Hanslis Interview mit Vitali

Auch ein Oberchefredaktor ist nicht in jedem Thema sattelfest.

2012 bestritt Vitali Klitschko seine letzten Kampf als Profiboxer. Er schlug 87 Prozent seiner Gegner k.o., eine beeindruckende Bilanz. 2014 wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt.

Im Widerstand rund um Euromaiden ging Klitschko ein Bündnis mit der rechtsextremen Swoboda-Partei und Julija Tymoschenko ein. Nach anfänglichen scharfen Auseinandersetzungen mit Präsident Selenskyj ist Klitschkow heute ein wortmächtiger Botschafter ukrainischer Anliegen.

Noch 2019 vermeldeten die Medien: «Kaum hat seine Partei die vorgezogene Parlamentswahl am 21. Juli gewonnen, greift Präsident Wolodymyr Selenskyj gleich einen der bekanntesten Ukrainer weltweit an. Das Präsidentenbüro hat die Regierung gebeten, den Bürgermeister von Kiew und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko als Chef der Stadtverwaltung zu entlassen.» Vergeben und vergessen.

Natürlich waren die Klitschko-Brüder am WEF anwesend, wo es dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser von Tamedia gelang, ein Interview zu ergattern. Das sind Prestigesachen, wo Chefredaktoren ihren Titel in die Waagschale werfen, um an eine begehrte Person heranzukommen.

Das Problem ist dann allerdings, dass sie relativ unbeleckt von Vorkenntnissen oder Hintergrundwissen durchs Interview stolpern und dem anderen eigentlich Carte blanche geben, seine Kernaussagen einmal mehr zu wiederholen.

Nach einer Liebeserklärung an die Schweiz und höflichem Dank für Flüchtlingsaufnahme und humanitäre Hilfe, kommt Klitschko ohne Umwege zur Sache:

«Aber jetzt stoppen Sie bitte die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Jeder Dollar, jeder Franken und Euro, der nach Russland geht, ist Blutgeld. Dieses Geld nützt Putin nicht zum Wohle seiner Bevölkerung oder für die Weiterentwicklung der Wirtschaft, sondern für Waffen. Es klebt ukrainisches Blut an jedem Franken, den Sie dank dem Handel mit Russland verdienen.»

Also muss man es sich so vorstellen, dass Gasverteiler in der Schweiz metaphorisch gesehen ukrainisches Blut mitverfeuern.

Darauf erwidert Rutishauser lahm, dass die Schweiz aber neutral sein wolle und müsse und sich aus dem Krieg heraushalte.

Das bringt ihm gleich die nächste linke Gerade von Klitschko ein: «Sie müssen sich entscheiden, Schwarz oder Weiss? Unterstützt die Schweiz den Frieden und die Freiheit, oder ist sie auf der Seite des Aggressors, nämlich Russlands?»

Vielleicht versuche die Schweiz tatsächlich gerade, halb schwanger zu sein, zappelt Rutishauser dann in den Seilen, spuckt den Mundschutz aus und fragt, ob die Schweiz denn wirklich anfangen solle, «russische Medien zu zensurieren».

Linker Jab, rechte Schlaghand: «Ja, denn so, wie das jetzt läuft, haben Sie den Krieg im Inneren der Schweiz. Ich sah mir heute Morgen im Hotel die Website von «Russia Today» an. Die erklären, Mariupol sei durch die Ukrainer zerstört worden. Stoppen Sie diese Propaganda!»

Bereits schwer angezählt meint Rutishauser: «Die glaubt hier doch sowieso niemand.»

Um unter einem Schlaghagel zusammenzubrechen: «Unterschätzen Sie die Macht der Medien nicht, unterschätzen Sie die Propaganda nicht. Die Propaganda ist eine grosse Macht. Sogar mächtiger als Waffen. Das sage ich Ihnen als jemand, der in der Sowjetunion gross geworden ist.»

Schon ausgezählt taumelt Rutishauser in seine Ecke und murmelt noch: «Kann die Schweiz irgendetwas tun, um den Krieg zu stoppen?»

Klitschko hat schon beide Arme hochgerissen, um seinen Interviewsieg durch technischen K.o. zu feiern. Aber diese Gelegenheit lässt er sich natürlich nicht entgehen:

«Ja, ich sage es nochmals, es gibt zwei Dinge, die Sie tun können: Stoppt erstens die russische Propaganda und hört zweitens auf, mit den Russen zu handeln.»

Es ist sicherlich einschüchternd, einem 2,01 Meter grossen ehemaligen Boxweltmeister gegenüberzusitzen. Aber Fragen zu stellen und nicht nachzuhaken, als habe Rutishauser zu viele Kopftreffer abbekommen, darauf zu verzichten, sich solche Einmischungen in unsere Presse- und Handelsfreiheit zu verbitten, das hätte der Oberchefredaktor besser das Handtuch in den Ring werfen sollen. Also das Interview im Archiv seiner unveröffentlichten Werke versenken.

 

4 Kommentare
  1. Daniel Röthlisberger
    Daniel Röthlisberger sagte:

    Tagi macht auf Blick am WEF ! auch eine tolle Aktion machen, so wie BlickJourni der, exklusiv and very special – von Trump ein Autogramm erhält. Von Klitschko will ich weder ein Autogram noch sonst was.

    Was soll die blöde Aussagen von ex BoxWeltmeister ! … wenn,… dann hat die Schweiz auch blutverschmierte Hände…
    Klitschkos meinen auch sie als ex Boxer könnten die «Welt»- Probleme lösen. UND noch schlimmer, Tagi Journalist macht mit für «seine» Propaganda», habe immer gemeint die Medien, vorallem Printmedien müssten ausgeglichen schreiben, damit sich jeder seine «eigene» Meinung bilden kann. OHNE Beeinflussung oder unterschwellige Tendenzen was man zu denken hat.

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  2. Dave V.
    Dave V. sagte:

    Man würde doch meinen, dass RUS Medien min. 50% Marktanteil in der EU und CH haben. Das ist einfach nur lächerlich.
    Corona hat‘s gezeigt: Am liebsten hätten Politiker ein Monopol des Staats-TV durchgedrückt, damit niemand «querschägt». Nun hat man einen Vorwand gefunden, zumindest in der EU, sich von dem lästigen RT zu entledigen. Der hatte zu viele kritische Berichte über Corona (aber auch kaum Marktanteile). Die Freiheit wird tag täglich mehr eingeschränkt und keinen interessiert‘s.

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  3. René Küng
    René Küng sagte:

    Betreffend Kopftreffer
    und entsprechend dem Werdegang und Karriereleiter von heutigen Chef & Redaktoren: die sind gar nicht mehr nötig bei fest angefixten Schreiberlingen.
    Die Schemas, nach denen die Köpfe der Haltungs-Medien fremdgestrickt sind, sitzen fest, da braucht’s keine Kopftreffer. Wer die Auswahl und Bezahlung dieser Meinungsbieger regelt, weiss ganz genau, wen er in den Verrichtungsboxen duldet.

    Die Maschine läuft: https://www.nachdenkseiten.de/?p=84303

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  4. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    «Die glaubt hier doch sowieso niemand.» – Passt bestens zum Tagi. Die eine Hälfte der Informationen weglassen und die andere Hälfte mit Haltung zukleistern.
    Rocky hat sich gegen den Ivan Drago erfolgreich geschlagen. Was man vom Ruti nicht behaupten kann: https://youtu.be/h8nC-RnETd0

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