Kornelius: His Master’s Voice

Kriegsgurgel Stefan Kornelius wendet sich ans Schweizer Volk. Tamedia sei Dank.

© Fotografie: Roland Schmid, 13Photo

Der Ressortleiter Politik bei der «Süddeutschen Zeitung» ist der wohl bestvernetzte deutsche Journalist. Mitglied der «Atlantik Brücke», der «Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik», im Beirat der «Bundesakademie für Sicherheitspolitik». Schon vor Jahren wurde dieses Spinnennetz in der Satiresendung «Die Anstalt» kritisch durchleuchtet.

Bei Kornelius kann man sich also immer sicher sein, dass er im Auftrag eines Herrn schreibt. Welcher, ob USA, Deutschland oder ein anderer, das kommt dann von Fall zu Fall darauf an.

ZACKBUM musste sich schon mal mit diesem tobenden Teutonen befassen und kommentierte damals:  Ein schlecht abgehangenes Stück perfider Polemik. Dümmlicher Demagogie. Kriegshetze im knarrenden Kasernenhofton.

Im gleichen Geist, nur bildungstechnisch höhergelegt, meldet sich Kornelius mit einem «Essay zur Kriegsführung» zurück. Hier lässt er zunächst Sun Tsu, von Clausewitz, alte und neue Militärdoktrinen wie das «chicken game» auf die Leser regnen. Auch hier ist er Herr der markigen Töne: «Clausewitz, der Napoleons Russlandheer im eigenen Blut ertrinken sah, versuchte, den Krieg mit Regeln zu systematisieren.»

Und der neuen Erkenntnisse, bislang dachte man immer, Napoleons Russlandfeldzug sei in erster Linie an der Kälte und der russischen Strategie der Raumopferung gescheitert.

Unterwegs in tiefer Ratlosigkeit

Vielleicht liegt es an dieser Verwirrung, dass dann allgemeine Ratlosigkeit bei Kornelius ausbricht: «Sun Tsu, Clausewitz, nuklearer Zweitschlag: Nach aller Erkenntnis der Kriegskunde müsste Putins Armee schon lange besiegt sein.» Da sie das aber offensichtlich nicht ist, sei das «der Augenblick, wo Düsteres dämmert. Wo Ratlosigkeit in den Köpfen rattert wie Eisenbahnachsen auf ukrainischem Gleis. Was passiert hier eigentlich? Welches Jahrhundert schreiben wir? Kann dieser Krieg überhaupt enden? Und wie

Lassen wir die Achsen, die Räder rattern und rollen bis zum Sieg, denn nun wendet sich Kornelius kurz dem Krieg als ewigen Begleiter des Menschen zu. Wobei, ein Psychologe habe nachgewiesen, «dass besonders Soldaten aus friedfertigen und gerechten Gesellschaften eine natürliche Hemmung im Kampf entwickeln.» Während Soldaten aus unfriedlichen und ungerechten Gesellschaften wie Russland natürlich barbarisch vorgehen. Dafür entfaltet Kornelius einiges an Sprachgeklapper:

«Der Angriff gilt Zivilisten wie Uniformierten, und die Invasoren spielen auf der Klaviatur der Gräuel, als hätten sie schon immer gebrandschatzt, geplündert und vergewaltigt. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat keine Armee in Europa derart gewütet. Die Hemmungslosigkeit der russischen Streitkräfte wird gedeckt vom Vernichtungsdrang ihrer Führung. Es ist diese blutige Rohheit, die an die Tradition der Kosaken-Einheiten des zaristischen Russlands erinnert – freie Reiterheere, Krieger-Clans, Männerbünde aus der Steppe, die alle Konventionen des Krieges unterboten und für Grausamkeit im Kampf sorgten.»

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde der russische Soldat nicht mehr so als vertierter Untermensch dargestellt. Während hier also der Barbar, das unzivilisierte östliche Kriegstier rast und wütet, sehen kriegerische Handlungen der westlichen Führungsmacht ganz anders aus:

«Die USA sind zwar ohne Eroberungsabsicht in den Irak gezogen – aber dennoch gescheitert. Afghanistan war eine gewaltige Anstrengung zur Befriedung und Terrorbekämpfung – das Land hat sich erholt und ist dennoch in die Klauen der alten Kräfte gefallen.»

Geschichtsumschreibung bis zur Lächerlichkeit

Was für ein Unsinn. Die USA fielen völkerrechtswidrig unter dem erlogenen Vorwand, der Irak besitze chemische und biologische Massenvernichtungswaffen, in das Land ein, um die Kontrolle über seine Ölreserven zu bekommen. Dass sie zuvor den Diktator jahrelang im blutigen Krieg gegen den Iran unterstützt hatten, was soll’s. Und Afghanistan? Dort hatten die USA durch die Unterstützung fundamentalistischer Wahnsinniger gegen die Sowjetunion eine Terroristenbrut herangezüchtet, die sich nun gegen ihren Ausrüster wandten.

Die reichlich gelieferten Stinger-Rakten schossen dort nicht mehr sowjetische Kampfhelikopter ab, sondern amerikanische. Zweimal haben die USA ein sinn- und zweckloses Desaster mit unübersehbaren Folgen angerichtet. Die Gräueltaten der angeblich natürlich gehemmten US-Soldaten waren schon hier ohne Zahl, aber überschattet werden sie von dem wohl schmutzigsten Krieg, der in der Neuzeit geführt wurde.

Das Beispiel eines der grausamsten, sinnlosesten und barbarischsten Kriege der Neuzeit lässt Kornelius aussen vor: den Vietnamkrieg. Mehr Bomben als im Zweiten Weltkrieg, unter den Folgen der kriminellen chemischen Kriegsführung mit Agent Orange leiden heute noch Millionen, ohne jemals auch nur einen Cent Wiedergutmachung bekommen zu haben – wenn sie Vietnamesen sind.

Der Krieg wurde auf Laos und Kambodscha ausgeweitet, durchgedrehte US-Generäle wollten sogar Atomwaffen einsetzen, um mit den Schlitzaugen, den Kommunisten in Vietnam fertigzuwerden. Die Kriegsverbrechen der USA waren ohne Zahl – und blieben ungesühnt. Denn nur Verlierer kommen an die Kasse, die Supermacht USA konnte sich aus jeglicher Verantwortung stehlen und auf Urteile von Menschengerichtshöfen pfeifen – man ist ja nicht mal Mitglied bei diesen Organisationen.

Vietnam und Ukraine, viele Parallelen

Die Parallelen zur Ukraine liegen eigentlich auf der Hand. Imperiale Gelüste, die angebliche Eindämmung einer Bedrohung, im Falle Vietnams durch die Dominotheorie: falle ein Land in die Hand des Kommunismus, fielen die umgebenden auch. Im Falle der Ukraine durch die Befürchtung, dass damit die NATO an den Unterleib Russlands heranrücke und andere Ex-Staaten der UdSSR auf ähnliche Gedanken kämen.

Zum Schluss seines ellenlangen Essays rafft sich Kornelius nochmal zum Diskant auf und beginnt mit einer Erinnerung an Vietnam:

«Es war unklar, was den Vernichtungswillen des Präsidenten im Weissen Haus befriedigte. Sicher ist, dass die Suche nach dem Kriegsziel an die Grenze zum Wahnhaften führte. Von dort war es nicht mehr weit zum Tennoismus und dem totalitären Abgrund, dem Asien schon einmal nur knapp entkommen war. Jedenfalls brach dieser Überfall mit den klassischen Vorstellungen der Kriegsführung. Er war zu wahnwitzig dimensioniert, um gelingen zu können. Aber er war unberechenbar genug, um jeden Tag Furcht und Schrecken zu erzeugen.»

Oh, Pardon, unser Fehler. Statt Imperfekt Präsens einsetzen. Ersetzen Sie zudem Präsident mit «Potentat im Kreml»,  den japanischen Tenno durch «Hitlerismus» und Asien mit «Europa». Dann macht es zwar keinen Sinn mehr, ist aber ein Originalzitat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8 Kommentare
  1. Mario Modena
    Mario Modena sagte:

    Habe den Artikel von Stefan Kornelius unter dem Titel «Der unberechenbare Feldherr» dreimal gelesen. Was ich herauslese ist die grenzenlose Ohnmacht des Journalisten in dieser barbarischen Überfallorgie . Ihre Umschreibung «Kriegsgurgel» soll offenbar eine Provokation sein, Herr Zeyer.

    Allen Putinverstehern sei folgendes empfohlen. Überprüfen sie die Realität vor Ort. Ziehen Sie nach Russland (nicht ferienhalber). Dann wissen Sie wenigstens was Ihre Realität Wert ist. Lassen sie es uns wissen in einem ehrlichen Blog.
    
    Geärgert hat mich die beschönigende Bezeichnung «Feldherr» im Titel des TA. Wladimir Wladimirowitsch Putin ist stattdessen ein ruchloser Despot mit Verfolgungswahn.

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  2. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Alles vergessen René Zeyer? Despot Saddam Hussein war kein Engel. Der sowjetische Diktator Stalin war Saddams großes Vorbild, obwohl er auch Hitler bewunderte. Hat wohl gegen eine Million Tote auf seinem Gewissen inklusive viel Giftgas-Opfer. Selbst vor der eigenen Verwandtschaft machte Saddam nicht halt. 1996 ließ er gar zwei seiner Schwiegersöhne umbringen. Sie waren zuvor nach Jordanien geflohen und kehrten zurück, als er ihnen volle Vergebung zusicherte – ein verhängnisvoller Irrtum.

    Apropos «Kriegsgurgel» weitergedacht: Eine intakte Zivilgesellschaft könnte sich in einer solchen Situation für ihre Soldaten und sich als Gesellschaft wehren. Ich verstehe auch heute noch nicht, wie und warum sich das russische Volk so systematisch von Putin’s Regime hat entrechten lassen. Jedes Jahr wurde den Menschen mehr Freiheit, mehr Rechte, mehr Selbstbestimmungen genommen, Andersdenkende kriminalisiert, verfolgt, ermordet, die Vielfalt und die Medien ausgeschaltet. Selbst in den USA konnte man damals in Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg demonstrieren. Könnten sie wirklich in einer solchen Umgebung funktionieren Herr Zeyer?

    Quatsch. Stefan Kornelius schreibt doch nicht für irgendwelche Herren. Er schreibt aus der Sicht vom Jetzt. Er kann doch nicht auf jegliche geschichtliche Regung Rücksicht nehmen.

    Apropos «Offener Brief»: Über 300000 Personen haben Ende April 2022 das Manifest an Bundeskanzler Olaf Scholz unterschrieben mit den Erstunterzeichnern Alice Schwarzer, Dieter Nuhr und Ranga Yogeshwar. Ihre ziemlich naive Forderung einer «deeskalierenden Haltung gegenüber Russland» hat sie leider nicht mit glaubwürdigen Taten aktiv untermauert. Maulheldentum at best. Die aktive 68er-Generation hat seinerzeit weltweit (inklusive den USA) den Vietnamkrieg mit ihrem Engagement beendet.

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    • Martin Arnold
      Martin Arnold sagte:

      Saddam Hussein wurde von westlichen Staaten mit Giftgastechnik unterstützt. 1988 verübte die irakische Luftwaffe einen verheerenden Anschlag auf die Kurden. Das hinderte die USA und den Westen nicht daran, diesen Schlächter weiterhin zu unterstützen.
      Donald Rumsfelds Handschlag mit Saddam ein Jahr später ist ihnen anscheinend nicht bekannt.

      Und was hätten denn die Unterzeichner des „Offenen Briefs“ ihrer Meinung nach noch tun sollen? Sie haben in dieser unsäglich kriegsgeilen Stimmung Mut, Haltung und Vernunft bewiesen. Deren Meinung wird auch von Henry Kissinger, Papst Franziskus, Noam Chomsky und vielen mehr geteilt. Das grosse Problem besteht darin, dass in den Konzernmedien, mindestens in der CH, fast nur noch Kriegstreiber das Sagen haben.
      Noch selten hätte ein Krieg mit so wenig Aufwand vermieden werden können.
      Nur zwei, leicht umsetzbare Bedingungen:
      – Kein Eintritt der Ukraine in die Nato
      – Umsetzung der Minsker Abkommen.
      Dies wurde von Russland seit Jahren verlangt, vom Westen jedoch konsequent torpediert.
      Dieser Krieg wurde von den USA provoziert und geplant. Putin hat seit 2001 mehrere Angebote zur Zusammenarbeit mit dem Westen gemacht. Sie wurden allesamt zurückgewiesen. Im Gegenzug dafür immer mehr Truppen, Raketen etc. Richtung Russland verlegt.
      Noam Chomsky hat es auf dem Punkt gebracht:
      Wie würden die USA wohl reagieren, wenn México in ein von Russland geführtes Militärbündnis eintreten würde und an der Grenze immer wieder Manöver stattfänden?
      Die USA sind das Imperium und diese Stellung geben sie nicht auf, sondern sie wird mit allen perfiden Mitteln verteidigt. Dass dabei die Ukraine oder Europa zerstört wird, ist den Strategen scheissegal.
      Und noch was: der Schauplatz einer nuklearen Auseinandersetzung wären wir hier in Europa.
      Die USA würden alles daran setzen, nicht Ziel der russischen Atomraketen zu werden.
      Wir Europäer spielen nun wieder mal die Deppen für den geopolitischen Grössenwahn der US Oligarchie. Toll.

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      • Gerold Ott
        Gerold Ott sagte:

        Schon vergessen. In der russischen Exklave Kaliningrad sind bereits Iskander-Raketen positioniert. Diese können mit Nuklearwaffen bestückt werden. Die Nato hat bloss wenige Schutz-Battalione in den drei baltischen Staaten und in Polen. Nato-Nuklearwaffen gibt es dort keine. Die Ängste der baltischen Staaten vor dem unberechenbaren Aggressor Russland sind nur verständlich.

        Eigentlich müsste die EU der ehemals preussischen Stadt Königsberg ( jetzt Kaliningrad) anbieten, ein Referendum zum Anschluss an die EU durchzuführen. So wie es die Russen im Donbas gemacht haben. Mal schauen wie da Moskau reagiert wenn den überraschenderweise ein Ja herauskommen sollte………

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      • Benno Derungs
        Benno Derungs sagte:

        Völliger Blödsinn. Saddam hat sich dieses Giftgas auf diffusen Kanälen besorgt, eventuell gar von der Soviet Union bekommen. Die Giftgastechnik ist bestimmt nicht durch westliche Expertise ermöglicht worden. Rumsfeld, der damals auch mit dem Iraqi Foreign Minister Tariq Aziz verhandelt hat, hat den brutalen Giftgas-Einsatz immer scharf verurteilt.

        Auch bin anfangs dieses Jahres, habe viele westliche Präsidenten Vladimir Putin mit einem Handschlag bedacht. Sollte der Kreml-Despot im kommenden November in Jakarta, Indonesien am G20-Treffen wirklich eintreffen, so dürfte er von den meisten Teilnehmern geschnitten werden……..

        So ändern sich die geschichtlichen Zeiten in wenigen Monaten.

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        • Martin Arnold
          Martin Arnold sagte:

          Das segensreiche Wirken von Rumsfeld und Co. im arabischen, afghanischen Raum in den letzten 30 Jahren erwähnen Sie natürlich nicht. Würde ich an ihrer Stelle auch nicht.

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    • Laura Pitini
      Laura Pitini sagte:

      Auch René Zeyer, ZACKBUM, hat dieses Manifest unterschrieben. Gut möglich, dass er dies heute nicht mehr unterzeichnen würde?

      Vor etwa zwei Wochen hat Herr Zeyer den Kommentar von Manfred Rüesch, NZZ zu meiner grossen Überraschung in den höchsten Tönen gewürdigt. Er schrieb dort den klugen Artikel «Die SVP, die AfD und andere nationalkonservative Parteien setzen auf Appeasement gegenüber dem Diktator». Heute eine weitere diffuse Breitseite gegen die angebliche Kriegsgurgel Stefan Kornelius.

      Jetzt frage ich diese 300000 Humanisten (inklusive René Zeyer) folgendes: Worüber kann man mit jemandem verhandeln, der nicht mal bereit ist, mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz humanitäre Korridore für die Flucht von Zivilisten zu vereinbaren?

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      • Beth Sager
        Beth Sager sagte:

        Hat René Zeyer den gleichen Artikel gelesen? Spürte die Ratlosigkeit, die Trauer und gar die Ohnmacht im Artikel von Stefan Kornelius.

        Diese Unfähigkeit des Verstehens drückte sich etwa in seiner Wortwahl aus: «Es ist unklar, was den Vernichtungswillen des Potentaten im Kreml befriedigt. Sicher ist, dass die Suche nach dem Kriegsziel an die Grenze zum Wahnhaften führt. Von dort ist es nicht mehr weit zum Hitlerismus und dem totalitären Abgrund, dem Europa schon einmal nur knapp entkommen ist».

        Von Kriegsgurgel keine Spur.

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