Faktenferne Faktenprüferin

«20 Minuten» rüstet auf mit einer spezialisierten Faktencheck-Taskforce. Die oberste Hüterin der Wahrheit ist allerdings selbst sehr affin für puren Unsinn.

Von Stefan Millius

«Wem sein Penis lieb ist, der sollte sich besser gegen Covid-19 impfen lassen.»

«Gegen Covid-19 geimpfte Frauen schützen ihr Baby über die Muttermilch»

«Mann leidet nach Covid-19-Erkrankung unter ‹analem Unbehagen›»

«Forschende wollen Coronavirus mittels Schweiss nachweisen»

Diese Schlagzeilen klingen, als hätte sich der Praktikant eines schmierigen US-Tabloid-Blatts in der Kaffeepause mit einer Ladung flüssigem Klebstoff im WC eingeschlossen. Sie stammen aber aus «20 Minuten», konkret von einer Dame mit dem poetischen Namen Fee Anabelle Riebeling.

Die Wissenschaftsredaktorin genoss mit ihrer aufgeregten Stimmlage während der Coronazeit in den sozialen Medien grosse Verbreitung. Der erste Impuls als Leser war stets: «Geil, ein neuer Satireaccount, den muss ich gleich dem Heinz schicken!» Hatte man die Wahrheit dann mal erkannt («Ach, das ist ernst gemeint und die Frau gibt es wirklich!»), teilte man den Beitrag dennoch. Das ist wie beim Unfall auf der Autobahn: Man will nicht, aber man muss hinsehen.

Drum prüfe, wer publiziere

Nun übernimmt Riebeling die Leitung der neuen «interdisziplinären Faktencheck- und Video-Verifikations-Taskforce» von «20 Minuten». Meldung an den internen Einkauf: Bitte grossformatige Visitenkarten bestellen. Ihr Team, das noch im Aufbau ist, will noch mehr als bisher darauf achten, dass nur «geprüfte Informationen» publiziert werden.

Wie immer bei Faktencheckern ist es natürlich deren Geschmack überlassen, was das Prädikat «geprüft» erhält oder nicht. Unterm Strich müsste die Taskforce wohl einfach dafür sorgen, dass das, was in der Zeitung steht, stimmt. Früher war das eine Grundaufgabe von Journalisten, nun braucht es dafür eine Elitebrigade.

Aufjaulender Menschenverstand

Laut Fee Anabelle Riebeling setze man bei der Arbeit auf technische Onlinetools, aber mehr als das: «Wir setzen unseren Menschenverstand ein.» Das klingt bei ihr schon fast wie eine Drohung. Denn wie es herauskommt, wenn Riebeling ihren Menschenverstand abruft, sieht man, wenn man die Liste oben durchgeht.

– Ein Corona-Schweisstest wurde von thailändischen Forschern einst ins Spiel gebracht, danach hörte man schnell nichts mehr davon, und in der Apotheke sollte man eher nicht danach fragen. Bei Riebeling klang es wie der grosse Durchbruch.

– Muttermilch ist eine gesunde Sache, aber von einem Effekt der Impfung berichteten nur einzelne Ministudien wie beispielsweise der University of Massachusetts (30 Teilnehmerinnen). Als allgemein akzeptierte Erkenntnis setzte sich das nie durch. Aber Riebeling berichtet im «Es ist so»-Stil.

– Dasselbe gilt für die These, dass man aufgrund von Covid-19 unter akuter Schlaffheit im Lendenbereich leiden kann. Ein wissenschaftlicher Beweis fehlt, der einzige Anhaltspunkt sind Männer, die bei Untersuchungen angaben, vor der Coronaerkrankung wilde Hengste gewesen zu sein und bei denen danach die Manneskraft schwächelte. Der weitaus häufigste Grund für Erektionsstörungen, psychische Probleme, wurde offenbar der Einfachheit halber ausgeschlossen.

– Das mit dem «analen Unbehagen» schenken wir uns, das spricht für sich.

Literatur + Kultur = Wissenschaft

Die Chefin der neuen Faktenchecker-Taskforce von «20 Minuten» geht also selbst sehr freihändig mit Informationen um. Stimmen sie in ihr Weltbild, verkauft sie diese auch bei dünnster Beweislage als unumstössliche Wahrheit. Entsprechen sie nicht ihrer Meinung, sind es natürlich «Fake News» – muss man gar nicht erst gross prüfen.

Nebenbei: Fee Anabelle Riebeling hat Angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften, Journalismus und Soziologie studiert. Danach war sie an der Hamburg Media School und am MAZ. Nur falls jemand wissen will, was es braucht, um «Wissenschaftsredaktorin» bei «20 Minuten» zu werden und eine Taskforce zu leiten.

9 Kommentare
  1. Ludwig Detusch
    Ludwig Detusch sagte:

    Ich bin froh, dass Tamedia diese dringend benötigte Taskforce unter so kundiger Leitung aufstellt. So besteht noch Hoffnung, dass Gloggers achtköpfiges Higgs-Team uns nicht ab August via ALV auf der Tasche liegen, sondern dort unterkommen und weiterhin von der Faktenchecksekte alimentiert werden wird.

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  2. Christoph Müller
    Christoph Müller sagte:

    Von den gefühlten 139 «Faktenchecks» zum Thema Corona, die während der letzten 2 Jahre im 20-min erschienen sind, waren objektiv gesehen ausnahmslos alle falsch – es ging, wie in den übrigen Massenmedien, einzig darum, die C19-Transfektionstherapien zu pushen; dieses Ziel wurde weitestgehend erreicht, obwohl die Massen beim Booster nicht mehr so richtig mitmachen wollten (gemäss BAG sollen in der Schweiz ca. 6 Mio. «vollständig geimpft» sein, während nur noch ca. 60% dieser Gruppe (also ca. 3.75 Mio.) den ersten Booster wollten); man wird dann im Herbst sehen, wie der neue Narrativ lauten wird und wer sich ein weiteres Mal für dumm verkaufen lässt (Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/vaccination/persons?vaccPersonsRel=abs )

    Wer erinnert sich eigentlich noch an all den Chabis, der von Berset & Co. erzählt wurde?
    * 95% Schutz vor Ansteckung
    * 70% Schutz vor Ansteckung
    * 50% Schutz vor Ansteckung
    * kein Schutz vor Ansteckung, aber reduzierte Transmission
    * «mit dem Zertifikat kann man zeigen, dass man gesund ist» (Zitat von Berset!)
    * keine Reduktion der Transmission, aber Reduktion der Hospitalisationen
    * keine Reduktion der Hospitalisationen, aber Reduktion der Todesfälle
    * man kann trotz «Impfung» sterben, aber immerhin kommt man in den Himmel

    Wer immer noch glaubt, dass die reduzierten Hospitalisationsraten den C19-Transektionstherapien geschuldet sind (statt der Tatsache, dass Omicron Delta verdrängt hat), der soll sich mal die Grafiken auf der Seite
    https://www.covid19.admin.ch/de/vaccination/status
    genau anschauen. Die Grafiken unter «Hospitalisationen nach Impfstatus» suggerieren, dass die Kategorie «Nicht geimpft» den grössten Beitrag liefert an die Hospitalisationen. Wer allerdings genau hinschaut, und zwar unter dem Titel «Hospitalisationen nach Impfstatus und Impfstoffen», der stellt plötzlich fest, dass es in Tat und Wahrheit ganz anders aussieht, obwohl das BAG natürlich mit allen Tricks «kämpft» und den «casual reader» (und damit natürlich auch die Grosszahl der Journis) für dumm verkaufen will:

    * die Kategorie der «Ungeimpften» wird nicht etwa den «Geimpften» gegenübergestellt; nein man teilt die Gruppe der «Geimpften» auf in 6 Untergruppen (und per Voreinstellung des BAGs sind nicht einmal alle Untergruppen angewählt!!!) – optisch kleben die Kurven der diversen Gruppen mit geimpften Menschen untern an der horizontalen Achse, während die blaue Kurve der ungeimpften Menschen heraussticht

    * aber halt, da hat es noch eine hellgraue (fast nicht sichtbare) Kurve mit Legende «Impfstoff Unbekannt, vollständig geimpft», die seit Ende Februar 2022 immer zuoberst liegt, und auch vorher schon substantielle Beiträge zum Hospitalisationsgeschehen geliefert hat; wie ist es in der Schweiz im Jahre 2022 möglich, dass weder das Spital noch die hospitalisierte Person wissen, mit welchem Impfstoff die betreffende Person vollständig (also 2x!) geimpft wurden? Mit Demenz alleine kann man solches nicht erklären…

    Manipulation der Massen, darum geht es bei 20-min. Und das BAG liefert die Munition.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Merci Herr Müller
      mit gesundem Menschenverstand (oder Intelligenz, Logik oder sowas) ist nix mehr zu erreichen. Aber Humor schafft’s vielleicht.
      Lachen ist gesund, Sie liessen mich schmunzeln, stärkt die Immunität gegen all den Wahnsinn rundum. Gut geschrieben, Ihr Gedicht an den Chabis, obwohl’s SO TRAURIG ist.
      Danggschön

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    • Andi Volkart
      Andi Volkart sagte:

      Vielen Dank für Ihre Zusammenfassung! Es hatte dann doch noch einige Angaben darunter, die ich bereits wieder vergessen hatte oder noch gar nicht im Detail angeschaut hatte.

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    «20 Minuten» ist gratis, da dürfen keine grossen Ansprüche gestellt werden. Fee Anabelle Riebeling ist die geeignete Person für die «Taskforce», auch ihre Ansprüche sind überschaubar. Viel Lärm, wenig Kompetenz, die ideale Besetzung! Die ZeilenproduzentenInnen können aufatmen!

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