Potz Teufel

Verschiedene Religionen sind sich einig: es gibt einen Teufel. Oder sogar viele.

Dem schliessen sich inzwischen immer mehr Journalisten an. Denn der ewige Zwang zur Steigerung verlangt immer massivere Beschimpfungen.

«Grössenwahnsinnig», einfach «wahnsinnig», schlicht «verrückt», also alle Zweifel am geistigen Wohlbefinden des russischen Präsidenten, das war gestern. Schliesslich hat schon ein Haufen angesehener Psychologen aus vielen Ländern Waldimir Putin auf die schädlichen Auswirkungen einer Kriegsführung auf die Psyche aufmerksam gemacht.

Sie hatten auch gleich einen klare Therapievorschlag zur Hand: sofort mit der Invasion aufhören, dann werde es Putin psychisch schlagartig bessergehen. Aber eben, verbohrt wie der ist, hat er (bislang) noch nicht auf diesen fachmännischen Ratschlag gehört.

Aber Psychopathologie als Beschreibung der Motive seines Handelns, das haben wir hinter uns. Als nächster Schritt muss unbedingt der Gottseibeiuns auftreten. Der Teufel. Satan, Ahriman, Mara, Iblis, seiner Namen sind viele. Auch seiner Erscheinungsformen, wie man weiss. Manchmal ist’s nur einer, manchmal sind’s ganze Scharen von Teufeln. Aber immer sind sie teuflisch, böse, verneinend, schädlich.

Zerrspiegel der Entmenschlichung.

Teufel tun Teuflisches

Schlimmer noch: sie wollen gute Menschen verführen, ihre ewige Seele behändigen. Gleichzeitig erfüllt der Teufel aber auch seine Aufgabe im himmlischen und göttlichen Plan. Er befeuert bekanntlich die Hölle, in die alle vom lieben Gott geschickt werden, die es sich verscherzt haben, ins Paradies aufzusteigen.

Entweder nur für eine beschränkte Zeit, bis das Fegefeuer ihre Sünden weggebrannt hat, oder gar für die Ewigkeit, wenn die Sünden halt zu schlimm waren. Nun sind wir im aufgeklärten Westen offenbar immer noch der Auffassung, dass es einen Teufel gibt. Sein Gegenpart aber, also der liebe, strafende, zürnende, allmächtige Gott ist etwas im Himmel verschwunden. Dafür haben wir nun eher den irdischen Helden.

Genau, wer das ist, ist ja klar. Aber natürlich ist das Böse viel faszinierender:

Denn der Teufel hat immer teuflische Pläne. Die enthüllt nun aber Andreas Kunz von der «SonntagsZeitung». Also nicht selbst, das ist etwas oberhalb seiner Gehaltsklasse. Aber er hat, Gott sei gepriesen, ein Buch gelesen. Damit ist er nicht der Einzige, denn Catherine Belton hat mit «Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste» einen Beststeller gelandet.

Der ist zwar schon 2020 erschienen und wurde damals in der angelsächsischen Presse breit rezensiert. Aber he, «Redaktionsleiter» haben auch noch anderes zu tun, also kann die Lektüre schon etwas dauern. Und auf Deutsch, denn wer kann schon Englisch, ist’s erst im Februar dieses Jahres erschienen. Also doch Grund genug, seine Erkenntnisse dem Leser der SoZ als brandneu zu verkaufen.

Also erzählt Kunz brav den Inhalt nach, verzichtet gottesfürchtig auf jeden eigene Recherche oder jeden eigenen Gedanken. Worin besteht denn nun der teuflische Plan des Gottseibeiuns im Kreml? «Bevor er die russischen Unternehmen und Geschäftsleute in den Westen expandieren liess, übernahmen er und seine KGB-Kumpels die totale Kontrolle über sie.» Ausgekocht, dieser Putin, wirklich wahr.

Blöd auch, dass das nie in gestohlenen Papieren auftauchte

Wie man weiss machte vor allem London die Beine breit und liess diese Oligarchen nach Lust und Laune gewähren. Aber natürlich geht so ein Schurkenstück nie ohne Schweizer Beteiligung: «Die Autorin nennt Beispiele der Bank Vontobel und der Credit Suisse, die bei Putins KGB-Kapitalismus mitspielten; der Kanton Zug, der den korrupten Firmen einen optimalen Standort bot; die Stadt Genf, die den Russen seit dem Kalten Krieg als Umschlagplatz für ihre obskuren Geschäfte dient.»

Blöd auch, dass all diese Beispiele nie wirklich in den vielen geklauten Geschäftsunterlagen auftauchten, in dieser Hehlerware, aus der die SoZ Leaks, Papers und Secrets machte. Aber schön, dass Kunz eine eher anspruchslose Zusammenschreibung eines Buchinhalts liefert und das als brandneu verkauft, was jeder des Englischen Mächtige schon 2020 gelesen hatte.

 

 

3 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Etwas aufmerksamer interessierte, sahen das längst kommen, die Russen haben es in den letzten Jahren denn auch erstaunlich offen angekündigt.
    Zb. im Satz, Zitat: Wenn „nötig» können wir auch präventiv zuschlagen.
    Etwas überraschend ist lediglich, die Ausweitung auf die gesamte Ukraine.
    Ein mögliches Eingreifen im Ostteil der Ukraine, war auf sicher Vorprogrammiert!
    Nun eine Gesellschaft und Medien die 99% der Zeit mit Gender Ga Ga und anderem Schwachsinn verschwenden, sind LOGO in heller Aufregung, wenn irgendwo, vor allem in der ,,näheren» Umgebung, auf dem Planeten, scheinbar überraschend, die Luft Blei und stahlhaltig wird.

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  2. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Die Presse funktioniert wie die Katholische Kirche und benötigt stets einen Teufel. Früher waren es die Kommunisten, in jüngeren Zeiten war es Trump, worauf die Corona-Skeptiker folgten und jetzt hat die Presse in Putin den perfekten Teufel gefunden. Wie primitiv ist denn eigentlich dieses Gewerbe mit seinen feigen Schreibtischtätern! Bei Blick und Bild wundert man sich weniger. Bei der NZZ hingegen schon.

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