Kleine Geldkunde

Wo sind die Spezialisten, die einfache Geldthemen verstehen?

Präsident Putin hat angekündigt, dass er die Bezahlung seiner Gas- und Öllieferungen auf Rubel umstellen wird. Da gibt es ein paar technische Details zu beachten; den VO und den INN oder KIO Code. Das beherrscht noch der überlebende Bürogummi in unseren Banken.

Aber wie steht es denn mit dem Verständnis, was das genau bedeutet? Da wird viel heisse Luft gebacken. Zunächst: Wann soll das in Kraft treten? Laut Putin haben die Handelspartner eine Woche Zeit, sich auf die neuen Zahlungsbedingungen einzustellen.

Von welchen Summen sprechen wir? Nehmen wir die EU -Staaten und das Gas. Hier schwanken die Zahlungen zwischen 200 und 800 Millionen Euro. Pro Tag. Laut Gasprom wurden im Januar 2022 – also vor Beginn des Überfalls auf die Ukraine – 58 Prozent des Gasexports in Euro fakturiert. 39 Prozent in US-Dollar und 3 Prozent in englischen Pfund.

Im Gegensatz zu den USA hat sich die EU noch nicht darauf verständigt, ihrerseits auf den Import von russischem Gas oder Öl zu verzichten. Zu gross sind die Abhängigkeiten und die Befürchtung schwerer Nebenwirkungen auf die eigenen Volkswirtschaften.

Was wären die Folgen einer Umstellung auf Rubel?

Was passiert also, wenn statt zum Beispiel 500 Millionen Euro täglich der entsprechende Betrag in Rubel bezahlt würde? Der Käufer müsste sich die entsprechende Menge Rubel besorgen, das ginge nur bei der CBR, der russischen Zentralbank. Eigentlich unterliegt die ja strengen Sanktionen, wobei allerdings Gas- und Ölgeschäfte (sowie weitere Rohstoffe) davon ausgenommen sind.

Eine offensichtliche Nebenwirkung der Ankündigung ist, dass der Rubelkurs im Vergleich zu den westlichen Währungen einen Sprung nach oben machte, nachdem er zuvor gewaltig abgesackt war.

Die Ankündigung der Umstellung ist natürlich eine Folge der westlichen Politik, Guthaben von russischen Privatpersonen, Firmen und auch des Staates in US-Dollar oder Euro einzufrieren. Das bedeutet, dass beispielsweise ein grösserer Teil der russischen Devisenreserven von schätzungsweise 630 Milliarden Dollar nicht verfügbar sind.

In erster Linie die USA zeichnen sich hier durch eine besonders ruppige Politik aus. So hatte die afghanische Notenbank nach der neuerlichen Machtübernahme der Fundamentalisten in Kabul rund 7 Milliarden Dollar Guthaben in den USA. Die wurden sofort arretiert, anschliessend wurde der neuen afghanischen Regierung lediglich die Hälfte ausgehändigt. Die andere Hälfte soll für Schadenersatzzahlungen an durch terroristische Akte Geschädigte ausgegeben werden. Reines Raubrittertum.

Währung ist egal, Kaufkraft entscheidet

Obwohl es weiterhin Ausnahmebewilligungen für Devisenzahlungen für Rohstoffe gibt, fürchtet Russland natürlich, dass in einem nächsten Schritt auch diese beschlagnahmt werden könnten. Dann hätte das Land die Rohstoffe sozusagen umsonst geliefert.

Viel wichtiger als die Frage, ob in Rubel oder Devisen fakturiert wird – oder ob das einen Vertragsbruch darstellt, wenn die Zahlungswährung dort definiert wurde –, ist die Frage, was sich Russland mit diesen Devisen kaufen kann.

Denn im Westen kann Russland nur schlecht mit Rubeln zahlen. Ob sich Putin also in Rubel, Dollar oder Euro bezahlen lässt, ist weniger wichtig als die Frage, was man Russland damit im Westen kaufen lässt.

Wenn’s im Portemonnaie richtig schmerzt …

Statt grosses Geschrei über den mehr symbolischen Akt der Umstellung anzustimmen, könnte man, wenn man Russland wirklich in den Schraubstock nehmen will, zwei Dinge unternehmen. Man könnte den Ankauf dieser Rohstoffe herunterfahren. Das ist nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Und vor allem: das wird weit mehr als die 100 Franken kosten, die Ex-Bundesrätin Leuthard mal postulierte, als es um den Ausstieg aus der Atomenergie ging.

Auch wenn Umfragen ergeben, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gewillt wäre, die Folgen eines Verzichts auf russisches Gas (fast 50 Prozent der Importe) auf sich zu nehmen: verbales Bekenntnis und schmerzliche Auswirkungen aufs Portemonnaie – das sind immer noch zwei verschiedene Dinge.

Dagegen könnte man strenge Restriktionen aufstellen, welche Waren von Russland im Westen gekauft werden dürfen. Das ist sofort umsetzbar. Natürlich gäbe es Umgehungsversuche, Zwischenhändler, Firmen wie die von Marc Rich, der als Middle Man Handelsbeziehungen zwischen Todfeinden möglich machte oder Beihilfe dazu leistete, dass beispielsweise das Apartheit-Südafrika weiterhin seinen Ölbedarf decken konnte.

Aber heutzutage sind Big Data kein Problem mehr, sind die Möglichkeiten, Geld- und Warenflüsse zu kontrollieren, viel weiter entwickelt. Schon alleine das Verbot, Ersatzteile für westliche Flugzeuge nach Russland zu liefern, hat zum Fast-Grounding der Aeroflot geführt. Ein gezielter Masterplan solcher Verbote wäre wohl die effizienteste Waffe, um der russische Wirtschaft schwer zu schaden.

Restriktionen bei erlaubten Käufen sind die Waffe

Da geht es nicht um Pipifax wie Luxusprodukte auf der neusten Sanktionsliste. Sondern um eine Sammlung strategisch überlebenswichtiger Güter. Denn sowohl eine Volkswirtschaft wie auch nur schon die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen, das sind komplizierte und sehr störungsanfällige Mechanismen. Wenn also Russland sagt, dass den Kreml die westlichen Sanktionen nicht kratzen und die auch keine grossen oder schädlichen Auswirkungen hätten, ist das brandschwarz gelogen.

Ein solches Kaufverbot ist auch die einzig sinnvolle Waffe. Denn jedem vernünftigen Menschen – abgesehen von Kriegsgurgeln und Schreihälsen auch in Schweizer Medien – ist es klar, dass die Ukraine es nicht wert ist, einen atomaren Weltkrieg zu riskieren. Das ist bitter für die Ukrainer, aber Geopolitik war noch nie ein Ponyhof.

Die Ukraine ist nicht Mitglied des westlichen Militärbündnisses. Also sind alle Forderungen nach dem Errichten einer No-Fly-Zone, gar dem Entsenden von «Friedenstruppen» unsinnig, gar gefährlich. Eine UN-Friedensmission wird es nicht geben, dank Vetorecht Russlands. Eine nicht von der UN sanktionierte militärische Intervention wie in Ex-Jugoslawien erst recht nicht.

Denn in welchem Zustand sich die russische Armee auch immer befindet, das Land verfügt über die grösste Atomstreitmacht der Welt. Nassforsch zu postulieren, dass man sich davon doch nicht zu sehr beeindrucken lassen sollte, ist grobfahrlässig und unverantwortlich.

Wenn man nicht mit militärischen Mitteln reagieren kann, bleiben nur wirtschaftliche. Denn auch ein Krieg hat seine Ökonomie. Er kostet. Den Verteidiger wie auch den Angreifer. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung kann nicht mit Geld aufgewogen werden. Aber man kann die täglichen Kosten für Russland mitsamt allen Kollateralschäden in schwindelerregende Höhen treiben.

Selbst wenn es der Kreml-Regierung gelingen sollte, sich auf Umwegen weiterhin westliche Produkte und Waren zu besorgen: die Transaktionskosten steigen bei einer strikten Sanktionspolitik in den Himmel. Und China ist bei Weitem noch nicht in der Lage, alle diese Produkte zu substituieren.

Also ist das ganze Geschrei um Rubel oder Dollar, Vertragsbruch oder Lieferstopp, nur eine Nebelpetarde, gezündet vom Kreml. Und in ihr irren nun mal wieder all die Spezialisten und Koryphäen herum und produzieren ihrerseits Wortwolken und Analysequalm.

1 Antwort
  1. Christoph Müller
    Christoph Müller sagte:

    Arthur Hayes hat vor ein paar Tagen einen interessanten Artikel veröffentlicht mit dem Titel «Energy Cancelled» (Hinweis: Artikel ist in englischer Sprache verfasst):

    https://cryptohayes.medium.com/energy-cancelled-e9f9e53a50cd

    Es geht um sehr aktuelle Themen (Energie und Rohstoffe, Währungen und Währungssysteme, Kryptowährungen usw.); ein etwas tieferes Verständnis dieser Themen (und vor allem auch der Zusammenhänge) würde diversen Meinungsmachern und Politikern nichts schaden.

    Antworten

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