte. Kurz gefasst war das der Skandal, dass in eine vielverwendete Schweizer Verschlüsselungsmethode eine Hintertür eingebaut war, durch die befreundete Geheimdienste den Informationsaustausch der Verwender der Verschlüsselung abgreifen konnten. Ziemlich peinlich, da die Schweiz anpries, dass sie als neutraler Staat eben Qualitätsware und einbruchssichere Verschlüsselungsmaschinen liefern könne.

Offenbar half hier eine Quelle innerhalb der Bundesämter, und diese Quelle machte sich damit natürlich des Bruchs des Amtsgeheimnisses schuldig. Und Journalisten, die diese Informationen verwendeten, möglicherweise auch. Wie das genau ablief, will nun Sonderermittler Peter Marti herausfinden. Dafür unterzieht er Journalisten einer Befragung.

Wie persoenlich.com zusammengestellt hat, wurden bereits Marc Walder (CEO Ringier), Res Strehle, Thomas Knellwolf (Tamedia), Kurt Pelda und andere einvernommen. Nun ist es mit dem Quellenschutz eben so eine Sache.

Wenn jemand behauptet, ZACKBUM und sein Herausgeber seien in Wirklichkeit von Nordkorea und Russland bezahlte Influencer, dann ist das einwandfrei strafrechtlich relevant. Sagt dieser Jemand dann, er habe dafür drei voneinander unabhängige und seriöse Quellen, die ihm auch entsprechende Zahlungen gezeigt hätten, er könne die aber nicht nennen – Quellenschutz –, dann geht das natürlich nicht.

Denn entweder erbringt dieser Jemand vor Gericht den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen, oder aber er wird verurteilt. So einfach ist das. Trotzdem erhebt sich Geschrei in den Medien, mit diesen Einvernahmen werde die Pressefreiheit strapaziert, die Informationsbeschaffung gefährdet, denn Medien seien nun mal auf Quellen angewiesen. Daher sei diese Untersuchung brandgefährlich.

Das ist Unsinn. Ein Journalist, der an einer Geheimnisverletzung beteiligt ist, muss damit rechnen, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Das ist halt sein Berufsrisiko. Durch seine Tätigkeit steht er nicht einfach über dem Gesetz. Es ist vielmehr ein Ausdruck von Feigheit und Drückebergerei, wenn Journalisten gerne Geheimnisverletzungen ausschlachten möchten, aber ohne Folgen.

Das gelingt ihnen auch regelmässig mit sogenannten Papers und Leaks. Das sind in Wirklichkeit gestohlene Geschäftsunterlagen, und was die Journalisten mit ihrem Ausschlachten tun, ist nichts anderes als Hehlerei. Aber die Bestohlenen sitzen meist auf kleinen Inseln im Meer oder in Ländern wie Panama, und von dort aus ist es eher schwierig, gegen diese Verletzung des Geschäftsgeheimnisses rechtlich vorzugehen.

Das gilt halt nicht, wenn eine Information aus der Schweizer Bundesverwaltung tropft.

Zudem werden im Protest zwei Dinge zusammengeworfen, die nicht zusammen gehören. Im Fall des Ringier-CEO Walder untersucht der Sonderermittler offenbar, ob es zwischen dem Ringier-Verlag und dem Departement des Bundesrats Alain Berset eine Art Gentleman Agreement gab. Ringier bekommt exklusive Vorabinformationen und zeichnet dafür ein positives und wohlwollendes Bild des Bundesrats.

Es gibt zumindest Indizien für diesen Verdacht. Die persönliche Nähe von Berset und Walder ist bekannt. Der Bundesrat nahm beispielsweise an der Premierenfeier des neuen Ringier-Produkts «Interview by Ringier» teil. Darin war er als Fotomodel und als Interviewer aufgetreten, eigentlich unerhört für einen amtierenden Bundesrat. Zudem hatte Walder in einem inzwischen berüchtigten Video «nur unter uns» bekannt gegeben, dass er seine Redaktionen weltweit angewiesen habe, die Regierungspolitik in der Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen und wohlwollend zu begleiten.

Diese Thematik unterscheidet sich völlig von der Frage, wer allenfalls das Amtsgeheimnis in der Cryptoaffäre verletzt hat. Es ist allerdings ein geschickter kommunikativer Schachzug, das miteinander zu vermischen. Aber darauf fallen hoffentlich nicht allzu viele Journalisten – ausserhalb von persoenlich.com – herein. Oder?

4 Kommentare
  1. A.Jberg
    A.Jberg sagte:

    Im Grunde geht es doch darum, vom eigentlichen Skandal und den involvierten Tätern und Mitwissern, abzulenken.
    Beim Crypto Skandal, sowie beim Omnisec/Gretag Skandal, geht es nicht um die, von nicht informierten Presseleuten steht’s gerne abgebildeten, mechanischen, veralteten Verschlüsselungs-Maschinen. Dies wurde wissentlich deshalb gemacht, um von der eigentlichen Dimension abzulenken.
    Neben dem wirtschaftlichen, militärischen und politischen Landesverrat, wurde auch Bankenverrat im grossem Stil begangen:

    -1-
    Der Bund vertraute selber den Crypto Geräten, sowohl beim Diplomatenfunk als auch beim Militär als Sprachverschlüsselungszusätze in den Kampfjets. Ausserdem wurden Gretag Systeme (Gretag wurde von der CIA als Omnisec übernommen) beim Militär eingesetzt, bzw, noch heute eingesetzt. [www.hamfu.ch]
    Die Armee traut seinen Verschlüsselungsgeräte nicht mehr. [Henry Habegger ch media 17.10.2020]

    -2-
    Cretag Geräte wurden bei Banken, im SWIFT Zahlungssystem, Weltweit eingesetzt.
    Gretacoder 720 [www.cryptomuseum.com]

    -3-
    Crypto hat ein 1GBit Netzwerkverschlüsselungs-System vertrieben, mit welchem Unternehmen ihre Firmennetzwerke zwischen den Standorten «absichern» konnten bzw. noch heute «absichern».

    Dieselben Führungsleute bei Crypto haben die Nachfolgefirmen «CyOne» / «InfoGuard» gegründet. Ein Schelm wer glaubt, dass die CIA etwas was so gut funktioniert hat, einfach aufgibt. [Inside-It Marcel Gamma 18.2.2020]

    Es stellt sich schon die Frage, warum die Herren Peter Regli, Markus Seiler, sowie Jürg Bühler immer noch frei herumlaufen. Ausserdem stellt sich auch die Frage, warum GDEL Präsident Alfred Heer keine substantiellen Resultate zu Fragen der Mitwisser und der Verantwortlichen zutage gebracht hat. Hinterhältig ist das Argument, dass im Gegenzug Terroranschläge in der Schweiz verhindert werden konnten und alles schrecklich Geheim sei.

    Der Versuch das alles unter den Tisch zu wischen, fordert Indiskretionen geradezu heraus., und das ist auch wirklich gut so, weil notwendig !

    Zackbum macht es sich sehr einfach. In meinen Augen hat in dieser Sache das Amtsgeheimnis nichts mehr zu suchen. Wir finanzieren mit unseren Steuern keine Verräter.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Berset, Walder, Ringier, das ist der Filz der den einen Infos verschafft und dem anderen nach. „Bern“ ein Jöbli an der Dufourstrassse!

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  3. Valentin Vieli
    Valentin Vieli sagte:

    Der Gesetzgeber hat im StGB (Strafgesetzbuch) und in der StPO (Strafprozessordnung) eine Reihe von Vorschriften verankert, damit Journalisten oder ihre Quellen den ihnen zustehenden Schutz vor strafprozessualen Massnahmen erhalten. Diese bauen auf dem Zeugnisverweigerungsrecht auf, welches mit Art. 28a StGB und Art. 172 StPO gewährleistet wird. Demnach können Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen.

    Wird der Journalist als Zeuge vorgeladen, so steht er als Person im Fokus der Strafverfolgungsbehörden, und die gewünschten Informationen sind bei ihm. Er hat es in der Hand, den Strafverfolgungsbehörden Informationen nicht zu offenbaren, soweit er sich auf den Quellenschutz stützen kann. Diese prinzipielle Klärung der Tragweite des Quellenschutzes garantiert für sich alleine noch nicht die praktische Durchsetzung des Quellenschutzes. Werden Gegenstände und Dokumente beim Journalisten beschlag-
    nahmt, so kann er die Siegelung verlangen und ist im daran anschliessenden Entsiegelungsverfahren involviert.

    Medienschaffende, die Vorwürfe und Kritik an Personen nur auf anonyme Quellen stützen, müssen eine Verurteilung wegen Ehrverletzung in Kauf nehmen. Quellenschutz hat die Richter dabei nicht zu interessieren. Auch der ex-Vizechef der Weltwoche, Philipp Gut, musste diese Erfahrung machen: Er warf Geschichtsprofessor Philipp Sarasin in seinem Artikel «Helden der Doppelmoral» vor, sich nicht wie «ein charakterlich anständiger Mensch» benommen zu haben. Gut konnte aber weder beweisen, dass dies wahr ist noch dass er ernsthafte Gründe hatte, die gemachten Äusserungen in guten Treuen für wahr zu halten. In Juristendeutsch: Gut hat Sarasins Ehre verletzt, ohne den Wahrheits- oder den Gutglaubensbeweis erbringen zu können. Der Tages-Anzeiger titelte daraufhin: «Er durfte sich nicht auf den Quellenschutz berufen.» Hätte der Richter den Quellenschutz zu Gunsten des Journalisten gewichten müssen? Ist das Urteil also ein «Knieschuss gegen die Medienfreiheit»?

    Nein, ist es nicht. Der Quellenschutz hat Grenzen. Das Urteil gegen Gut war juristisch völlig korrekt. Wer die Ehre eines andern verletzt, kann nichts aus dem Quellenschutz ableiten, um sein Handeln zu rechtfertigen.

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