Vom Elend der Medien
Credit Suisse im Katastrophenmodus. Na und? Vincenz ist wichtiger.
Am Dienstag beherrschte mal wieder die Bankenwelt die Schlagzeilen und vertrieb sogar Corona aus der gewohnte Pole Position.
Die zweitgrösste Bank der Schweiz gab eine vorzeitige Gewinnwarnung heraus, nachdem am Vortag (ein Leck?) der Kurs um sagenhafte 7 Prozent abgeschmiert war. Mit Fr. 8.28 Schlussnotierung ist die CS-Aktie nicht mal halb so viel wert wie die der UBS.
Wie häufig bringt es Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» auf den Punkt: «CS in freiem Fall – Notverkauf der Immobilien». Rote Zahlen im Investmentbanking, Kundenabflüsse, Rückstellungen für Rechtshändel, Abschreiber aus der Vergangenheit, dagegen werden einzig Erträge durch Immobilienverkäufe generiert.
Das ist beunruhigend, um es zurückhaltend auszudrücken. Denn die Bank ist «too big to fail», systemrelevant, leckt sie nicht nur aus vielen Löchern, sondern droht sie abzusaufen, darf der Steuerzahler wieder ans Gerät – wie weiland bei der UBS.
Ob er auch diesmal seinen Einsatz zurückbekäme: zweifelhaft. Gleichzeitig beschäftigt sich die Führungsmannschaft mit Hofintrigen; gerade ist es einem internen Heckenschützen gelungen, via Medien den erst wenige Monate im Amt befindlichen VR-Präsidenten abzuschiessen.
Der CEO ist – seit zwei Milliardenflops – angeschlagen, unter Druck. Der dritte VRP in kurzer Zeit muss schon die nächste Krise meistern. Das ist alarmierend, um es weniger zurückhaltend auszudrücken. Hier geht es um Milliarden. Um eine Bank in echten Nöten. Das müsste natürlich in den Medien breit verhandelt und analysiert werden. 168 Treffer verzeichnet das Medienarchiv SMD am Dienstag. Immerhin.
Milliarden hier, wenige Millionen dort
Im Fall Vincenz hingegen geht es um Spesenbetrug in der Höhe von ein paar hunderttausend Franken und um möglicherweise ungerechtfertigte Gewinnmitnahmen in der Höhe von ein paar Millionen.
Beide Vorwürfe stehen auf sehr wackeligen Füssen, wie der angesehene Strafrechtsprofessor Marcel Niggli offen kritisiert: «Bin konsterniert, wie schwach die Anklageschrift ist».
Zudem geht es hier um Vorfälle an der Verjährungsgrenze. Es geht auch um die Frage, wieso der damalige Verwaltungsratspräsident von Raiffeisen, der alle Spesen abnickte, nicht in Haftung genommen wird.
Es geht hier um den Prozess gegen den ehemaligen CEO von Raiffeisen, der die Bank zur Nummer drei hinter UBS und CS gemacht hat, die Bilanzsumme verdoppelte. Es geht mit anderen Worten um Peanuts, um eine Abrechnung im Nachhinein. Raiffeisen steht weiterhin stockstabil da, hat sich nie verzockt, musste nie Milliardenabschreiber hinnehmen, wurde keinerlei krimineller Aktivitäten beschuldigt oder gar überführt. Musste nie Milliardenbussen zahlen.
Da werden die Qualitätsmedien doch in der Berichterstattung sicher die richtigen Prioritäten setzen. Nun ja, 168 Treffer für Credit Suisse, 298 für Vincenz am ersten Verhandlungstag. Dabei war ihm nur «ich bin unschuldig» und «kein Kommentar» zu entlocken.
Sackschwach. Mal wieder.
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