Die Ballon-Geheimnisse

Pumpen, bis er platzt: das Prinzip aller Leaks, Papers und nun Secrets.

Die Trompetentöne erinnern immer an Jericho: Die Credit Suisse sei ein «Geldspeicher für korrupte Politiker, verurteilte Betrüger und mutmaßliche Folterknechte.»

Und gleich nochmal,weil’s so schrecklich ist:

«Die internen Aufzeichnungen aus der Bank belegen, dass die Credit Suisse über Jahrzehnte und über den gesamten Erdball hinweg brutalen Machthabern, korrupten Politikern, Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen Zugang zu blickdichten Schweizer Konten ermöglicht hat, auf denen diese ihren teils illegitimen Reichtum sicher parken konnten.»

Wussten wir doch. Skrupellose Schweizer Gnome, ihre geldigierige Amoral hinter biederem Aussehen verbergend. Dabei tropft aus den Safes in den tiefen Kellern der Bahnhofstrasse jede Nacht Blut, erschrecken die Nachtwächter, wenn wieder mal die Schreie von Folteropfern aus Schliessfächern quellen.

Es ist und bleibt eine verdammte Sauerei, das ist die Message, die Schweizer Banken, zumindest die Credit Suisse, haben nichts gelernt; alle Versuche, das Aufbewahren von Geldern aus krimineller oder ungeklärter Herkunft zu unterbinden, waren umsonst, selbst der Automatische Informationsaustausch nützt nicht wirklich.

Geldwäschereigesetz, «besondere Sorfaltspflichten», PEP (politically exposed persons), alles Show. Dahinter sitzt immer noch der ethikbefreite Schweizer Banker in ehrwürdig getäfelten Räumen, serviert Sprüngli und ist servil zu Diensten, wenn ihm grössere Summen anvertraut werden. Seine Flexibiltät wächst mit der Anzahl Nullen. Sieben sind schon mal gut, acht ist fantastisch, und wird sogar das Wort Milliarde in den Raum gestellt, wäre er auch bereit, seine Krawatte zu lockern und auf dem Tisch Salsa zu tanzen.

Weltweit wird über den Finanzplatz Schweiz abgeledert

Die Empörung weltweit ist gross. Stellvertretend dafür darf Nobelpreisträger Joseph Stiglitz abledern: «Zugleich sollten sich Länder wie die Schweiz dafür schämen, dass sie einen Rechtsrahmen geschaffen haben, der solch ein System gedeihen lässt.»

Immerhin fügt er am Schluss, nachdem er sich ausführlich über die Schweiz erregt hat, hinzu: «Wie viele Geschichten, wie viele Enthüllungen wird es noch brauchen, bis die Schweiz, die USA, das Vereinigte Königreich und andere Länder ihre Gesetze zum Bank- und Immobiliengeheimnis und zu all den anderen Aktivitäten ändern, die Geldwäsche erleichtern und Verbrechen und Korruption fördern

In seiner Philippika entgeht ihm hier aber ein nicht unwichtiges Detail: Fast alle Offshore-Finanzplätze der Welt wurden von Skandalen erschüttert, die auf gestohlenen Kundendateien beruhten. Panama, Singapur, fast alle kleinen karibischen oder pazifischen Inseln. Und immer wieder die Schweiz in Sachen Steuerhinterziehung. Oder Beihilfe zum Verstecken von Blutgeldern. Nun noch selbst dabei erwischt, mit blutigen Händen in diesem Sud zu rühren.

Aber: Es gibt keine einzige Enthüllung über die beiden anderen von Stiglitz aufgeführten Geldparadiese. Man kann es nicht oft genug sagen: In den USA stehen die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, die lateinamerikanische Drogenmafia regelt dort ihren Finanzhaushalt. In diversen Bundesstaaten kann man bis heute Briefkastenfirmen gründen, ohne dass der Benficial Owner, der wirtschaftlich Berechtigte, angegeben werden muss. Dicht gefolgt werden die USA von Grossbritannien. Deutschland und Frankreich sind die Geldwäschereiparadiese in Europa. Holland ermöglicht es transnationalen Monstern, weitgehend steuerfrei davonzukommen. In der EU wurden bislang alle Versuche, mehr Transparenz bei Holdingstrukturen und Finanzvehikeln zu schaffen, abgeschmettert.

Es ist ein Konkurrenzkampf der Finanzplätze

Das heisst nun nicht: die auch, wieso dann wir nicht. Das heisst aber eindeutig: auch hier herrscht Konkurrenzkampf unter den grossen Geldanlagetöpfen. Und da spielen neben den Grossmächten USA und Grossbritannien eben Zwerge wie Panama, Singapur oder die Schweiz eine herausragende Rolle. So ist die Eidgenossenschaft immer noch die grösste Vermögensverwalterin der Welt.

Trotz allen bisherigen Attacken mittels gestohlener Kundendaten hat sich daran (noch) nichts grundlegend geändert. Ausser der ungebrochenen Lust der Medien, immer wieder einen Riesenballon aufzupumpen.

Diesmal handelt es sich offenbar um Angaben zu rund 30’000 Kunden der CS. Deren Konten wurden bis zurück in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts eröffnet; laut CS sind 90 Prozent bereits geschlossen oder im Prozess der Schliessung.

Abgesehen von vielen venezolanischen Mitgliedern der korrupten Führungsclique des Landes sind mal wieder erstaunlich wenig wirklich schlimme Finger unter den bislang veröffentlichten Kontobesitzern. Die CS hat weltweit rund 2 Millionen Kunden. Angenommen, bei allen 30’000 CS-Benützern handle es sich um ausgemacht Schweinebacken. Das wären dann 1,5 Prozent. Realistischer dürfet wohl sein, nach den sehr spärlichen Angaben über einzelne Personen, zu denen auch die üblichen Potentaten und Könige gehören, bei denen die illegale Herkunft der Gelder noch zu beweisen wäre, gehen wir vielleicht eher und grosszügig von 3000 aus. Das wären dann 0,15 Prozent.

Nun ist Vermutung und Nachweis in einem Rechtsstaat noch nicht das Gleiche. Nehmen wir also an, am Schluss, das wären aber viele im Vergleich zu den vorherigen «Enthüllungen», bleiben 300 verurteilte Straftäter übrig. Womit wir bei 0,015 Prozent wären.

Nicht signifikanter Bodensatz

Einen solchen Prozentsatz kann man mit Fug und Recht als nicht signifikant bezeichnen. Als fast unvermeidlichen Toleranzfehler. Als Bodensatz, der in jeder Bank ans Tageslicht gespült werden könnte, wenn man deren Kunden bis in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückverfolgt. Denn zu diesen Zeiten musste zum Beispiel auch Al Capone, der Duce oder Adolf Hitler ihren Finanzhaushalt irgendwo regeln.

Und welche Bank in der Schweiz hätte dem Ehrendoktor der Universität Lausanne verweigert, ein Konto zu eröffnen?

Es ist vorhersehbar, dass auch dieser Ballon sehr hässlich zusammenschnurren wird, piekst man ihn mit genaueren Analysen an. So wird es dann bald einmal heissen: Panama Papers? Pandora Papers? Swiss Leaks? Suisse Secrets? War da mal was?

8 Kommentare
  1. Adrian Venetz
    Adrian Venetz sagte:

    Die Finanzbranche ist für mich leider ein Buch mit sieben Siegeln – habe da null Durchblick. Mal ganz blöd gefragt: Wenn ich ein verurteilter Mehrfachmörder wäre, der von einer schwerreichen Tante 50 Millionen Franken erbt – ist eine Bank dann verpflichtet, meinen Hintergrund auszuleuchten und mich als Kunden abzuweisen? Oder wäre es nur dann ein Problem, wenn ich die 50 Millionen nicht regulär geerbt, sondern mit unrechtmässigen Mitteln erworben hätte?

    Antworten
    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Red. Blöde Fragen verdienen Antworten. Es gilt hier KYC. Banglisch, «know your customer». Bei einer Kontoeröffnung sollten Identität und Herkunft des Geldes abgeklärt werden. Dabei gilt weiterhin das alte Prinzip der US-Armee gegenüber Homosexualität: don’t ask, don’t tell. Wir fragen nicht zu blöd nach, du erzählst nicht zu blöd, wer du bist und woher du das Geld hast …

      Antworten
      • Adrian Venetz
        Adrian Venetz sagte:

        Das Problem ist also nicht, dass die Kontobesitzer unmoralische Menschen sind, sondern dass sie ihr Geld mit unmoralischen Mitteln erworben haben – korrekt?

        Antworten
        • René Zeyer
          René Zeyer sagte:

          Red. Also bitte, die Moral eines Kunden zu überprüfen, das würde wohl etwas zu weit gehen, oder? Wenn Sie eine Rolex mit gestohlenem Geld kaufen, ist das strafbar. Wenn Sie eine Rolex als unmoralischer Mensch kaufen, so what?

          Antworten
  2. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Erstaunlich, wie diese naiven Europäischen Medien, dem 79 Jahre alten US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz devot aus der Hand fressen. Weshalb macht die USA eigentlich nicht am AIA mit? Was ist mit Delaware? Was denkt Stiglitz darüber, wenn sein Land als die grösste Geldwaschmaschinen der Welt bezeichnet wird?

    Sinnbild für die fragwürdige Position der USA bezüglich Finanztransparenz ist der Fall der damaligen Wachovia Bank in North Carolina, USA. Diese Wachovia Bank gehört heute Wells Fargo. Die unterwürfigen Europäischen Medien mit Ausnahme des britischen „Guardian“, haben damals im Jahre 2008 völlig geschlafen.

    https://www.theguardian.com/world/2011/apr/03/us-bank-mexico-drug-gangs

    Kurz auf den Punkt gebracht in dieser Recherche des «Guardian»: Es ging hier um eine Drogen-Geldwäscherei von horrenden US$ 378.4 Milliarden in den Jahren 2004 bis 2007. Wir Europäer staunen mit offenem Munde.

    Dieser Fall ist exemplarisch für die bewusste Einäugigkeit der US-Justiz. Wie oft mussten Europäische Banken für eher geringfügige Vergehen Milliardenbussen bezahlen? Die Wachovia Bank kam gemäss Wikipedia mit einer Busse von bloss US$ 50 Millionen davon, für immense Narco-Geldwäscherei im Multi-Milliardenbereich.

    Interessant, dass der damalige CEO und Präsident der Wachovia Bank G. Kennedy „Ken“ Thompson vom Jahre 2000 bis 2008, gar eine vorhergehende Präsidentschaft des „US Federal Reserve Board’s“ innehatte! Nachdem dieser Ken Thompson am 2. Juni 2008 aus der Wachovia Bank geworfen wurde, hatte die SEC (Securities and Exchange Commission) mit ihm eine Abgangsentschädigung ausgehandelt. Er bekam für das Jahr 2008 keinerlei Bonuszahlungen. Stattdessen wurde erwähntem CEO eine Abfindung von US$ 1.45 Millionen für seine 32 Jahre Arbeit bei dieser Bank ausbezahlt. Grotesk, ein Verantwortlicher einer angeklagten US-Bank bekam eine stolze Abgangsentschädigung.

    Der umstrittene Whistleblower Bradley Birkenfeld hätte bei der damaligen Wachovia Narco-Bank für viele Jahre viel zu tun gehabt. Stattdessen brachte der US-Amerikaner das legendäre Schweizer Bankgeheimnis zu Fall.

    Antworten
    • Mario Sacco
      Mario Sacco sagte:

      Danke für diese plausiblen Erläuterungen, Sam. Unverständlich, dass (mies vorbereitete) Journalisten diesem selbstgerechten Ökonomen Joseph Stiglitz nie die richtigen Fragen stellen.

      Antworten
  3. Schorsch Baschi
    Schorsch Baschi sagte:

    Sie haben mit Ihrer Analyse vollkommen recht. Aber es bleibt halt immer etwas hängen und irgendwann wenden sich dann die Kunden ab. Aber richtigi ist, dass eben auch Deutschland, Frankreich USA und andere Länder das gleiche Geschäft betreiben wie die Schweizer Banken. Nur die Propaganda über die Gnomen vom Paradeplatz hat längst den Focus auf nur die Schweiz gelenkt. Die anderen sind nie auf dem Radar und somit die Sauberen.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Mario Sacco Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert