Skandalnudel «Republik»

Nächster Versuch: Die Bäckerei Bertschi am Pranger.

Es ist der bewährte Konjunktiv-Sound, unterfüttert mit Modalverben, Fragezeichen und dunklem Raunen: «Arbeiten, bis man krank wird? Eine Grossbäckerei, die Aldi, Coop und Migros beliefert, soll Mitarbeiter mit Krediten abhängig gemacht und zu unzähligen Überstunden gedrängt haben. Die Verantwortlichen bestreiten es. Doch die Staats­anwaltschaft hat ein Straf­verfahren eingeleitet.»

Es ist der bewährte Aufmarsch von Kronzeugen; natürlich anonymisiert. Als Knaller der extremste Fall: «Einer von Bertschis Bäckern war Ahmed Abbas, der in Wirklichkeit anders heisst.»  Fleissiger und guter Bäcker, der Lohn stieg, «es schien ein Traum».

Ein Alptraum: «Doch es war die Hölle. 2020 konnte Abbas nicht mehr. Er – Ehemann und Vater zweier Kinder – brach zusammen.»

Was ist geschehen? «Die Zürcher Staats­anwaltschaft hat ein entsprechendes Straf­verfahren eingeleitet, wie ein Sprecher auf Anfrage der Republik sagt. Nähere Angaben zu den Ermittlungen macht er nicht. Er weist lediglich darauf hin, dass für die Beschuldigten «bis zu einem rechts­kräftigen Verfahrens­abschluss» die Unschulds­vermutung gelte.»

Worum geht es genau? Keine Angaben. Wird es zu einer Anklage kommen? Keine Ahnung. Gilt die Unschuldsvermutung? Doch nicht bei der «Republik». Wer hat die Ermittlungen ausgelöst? Eben dieser Abbas, der anders heisst, nicht mehr bei Bertschi arbeitet und deren Verantwortliche «unter anderem der Nötigung, des Betrugs und der gewerbs­mässigen Kredit­vergabe ohne Bewilligung beschuldigt».

Was macht die «Republik»? Das Bewährte, das zuletzt beim Kita-Betreiber «Globe Garden» mit gröbsten Anschuldigungen anonymer ehemaliger Mitarbeiter zum angeblichen Skandal aufgepumpt wurde. Resultat: kein einziger der erhobenen Vorwürfe liess sich in einer gründlichen Untersuchung substanziieren. Gebackene, heisse Luft.

Also auf ein Neues: Die «Republik» hat natürlich «mit verschiedenen heutigen und früheren Angestellten gesprochen, aber auch mit Aussen­stehenden und mit den Verantwortlichen von Bertschi. Manches des Gesagten lässt sich mit Dokumenten belegen, anderes nicht.»

Daher gilt auch hier: lang lebe der Konjunktiv und die verklausulierte Beschuldigung, in der Hoffnung, dass das nicht justiziabel ist: «Was sich nicht ausschliessen lässt: Bertschi soll Kredit- und Darlehens­nehmer oft im Ungewissen gelassen haben, wie hoch ihre Schulden tatsächlich sind.»

Lässt sich nicht ausschliessen? Es lässt sich nicht ausschliessen, dass bei der «Republik» unfähige Recherchierjournalisten arbeiten.

Im Gegensatz zu früher gibt aber die «Republik» den Angeschuldigten immerhin Gelegenheit zur Stellungnahme. Allerdings so demagogisch eingerahmt, dass die Glaubwürdigkeit doch etwas leidet: «In einem der Büros sitzt der Geschäfts­führer, der die Gross­bäckerei seit Juli 2020 leitet. Links von ihm hat Christoph Stutz Platz genommen, ein Anwalt der Zürcher Kanzlei Walder Wyss. Rechts von ihm sitzt Jürg Wildberger, Kommunikations­berater und ehemaliger Chef­redaktor von «Weltwoche», «Facts» und TV3. Beide haben ein Mandat von Bertschi.»

Wer so bewaffnet zum Gespräch erscheint, hat sicherlich mehr als verbranntes Brot zu verantworten. Und was sagt man so? «Die Bertschi-Verantwortlichen bestreiten praktisch alle Vorwürfe.»

Mit denen sie aber offenbar nur zum Teil konfrontiert wurden, damit die «Republik» im Text mit weiteren Beispielen nachladen kann. Es geht also um Überstunden, Kreditvergabe, Abzüge vom Lohn, was ihn unter das Existenzminimum getrieben haben soll. Das erscheint der «Republik» dann doch als etwas sehr luftiges Backwerk, also legt sie als Schlusspointe noch einen drauf. Ein Betriebsunfall, der nun überhaupt nichts mit den vorher beklagten angeblichen Skandalen zu tun hat:

«2015 rutschte in der Gross­bäckerei die ungenügend gesicherte Metall­klappe einer Abfall­presse auf den Kopf eines Mannes, der mit Maler­arbeiten beauftragt war. Der 51-Jährige starb auf der Stelle. Aus diesem Grund wurde der ehemalige Sicherheits­verantwortliche der Bäckerei 2019 vom Bezirks­gericht Bülach wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechts­kräftig, der Fall noch immer hängig

Das leitet über zu: «Hängig ist auch das aktuelle Straf­verfahren der Zürcher Staats­anwaltschaft. Deshalb gilt für alle Beschuldigten die Unschulds­vermutung.»

Das hörte sich allerdings rund 18’000 Anschläge lang ganz, ganz anders an.

 

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