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Warum treibt einen das Gendern die Wände hoch?

Von Adrian Vernetz

Zum Aufwärmen einige aktuelle Beispiele aus Stelleninseraten: Mitarbeiter/in Controlling, Fachfrau*mann Gesundheit, Koch/Köchin, Fachspezialist Kreditprüfung (w/m/d), System-Adminstrator:in, Medizinische*r Masseur*In, Senior Manager (All Genders).

Das Wirrwarr zeigt vor allem eines auf: Ratlosigkeit. Wie lautet heute eine «korrekte» Berufsbezeichnung? Eine, die in unserer kunterbunten Welt niemanden ausschliesst? Firmen und HR-Abteilungen tun sich sichtlich schwer damit. Sogar der kleine Schreinerbetrieb im Dorf nimmt den Genderstern oder den Doppelpunkt ins Repertoire auf. Sicher ist sicher – man möchte ja niemanden vergraulen.

Schwer damit tun sich auch jene, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Zwei Syrer, mit denen ich mich regelmässig treffe, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, fragten mich kürzlich, welche Version korrekt ist. Sie mussten sich mit meiner Antwort begnügen, dass dies eigentlich niemand wisse. Ich riet ihnen, bei der Stellensuche und bei Bewerbungen die Sterne, Doppelpunkte und Schrägstriche einfach zu ignorieren.

Unlängst ärgerte sich auf Twitter wieder mal jemand über den Genderstern. Worauf diesem Herrn dann vorgehalten wurde, es sei doch ein Armutszeugnis, wenn sich jemand über so Nebensächlichkeiten wie einem Sternchen aufrege, während anderorts ein Krieg tobe. Die klassische Argumentationslinie halt, die immer vorgebracht werden kann, wenn eine Kritik nicht gleich in einer weltbewegenden Globalanalyse mündet.

«Warum regen sich die Leute dermassen darüber auf?», lautete eine Frage an den Genderstern-Kritiker. Und diese Frage stelle ich mir auch: Warum gehe ich die Wände hoch, wenn ich ein von Gendersternen oder Doppelpunkten gespicktes Mail erhalte? Was ist denn so schlimm daran, ein Sternchen zu setzen? Oder, wie es vor einigen Wochen eine non-binäre Person namens Henrik Amalia von Dewitz in einem Blogbeitrag auf «Zentralplus» formulierte: «Wenn ich Ihnen mitteile, dass ein Begriff mich persönlich verletzt, warum ist Ihr Sprachgebrauch wichtiger?» Konkret: Bezeichnet jemand Henrik Amalia als Lehrer oder Lehrerin, verletzt ihn (oder sie) das, weil er (oder sie) weder Frau noch Mann ist. Unversehrt bleibt die non-binäre Person nur, wenn ihr non-binäres Wesen auch wohlgebettet in der Sprache liegt.

Doch genau die Frage von Henrik Amalia bringt das Problem auf den Punkt. Ein Problem, dessen Ursache nicht in der Frage liegt, ob man das Sternchen benutzen soll oder nicht, denn dies wäre in der Tat ein lächerliches, völlig belangloses Problem. Mir zumindest geht es so. Mich bringen nicht die Gendersterne und Doppelpunkte zur Weissglut, sondern die Haltung jener Grüppchen, welche die Verwendung dieser Symbole fordern. Es sind Mini-Mini-Grüppchen, welche die ganze Gesellschaft umerziehen wollen, und es sind – auch wenn es vordergründig anders erscheinen mag – sehr autoritäre, intolerante und egozentrische Mini-Grüppchen. Und genau deshalb reagiere ich allergisch auf den Genderstern: Weil hier eine winzige Minderheit verdammt viel Krach und Terror macht.

Klar, was man mir nun vorhalten wird: Ich verbreite Hass gegen non-binäre Menschen. Und die Tatsache, dass ich Gendersterne und Doppelpunkte nicht mag, zeigt nur, dass ich meine Abneigung gegen LGBTQ-Menschen erst noch überwinden muss. Aber das ist Unsinn. Beispiel: Ich bin Linkshänder. In der Primarschule wollte man mich noch umpolen – erfolglos. Ich verbringe mindestens einen Drittel meines Lebens vor Computern. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, es gäbe auch für Linkshänder eine so reichhaltige Auswahl an wohlgeformten Computermäusen. Gibt es aber nicht. Nicht nur bei Mäusen. Jeder Linkshänder kann bestätigen: Wir leben in einer Welt für Rechtshänder.

Indessen: Schliesse ich daraus nun, dass ich diskriminiert werde? Dass alle Rechtshänder mich verachten? Dass Linkshänder – obwohl eine klare Minderheit – einen Anspruch darauf haben, keinerlei Benachteiligungen erleiden zu müssen? Nein. Ich sehe ein, dass ich in der Minderheit bin und dass die Gesellschaft sich nicht um jedes Problem von Minderheiten kümmern kann. Ich mache das, was ich auch den Sprachinquisitoren ans Herz lege: kein Theater.

Und deshalb, liebe non-binäre Menschen, liebe Queer-Community: Ich habe nichts gegen euch. Das schwöre ich bei allem, was mir lieb und teuer ist. Lebt euer Leben so, wie ihr es für richtig haltet. Fühlt euch wohl in eurer Haut. Das ist mein ehrlicher Wunsch an euch. Genauso ehrlich ist aber dieser Wunsch: Hört bitte auf, die Gesellschaft in Geiselhaft zu nehmen, nur weil nicht alles nach eurem Gusto läuft. Ihr müsst euch oft blöde Sprüche anhören? Werdet angefeindet? Deal with it. So ist das Leben. Jeder Mensch trägt seine Bürden. Fangt nicht an zu heulen. Wehrt euch, wenn euch wirklich Unrecht geschieht, aber reibt eurem Umfeld nicht ständig unter die Nase, wie gross euer Weltschmerz ist.

Jene, die am lautesten schreien, sind erfahrungsgemäss noch ziemlich jung. Und gerade diese Generation wird – wie schon die Generationen vor ihr – noch eine der wichtigsten Lektionen im Leben lernen müssen: dass die Welt sich nicht nur um sie dreht.

4 Kommentare
  1. Daniel Röthlisberger
    Daniel Röthlisberger sagte:

    Gendern bis zur Schmerzgrenze !! es wird immer schlimmer. haben wir nicht andere Probleme in dieser Welt, speziell jetzt mit dem Ukraine Konflikt mit viel Fragezeichen wann es eine Lösung gibt.

    Auf Englisch ist es einfacher. es heisst zB: the clients, the persons etc etc, gut im Flugzeug heisst es noch Ladies and Gentlemen, bald heisst nur noch «hello and welcome»

    SBB !!?? war mal der Zeit voraus: vor vielen Jahren sagte doch der «Konduktör» am Ende der Fahrt :

    Alles aussteigen !! also Männer, Frauen, Kinder, Tierli jeglicher Art im Zug, Gesindel, Betrunkene etc.

    Das wurde dann einmal korrigiert, weiss nicht ob noch von ex SBB SuperMan A. Meyer oder schon vorher – auf alle Fälle, jetzt wäre es wieder korrekt:

    Alles heute sind = männlich,weiblich, und eben alle gender

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  2. Dave V.
    Dave V. sagte:

    Das Problem sind DOCH auch die blöden Sternchen, Striche etc. Die Alltagssprache und Alltagsschrift sollte frei von Wissenschaft und Politik sein! Die Sprache und Schrift hat sich in den letzten Jahrhunderten stets vereinfacht. Das merkt man, wenn man alte Text liest. Diese sind viel komplexer und mit der Kurrentschrift auch schwerer zu lesen. Die Schreibweise hat sich dahin angepasst, dass man die Wörter so schreibt, wie diese auch in der Sprache benutzt werden. Heute wird das in der Schule sogar missbraucht, indem die Kinder erst viel später mit Rechtschreibung konfrontiert werden. Vom Latein ist man ganz weg gekommen. Man hat sich dem entledigt und dadurch wurde erst die Bildung der grossen Massen möglich. Jeder konnte plötzlich die Bibel lesen und, noch wichtiger, Verträge verstehen und auch abschliessen. Gedichte und Bücher wurden in der Alltagssprache verfasst und hatten dadurch erst grossen Erfolg. Die Vereinfachung der Schrift und Sprache geht einher mit dem Fortschritt der Menschen.
    Jetzt gehen wir wieder in die andere Richtung! Die Alltagssprache ist Spielball von hochgestochenen und elitären Wissenschaftler und Politiker geworden! Damit sichert man sich Positionen an Unis und Wählerstimmen bei linken Gutmenschen-Kreisen, aber sonst erreicht man nichts. Die Sprache und Schrift wird wieder dazu benutzt, einen Graben zwischen der Elite und dem gewöhlichen «Menschen» zu machen. Die Elite benutzte das Latein, das Französisch etc. um sich stets von den «Anderen» abzugrenzen, um zu zeigen dass man was besseres ist. Das vermeintliche Miteinbeziehen dieser Minderheiten in die Alltagssprache wird deshalb genau das Gegenteil auslösen. Es wird die Menschen nicht zusammenbringen, sondern diese Entzweien. Das sehen wir eben jetzt schon wenn jemand, im Moment begrenzt auf die elitären Kreisen, weiterhin seine Altagssprache benutzt. Er (der Mensch!) wird in eine Ecke gestellt und diffamiert.
    Wir müssen endlich wieder lernen nicht stets alles persönlich zu nehmen und begreiffen, dass «ich» icht der Mittelpunkt des Universums bin und alles sich nur um «mich» dreht.

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  3. Spargeltarzan
    Spargeltarzan sagte:

    Damals vor 30 Jahren war die Lehre als Koch 3 Jahre. Die Lehre als Köchin dauerte lediglich 2Jahre und somit war es eine Anlehre. Wie es heute gehandhabt wird, ist mir nicht bekannt. Willkommen in Absurdistan…

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    • Ludwig Detusch
      Ludwig Detusch sagte:

      Ende der 1980er Jahre war ich mit einer jungen Frau bekannt, welche eine Ausbildung als Koch gemacht hatte und deswegen darauf bestand, ein Koch zu sein und keine Köchin.

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