Tagi-Qualität, Part II

Wenn demonstriert wird, gerät das Qualitätsmedium aus dem Tritt.

Am Samstag war hübsch was los in Zürich. Mehrere unbewilligte Demonstrationszüge marschierten durch die Stadt, es gab Gewalt gegen Sachen und Personen.

Da wäre man froh, wenn der «Tages-Anzeiger» das Geschehen einordnen und berichtend erklären würde. Stattdessen gibt der Tagi dem SP-Nationalrat Fabian Molina Gelegenheit, sich mal wieder öffentlich zum Deppen zu machen.

Aber das kann man noch als Beitrag zur unfreiwilligen Demontage durchgehen lassen. Etwas schräger wird’s bei der übrigen Berichterstattung. So kündigte das Blatt an, dass kommenden Samstag «Massnahmengegner und Rechtsextreme in Oerlikon auf die Strasse gehen».

Obwohl auch das sicherlich in der unerbittlichen Qualitätskontrolle von mindestens für Nasen gelesen wurde (kicher), musste der Tagi flugs ein «Korrekt» einrücken:

«Die Organisation (der Veranstaltung, Red.) legt Wert darauf, dass an ihrer Kundgebung weder Rechts-noch Linksextreme willkommen seien, und diese an der Demo – wenn nötig – weggewiesen würden.»

Peinlich, aber typisch. Gleich zwei Redaktoren wirft der Tagi in die Schlacht, um zu erklären,  «wie es zum Zürcher Kampf zwischen Antifaschisten und Neonazis kam».

Kampf, Antifaschisten, Neonazis? Schauen wir uns den Artikel kurz genauer an. Da haben wir die einen: «Später ziehen Tausende schwarz gekleidete Antifaschisten in zwei unterschiedlichen Demonstrationszügen durch das Limmatquai beziehungsweise das Langstrassenquartier. Ein kleiner, militanter Teil von ihnen sucht die Konfrontation mit Neonazis sowie der Polizei und randaliert.»

Auf einem Auge blind

Und die anderen: «Ein weiterer Demonstrationszug von sogenannten Corona-Massnahmen-Gegnern will am Limmatquai demonstrieren. Sie hatten all die Demonstrationszüge – von denen keiner bewilligt war – ausgelöst. Ob sich unter ihnen Neonazis befinden, ist nicht bekannt.»

Es bleibt dem Redaktionsgeheimnis unterstellt, wieso die einen «sogenannte» sind und die Chaoten und Krawallanten von links zwar den Namen Antifaschismus usurpiert haben, und geschichtsvergessen «no pasarán» grölen, während sie schwarzgekleidet wie Mussolinis Faschisten durch Zürich randalieren, kein «sogenannt» verliehen bekommen, obwohl sie nun wirklich nicht mal sogenannte Antifaschisten sind.

So nebenbei, obwohl die spanischer Republik im verzweifelten Kampf gegen die Faschisten die Losung «no pasarán» ausgab, wurde sie am Schluss besiegt. Wie ein Leichentuch senkte sich dann für Jahrzehnte der Franco-Faschismus über das Land. Ist es wirklich sinnvoll, die Losung eines Kampfes aufzunehmen, der mit einer bitteren Niederlage endete? Aber wer diesen Unsinn plakatiert, sich schwer anzieht und behauptet, gegen die «Faschisten» in Zürich zu kämpfen, hat sowieso einen an der Waffel.

Aber es wird noch peinlicher: «Die Junge Tat stehe auch in einem engen Kontakt mit sogenannten Identitären in Österreich, Belgien und Deutschland, zitiert das Onlinemagazin «republik» die Recherchegruppe Antifa Bern», zitiert das Qualitätsorgan Tagi eine dunkle Quelle, die sich ihrerseits auf eine noch dunklere Quelle bezieht.

Wir verstehen das richtig: statt eigene Recherchen anzustellen, quotet das Qualitätsorgan Tagi die Fake-News-Schleuder «Republik», die sich wiederum auf die «Antifa Bern» berzieht, eine nur auf Twitter existierende Blödeltruppe, ungefähr so seriös wie das «Megafon».

Geldwerte Schlussfolgerungen?

Wie lautet dann der analytische Schluss, welche Wirkkraft entfaltet hohe journalistische Kunst, die unbedingt wenn nicht mit einer Milliarde, dann doch mit ein paar hundert Franken fürs Abo honoriert werden sollte?

«Klar ist aber: Sowohl Neonazis als auch Antifaschisten werden versuchen, die Demonstrationen am vergangenen Samstag zu nutzen und weitere Menschen für ihre Anliegen zu gewinnen. Ob ihnen das – auch angesichts des nahenden Endes der Pandemie – gelingt, wird sich zeigen

Das ist klar wie Klosbrühe, wie man sagt. Klar wie banal. Klar wie blöd. Und «wird sich zeigen»? Das ist der Standardersatz für «Ich habe doch keine Ahnung und wage nicht mal eine Prognose

Also mal im Ernst, liebe Tagi-Journalisten, wollt Ihr wirklich so überdeutlich zeigen, dass ihr keinen Rappen wert seid und so was von überflüssig?

Toll ist auch eine damit nicht in Zusammenhang stehende Leistung. Der Jung-Redaktor Kevin Brühlmann, hatte sich an ein Porträt einer Kandidatin für den Stadtrat gewagt.

Die FDP-Kandidatin ist eine Frau – und jüdischen Glaubens. Der Journalist weiss, dass der ja nach der politischen Ausrichtung des Blatts im besten Fall Entschuldigungen serviert werden. Das passte also in diesem Fall jemandem ziemlich massiv nicht. Katastrophen-Sacha mischte sich ein und erklärt den Tagi kurzerhand zum «Stürmer an der Weststrasse», nach dessen Hauptquartier.

Alleine diese völlig überzogene Reaktion hätte Grund genug sein sollen, Fakten und Hypothesen genau zu untersuchen. Finde hier statt …

 

 

 

 

 

 

2 Kommentare
  1. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Rote Karte für diese TA-Stadtredaktion. Mit diesem eingeworfenen „sogenannt“ haben die Journalisten klar Position bezogen. Diese Wortfindungsstörung ist entlarvend bezüglich der journalistischen Sorgfaltspflicht.

    Die zahlreichen schwarz uniformierten Demonstranten, wurden im Artikel ja auch nicht mit dem (sogenannten) schwarzen Block in Verbindung gebracht.

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  2. Edwin Hunggeler
    Edwin Hunggeler sagte:

    Bei all dem Geheule haben die Tagi-Redakteure eines «übersehen»: Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen gingen zu einem schönen Teil FCZ- und GC-Hooligans aufeinander los. Dass man dermassen ahnungslos ist, was das anbelangt, erstaunt mich sehr.

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