Noch ein Lichtblick

Natascha Wodin schreibt ein Essay in der WoZ, das Massstäbe setzt.

«Was nutzt den Toten ihr Heldenmut?» Einen solchen Titel muss man sich mal trauen, in den heutigen Zeiten, wo jeder Ex-Pazifist am Schreibtisch im gut geheizten Büro Kriegslüsternes von sich gibt.

Natscha Wodin hat die Biografie für das richtige Mass an Betroffenheit. Ihre Mutter wurde von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin verschleppt, Mariupol wurde schon damals in Schutt und Asche gelegt. Wodin hat die intellektuelle Kraft, die Klarheit der Sprache und die Unbestechlichkeit einer empathischen Beobachterin, die es für ein gelungenes Essay in all dem Geschrei und Gekreische der heutigen Zeiten braucht.

Sie beginnt mit einer klugen Beobachtung des deutschen Überintellektuellen Alexander Kluge und setzt damit das Niveau für das Folgende. Und ihr eigener Diskurs, ihr Nachdenken über sich, den Krieg, die Zukunft ist dermassen klug und beeindruckend, dass man sich gar nicht recht eine Zusammenfassung traut.

Man muss tief in sich und in die Ereignisse hinabsteigen können, um zu solchen Sätzen zu gelangen: «Das grösste Verbrechen des Kriegs an denen, die ihn überleben, besteht darin, dass er ihnen das Vertrauen ins Leben nimmt.» Das ist von einer elementaren Wucht, wie sie sonst nur die besten russischen Schriftsteller hinkriegten. Die man ja im Westen boykottieren sollte, wenn es nach den hyperventilierenden Intellektuellen ginge. Auch hier ist Wodin gnadenlos und seziert dieses Verhalten mit ihrem klaren Blick:

«Noch nie haben wir uns mit so viel Enthusiasmus selbst gefeiert, noch nie gab es ein solches Feuerwerk an Selbstgerechtigkeit, noch nie waren wir so überzeugt davon, dass wir die Guten sind.»

Wir verneigen uns vor dieser Autorin, die uns, peinliches Eingeständnis, völlig unbekannt war, und auf deren Essay wir erst aufmerksam gemacht werden mussten. Wir schliessen in dieses Lob auch die WoZ ein, die sich im Gegensatz zu den unsäglichen Kriegsgurgeln im Mainstream traut, einen solchen Brocken auf ihre Leser fallen zu lassen. Ein Essay, das in seiner gnadenlosen Wahrhaftigkeit, in seiner subjektiven Objektivität immerhin Hoffnung leuchten lässt, dass es doch da und dort noch intellektuelle Widerstandsnester gibt, die nicht ins Schablonendenken und die ewigen Wiederholungsschlaufen des Immergleichen geraten sind.

Zur Lektüre strengstens empfohlen. Ach, und da die WoZ ja ihre Artikel gratis zur Verfügung stellt: eine kleine Spende nicht vergessen.

1 Antwort
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Vielen Dank Herr Zeyer für den Hinweis, der WoZ für die ‘offene Website’, der Autorin für den ‘offenen Essay’ zu dem jede Kritik ein Affront wäre. Denn Ihre Betroffenheit gilt allen Opfern des Krieges, Ihre eigenen Wunden aus den Folgen von Krieg entschuldigen, rechtfertigen und machen alles verständlich, was vielleicht im Emotionalen oder der echten Empathie stehen bleibt.

    Nur ein Glückspilz und Dankbarer, der noch aus der warmen Stube schreiben kann, darf zu diesem Text vielleicht ein paar Ansätze aufnehmen und sie weiter andenken.

    ‘Und wir bezahlen auch und vor allem dafür, dass wir Putin einst nicht mit ins europäische Boot hineinnehmen wollten, dass wir ihn stattdessen von der Kante gestossen haben. Das ist unser Anteil an diesem Krieg.’
    1 Frau Wodin legt eine Fährte, wo offene Denker über die Heuchelei der Blinden, bzw das Hintertreiben ‘der Guten’ von einer unerwünschten Annäherung und friedlichen, ‘fruchtbaren’ Koexistenz oder sogar Zusammenarbeit von europäischen Nachbarn denken oder nur schon diskutieren könnten.

    ‘Alle, ausnahmslos alle deutschen Militärs sagen, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann, dass sie keine Chance hat. Wozu ihn dann fortsetzen, …… ‘
    2 Frau Wodin gibt eigentlich auch schon die Antwort, dass ‘die Guten’ eigentlich einen sinnlosen Krieg befeuern und WOLLEN (ein eigener Essay wären die diversen Gründe, wieso ein Ukraine-Krieg grad jetzt so wunderbar passt) und die Blinden und Ahnungslosen kreischen wieder gleich laut, wie sie sich die letzten zwei Jahre für die Grippe instrumentalisieren liessen.

    ‘Einmal sah ich Putin auf dem Bildschirm in einem riesigen Stadion zu einer gewaltigen Menschenmenge sprechen. Mit Tränen in den Augen sagte er: «Viele haben versucht, Russland zu vernichten. Niemandem ist das bisher gelungen. Und es wird auch nie jemandem gelingen.»
    3 Und Frau Wodin hat nicht nur die Grösse, unserem aller Feind und Monster sogar noch das Menschliche nicht zu versagen. Wer das liest, der sollte eigentlich anfangen zu denken.

    Ich bin kein Freund von Tyrannen, auch den nicht verkannten und unbenannten auf unserer ‘guten’ Seite. Hier kommt mir schnell das Kotzen, wenn ich dran denke, wie all unsere Heuchler und Feiglinge einen Assange seit Jahren emotionslos hängen lassen, verdrängen und durch unser Schweigen mit langsam zu Tode kochen.
    Einer, der die schlimmsten Verbrecher, jene die sich uns in Anzug und weisser Weste präsentieren, bzw im Hintergrund was Feines ‘on the rocks’ schlürfen und die Fäden ziehen, direkt beim Namen nennt. Da sind die dann ‘not amused’ und gnadenlos, wie Putin.

    4 Das Ende und der letzte Satz von Frau Wodin, den könnten wir entsprechend auch mal für uns, bzw unsere ‘Guten’ durch denken: wann übertreiben es unsere Lügner und Verbrecher mit dem Kriege und Probleme schüren, alles um des business und der Machterhaltung Willen?
    ‘Vielleicht gelingt es jetzt ihm selbst.’
    Zuerst müssten wir vielleicht mal jene bloss stellen, die mit Putin spielen, seine ‹Ängste› nutzen?

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