Was hat fauler Journalismus mit Genozid zu tun?

Wenn ein Nahost-Korrespondent im Fernen Osten falsch liegt.

Von Felix Abt

«Die arabische Welt schweigt zu den Genozid-Vorwürfen. Warum?», fragt Nahost-Korrespondent Pierre Heumann in der Weltwoche. Nun, hätte er sich zwei Minuten Zeit genommen und gegoogelt, hätte er herausgefunden, dass die seit 2021 von der amerikanischen Regierung aufgestellte und von anderen Politikern und Medien im Westen nachgeplapperte Behauptung, die chinesische Regierung begehe einen Völkermord an der muslimischen Bevölkerung in der Provinz Xinjiang, von den eigenen Anwälten als unbewiesen widerlegt wurde.

Hätte er ein paar Minuten länger gegoogelt, hätte er herausgefunden, dass der Begriff Genozid 1944 von Raphael Lemkin, einem polnischen Anwalt jüdischer Abstammung, geprägt und beim Nürnberger Tribunal für die Ermordung von Millionen von Juden durch die Nazis verwendet wurde.

Das Büro der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord stellt klar, dass «Genozid nur dann vorliegt, wenn es Beweise dafür gibt, dass die Täter die Absicht hatten, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe physisch zu zerstören. Kulturelle Zerstörung ist nicht ausreichend, ebenso wenig wie die Absicht, eine Gruppe einfach zu zerstreuen».

In Xinjiang gibt es mehr als 20.000 Moscheen. [Quelle: worldaffairs.blog]

Natürlich ist auch Chinas «Krieg gegen den Terrorismus» sehr problematisch und nicht gewaltfrei. Die gnadenlosen Kampagnen Amerikas und Israels, in denen sie seit Jahrzehnten echte und mutmassliche Terroristen bombardierten und dabei ganze Wohngebiete mit unschuldigen Zivilisten, Krankenhäuser und Schulen auslöschten, haben den Chinesen gezeigt, wie man es eben nicht machen sollte. Obwohl es auch in Xinjiang zu Polizeigewalt kommt, hat sich Beijing im Allgemeinen dafür entschieden, die Ursachen des Terrorismus durch Armutsbekämpfung und Bildung anzugehen und nicht durch Gewaltexzesse, einschließlich solcher kriegerischer Mittel.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese chinesische Provinz, die noch vor drei Jahrzehnten mausarm war und von der außerhalb Chinas kaum jemand je etwas gehört hatte, heute ganz anders aussieht, nachdem eine erfolgreiche Kampagne zur Modernisierung ihrer Städte, zur Errichtung neuer Krankenhäuser und Schulen, zum Bau von mehr als 20 Flughäfen, zur Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze in modernen Fabriken, zur Mechanisierung der Landwirtschaft und zur Anbindung der Region durch Hochgeschwindigkeitszüge durchgeführt wurde. Ich kann Herrn Heumann den Vorwurf nicht machen, nicht zu wissen, dass es den Muslimen in Xinjiang heute besser geht als vielen Muslimen in muslimischen Ländern, weil er, im Unterschied zu mir, nie dort war.

Ich erlaube mir aber die Gegenfrage: Warum hat Herr Heumann seine Hausaufgaben nicht gemacht und betreibt mit seinem opportunistischen China- und Arabien-Bashing wüsten Geschichtsrevisionismus, der den Opfern von wirklichen Genoziden ins Gesicht schlägt?

 

3 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Alter Filz verteidigt alten Filz. Die Welt anders zu sehen, als sie uns von den Guten für die Guten immer schon eingetrichtert wurde, das geht denn gar nid.
    Ohne damit gesagt zu haben, dass chinesische Autokraten auch nur ein mü sympathischer (oder Menschen- oder Freiheits-freundlicher) wären – aber unser heuchlerisches Pack hier zeigt sein Gesicht schamlos und verlogen, jetzt, wo’s angeblich eng wird auf dem Planeten.

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  2. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Anstatt sich sachlich mit meiner Medienkritik auseinanderzusetzen, sieht sich Jürg Altwegg genötigt, seinem Journalistenkollegen Heumann mit einer Antwort zu Hilfe zu eilen, in der er alle Register zieht: Er schreibt von Leuten, die in Xinjiang waren und auch Genozid-Vorwürfe machen, ohne Namen zu nennen (Er kann nicht die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, gemeint haben, die kürzlich dort war).
    In seiner Polemik erwähnt er auch Tibet, die Rohingya und den unvermeidlichen Putin, um am Ende zum Verdikt «Weißwaschung eines totalitären Regimes» zu kommen. Nur der Aufruf, nach Beijing abzuhauen, fehlte.
    Vielleicht nicht ganz untypisch für einen Mainstream-Journalisten, der es anscheinend vorzieht, Dinge, die ihm nicht passen, nicht anzusprechen oder gleich zu zensieren, ist seine Aufforderung, die Zensurkeule einzusetzen, um Leute wie mich mundtot zu machen. (Die Meinungszensur der chinesischen Regierung verurteilt er aber scharf). Damit wäre die Welt von Herrn Altwegg und gleichgesinnter Journalisten wieder in Ordnung und deren Lufthoheit über den öffentlichen Diskurs wiederhergestellt.

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  3. Jürg Altwegg
    Jürg Altwegg sagte:

    Zeyer, gahts no?
    „Wüster Geschichtsrevisionismus“, „fauler Journalismus“, Schläge ins Gesicht der „Opfer von wirklichen Genoziden“ und nicht mal richtig Googeln: wie kommt Zackbum dazu, diesen unsäglichen Text zu publizieren? Pierre Heumann hat von „Genozid-Vorwürfen“ gesprochen. Sie werden im Zusammenhang mit den Uiguren auch von Leuten erhoben, die dort waren und China so gut kennen wie Felix Abt Nordkorea. Die Frage der fehlenden Solidarität der Araber mit den Uiguren – oder auch den Rohingya – stellt sich sehr wohl. Nach Putins Vorwurf des ukrainischen Genozids an den Russen erreicht Abts Verwendung des Begriffs eine neue Stufe seiner Pervertierung. Er benutzt seine – eingebildete – falsche Verwendung durch Heumann, um China nicht nur von ihm freizusprechen, sondern eine zivilisatorische Mission zu bescheinigen. „Terrorismusbekämpfung“, wenn auch nicht ganz „gewaltfrei“, durch „Armutsbekämpfung und Bildung“. Wie schon im Tibet. China, das Paradies der Menschenrechte und der kulturellen Vielfalt. Wo es den Muslimen in Xinjiang besser geht als in den muslimischen Ländern.
    Hat Felix Abt in seinem Eifer und verbalen Furor China allenfalls mit Israel verwechselt, der Heimat der Nachfahren «wirklicher Opfer»? Was aber ist in René Zeyer gefahren, diese Weisswäscherei eines totalitären Regimes als Medienkritik zu publizieren?

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