Lokaljournalismus dada

In Zürich geht’s um die Renovation des Schauspielhauses. Platz für gaga.

Schon seit einiger Zeit tobt ein Meinungskampf der luxuriösen Art. Die Direktion des Schauspielhauses will das Theater modernisieren. Also konkret für über 100 Millionen das Gebäude am Pfauen auskernen und innen neu bauen.

Die prekären Zustände der Bausubstanz und der Installationen mache das nötig; eine Restauration des Bestehenden käme viel teurer.

Nun ist die Pfauenbühne ein historisches Monument. Hier fand – einzigartig in Europa – während den dunklen Zeiten des Faschismus aufmüpfiges Theater statt, hier wurden Stücke von Bertold Brecht (wie der Kultursender SRF dessen Vornamen verhunzt) aufgeführt, hier fanden viele Exilschauspieler und bedeutende Regisseure ihre Wirkungsstätte. In eben dem Theatersaal, der bis heute in Rosa und Plüsch mit zugegeben ziemlich unbequemen Stühlen lockt.

Es tobt ein Glaubenskrieg in der Stadt Zürich

Der Zürcher Stadtrat und die Leitung des Theaters sind für die Variante «umfassende Erneuerung». Dagegen erhob sich grosses Geschrei, Opposition und Gegenwehr. Das könne man nicht machen, wäre ein Akt der Barbarei, dagegen wurden die Bedürfnisse moderner Theaterinszenierungen gestellt, samt endlich mal bequemen Stühlen.

All das spielt sich wohlgemerkt auf der Ebene Stadt Zürich ab. Hier sind alle Entscheider versammelt. Der Kanton Zürich hat in dieser Debatte kein Wort zu sagen. Eigentlich. Ausser, die Lokalredaktion des «Tages-Anzeigers» konstatiert genau das, um fortzufahren:

«Trotzdem wollten wir von Kantonsrätinnen und Kantonsräten wissen, wie sie zum Schauspielhaus stehen, welche Emotionen und Erinnerungen sie damit verbinden.»

Immerhin ist Zürich bekanntlich der Ort, an dem der Dadaismus gross wurde. Nehmen wir als Ehrenrettung für den Tagi an, dass dieses Stück einen Beitrag dazu leisten will, diese Tradition fortzuführen.

Das Cabaret Voltaire lässt grüssen

Nichtschwimmer haben wenig mit Brust- oder Rückenschwumm zu tun. Fragen wir sie dennoch dazu ab. Was halten Veganer von am Knochen gereiften T-Bone-Steaks? Welche Vorstellungen verbinden Menschen mit Höhenangst mit der Besteigung der Eigernordwand? Welche sexuellen Erfahrungen sammeln schwule Eunuchen?

Kraska, der König von Zürich und Meisterdadaist.

Hier gilt es endlich einmal Neuland zu betreten. Hier macht’s auch nichts, sollten die vielgerühmten Kontrollmechanismen bei Tamedia versagen. Hier ist’s sozusagen Programm. Wenn das der Spät-Dadaist Pjotr Kraska noch hätte erleben dürfen. Ach so, den kann man googeln, liebe Tamedia-Kulturbanausen und Amateur-Gagas.

Für den Tagi unerreichbares Vorbild …

2 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Nach dem Atlantikwall-Uboot-Bunker auf dem Platsch-Spitz kam dann die oberirdische Kopie des atomsicheren Bunkers des ZK der KPD am Pfauen. Und jetzt geht man nur konsequent auch baulich gegen die Reste von historischer Kultur im Schauspielhaus Zürich vor. Ich sehe da eine klare Linie. Also wirklich Herr Zeyer, wie kann man «umfassende Erneuerung» nicht aus tiefstem Herzen begrüssen?

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Schauspielhaus Zürich ist falsch. Richtig wäre «Deutsches Theater am Pfauen Zürich». Genauses Hinschauen wäre wichtig, ist aber zuviel verlangt von den willfährigen Kulturbanausen der Werdstrasse. Sie besuchen regelmässig das Opernhaus und die Bühne am Pfauen, schreiben gefällige Artikel. Kritische Auseinandersetzung war einmal.

    Ein amüsantes Beispiel lieferte kürzlich Alexandra Kedves. Sie besuchte «Der Ring des Nibelungen», schreibt darüber und fällt schon im Lead auf die Nase. Sie schreibt «Am Pfauen in Zürich hatte eine «korrigierte» Fassung von Richard Wagners «Ring des Nibelungen» Premiere. Und ist richtig so». Die korrigierte Fassung ist billiges Trittbrettfahrertheater. Mangels Kreativität wird abgekupfert, umgeschrieben und mit «zeitgemässen Themen angereichert».
    Kedves zitiert den Quatsch von Regisseur Öziri: «Wo singuläres Genietum, Grössenwahn, Rassismus, Antisemitismus und Überlegensheitsfantasien waren, soll Kollektiv, Gleichheit, Menschlichkeit werden…». Gerade an Theatern streben die meisten nach singulärem Genietum, wenige schaffen es, die Mehrzahl sind graue Mäuse die den Intendanten hofieren um in ihrer Truppe bleiben zu können. Auch die beiden deutschen Intendanten haben ihre willfährigen Höflinge mitgebracht. Alle mit dem Anspruch wir repräsentieren die bessere Welt. Ihre bessere Welt zulasten SteuerzahlerInnen. Passt natürlich dass im Stück auch das Kollektiv beschworen wird. Kollektiv ist die Bezeichnung für gemeinsames Scheitern, aber naiv wie Kedves ist kein kritisches Nachfragen.

    Dafür poduziert sie am Schluss des Artikels ein Feuerwerk von Worthülsen: «zieht uns nicht jede Minute in die Theaterkommunion hinein, trotz flockiger Interaktionen mit dem Publikum. Es wurde auch keine Verzauberung mittels visueller Poesie versucht, keine Wuschigkeit in den Kopf hineingekitzelt, kein sentimentales Sausen ins Herz». Beim TA wird nicht Qualität honoriert sondern Anzahl Anschläge!

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