Im Abfallhaufen geht’s rund

Wer twittert, ist selber schuld. Blick in ein Elendsloch.

Twitter vereinigt alles, was das Internet toxisch macht:

– Beschränkung auf 280 Zeichen, gut für Kurzdenker und Weltvereinfacher
– Geschwindgkeit; schneller gepostet als drüber nachgedacht
– Rudelbildung, man vernetzt sich nur mit Gleichgesinnten
– Kreische und Hetze, weil man auffallen will und muss
– Zeitvernichtung ohne erkennbaren Nutzwert
– Die Taschen der Erfinder und Besitzer der Plattform werden gefüllt
– So manch einer hat sich bereits um Kopf und Kragen getwittert
– Förderung von asozialem Verhalten und Vereinzelung

Nach den ersten fünf Punkten wär’s auf Twitter bereits fertig, maximale Länge erreicht. Das heisst, wir verlieren hier mit jedem Buchstaben Twitter-Abhängige.

Glücklicherweise hat sich diese Plattform zur Selbstentäusserung nie so durchgesetzt wie Facebook. Aber die Kollateralschäden und die direkten Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen.

Statt einer argumentativen Herleitung einfach ein paar aktuelle Beispiele, die das ganze Elend illustrieren:

Werbung in eigener Sache. Meinungsmacht «Ostschweiz»? Echt jetzt?

Unermüdliche Corona-Kreische Brupbacher gibt nie auf.

Insidergequatsche für den eigenen Fanclub.

Kotzbrocken, versteckt in anonymer Feigheit.

Das waren natürlich nur abtemperierte Beispiele, wir wollen hier bei ZACKBUM auch bei Belegen ein tiefes Niveau nicht weiter nach unten durchbrechen.

Debatte, Argumente, Meinungsaustausch, Fakteninput? Fehlanzeige. Mehr oder minder verzweifelt wird hier Bestätigung gesucht. Je verbitterter die eigene Position, desto aggressiver. Durch Anonymität wächst der Mut von feigen Hetzern und Schimpfern.

Ventil für Verpeilte und Verzweifelte?

Vielleicht kann man Twitter zu Gute halten, dass es als Ventil für Frustrierte, Verbitterte und Ungehörte dienen kann, die dann wenigstens keinen grösseren Blödsinn anstellen. Auf der anderen Seite muss auch bei Twitter die gleiche Frage wie bei Ego-Shooter-Ballerspielen gestellt werden: ist das Triebabfuhr, pädagogisch nützlich – oder ist das verführerisch und gefährlich?

Ist der Nachplappereffekt, vornehm Retweet genannt, Treibstoff für totale geistige Verarmung, weil der Wiederkäuer nicht mal mehr den Schatten eines eigenen Gedankens formulieren muss? Fördert Twitter nicht die redundante Selbstbestätigung, schaltet jeden Zweifel, jedes Nachdenken, jede Analyse, jeden Erkenntnisfortschritt aus? Beinhaltet der Begriff des «Followers» nicht in aller Offenheit, dass der Nutzer anderen hinterherhöseln will?

Die Zeiten, als Twitter ein Zeitvernichtungs- und Unterhaltungsprogramm war, sind längst vorbei. Neben Gekeife, Hetze und sich selbst rückkoppelnden Echokammern wird Twitter immer häufiger für Manipulationsversuche missbraucht. Auch dazu, Gegenöffentlichkeiten herzustellen.

Da im Gegensatz zu immer noch existierenden Newsmedien jeglicher Faktencheck, jede Kontrolle des Wahrheitsgehalts fehlt, entwickeln sich immer wieder abseitige Verschwörungstheorien, kaputte und finstere Vermutungen über Weltherrscher, über Methoden, wie wir alle geknechtet und kontrolliert werden sollen.

Über Reiche, die sich an der Lebensessenz von Kleinkindern vergreifen und damit ihre Jugendlichkeit erhalten. Die Archetypen solcher Absurditäten sind durch die Jahrhunderte gleich geblieben, nur die Transportmittel sind moderner geworden.

Realitätsverlust durch Abkapselung

Indem sich hier jeder Japser und Angstbeisser austoben darf, findet immer weniger eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit statt, immer weniger soziale Interaktion. Der fanatische Twitterer ist weitgehend davor gefeit, sich dem Zweifel seiner Meinung widersprechender Gedanken aussetzen zu müssen. Sollte er kurz verunsichert werden, findet er schnell in den warmen Schoss seiner In-Group zurück, zum gemeinsamen Masturbieren, zum Suhlen in Rechthaberei, Rückbestätigung. Geeint durch die finstere Ablehnung alles Andersdenkenden.

Twitter ist wohl das hässlichste Gesicht des Internets. Aber wo Bedarf existiert, gibt es auch Angebot. Jedes Angebot beinhaltet, den Einmalkunden zum regelmässigen Konsumenten zu machen. Seien das Drogen, Konsumgüter oder Plattformen im Internet. Je unnützer und überflüssig sie sind, desto raffiniertere Tricks verwenden sie, um die Nutzer bei der Stange zu halten.

Das ist ein wenig so wie die Verwendung von Goldfolie bei Speisen. Völlig überflüssig, gaga, hat aber ihre Fans. Allerdings: das kostet, ist dafür unschädlich. Twitter ist vermeintlich gratis (der User zahlt mit Attention und seinen Daten), aber sehr schädlich.

2 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Gar so schlimm ist die Sache in DER Ausführung nicht.
    Mit der gleichen Geschwindigkeit und Umfang wie das Täglich hochkocht, verschwindet das auch wieder in der Versenkung im Vergessen.
    Kritisch wird das erst wenn die Leitmedien gezielt und einseitig, auf einzelne Twitter Nachrichten und Aussagen greifen resp. herausgreifen und als Katalysator, Verstärker und gezielt als Megafon agieren.
    Heute ist im Gegensatz zu vormals der Schrott von tausenden dezentralen Stammtischen in einem grossen zusammengefasst.
    Vormals wirkte die Dezentralisierung bremsend in die Breitenwirkung, heute wirken Masse und Geschwindigkeit bremsend in die Breitenwirkung.
    Ohne gezielten Verstärker und Megafon verschwindet ein Stammtischfurz oder Pöbelei vom grossen oder vom kleinen Stammtisch gleichermassen in der Vergessenheit in der Masse in der Versenkung.
    Auch da gilt es die individuelle Wahrnehmung zu relativieren und in den Gesamtzusammenhang und Masse zu stellen. Entscheidend ist das auch der jeweils Gegenmeinungen der gleich lange ,,Spiess» als Gegenkraft zugestanden wird.

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  2. Adrian Venetz
    Adrian Venetz sagte:

    «Es ist nicht notwendig, dass Du aus dem Haus gehst. Bleib bei Deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich Dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor Dir winden.» (Kafka, 230 Zeichen)

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