Vincenz. Alles anders

Vincenz ist neuerdings für Ringier der Watschenmann. Das war schon mal anders.

Wenn Gieri Cavelty ein «Editorial» schreibt, lässt er selten die ganz grossen Fettnäpfe aus. Diesmal nimmt er sich einen jahrealten Lobestext eines Politikers auf Pierin Vincenz zur Brust: «Pirmin Bischof ist nicht der Einzige, auf den frühere Äusserungen bleischwer zurückfallen», schreibt er zur Hinrichtung von Vincenz im aktuellen SoBli.

Nix Neues, aber sauber in chronologische Reihenfolge gebracht.

Das erinnert an einen alten italienischen Polit-Thriller:

Knallt das Monster auf die Titelseite.

Nun zeichnet gerade den Boulevard-Journalismus aus, dass er über ein ausgesprochen schwaches Kurzzeitgedächtnis verfügt. Denn während sich die «Blick»-Familie über die angeblichen Untaten und das Spesenrittertum des gefallenen Raiffeisenstars gar nicht mehr einkriegt, war das vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders.

Das Gegen-Protokoll:

Lob und Hudel aus dem Jahre 2004.

2007 durfte Vincenz sogar den SoBli mitgestalten.

2009 punktete er «mit einem blendenden Jahresabschluss».

Auch 2011 durfte er ganz Mensch sein.

Noch 2012 konnte er «mit gutem Gewissen» in die USA reisen.

Hier war noch eitel Minne und Sonnenschein bei den Ehepaaren Vincenz und Marc Walder:

Natürlich sülzte auch die «Schweizer Illustrierte» kräftig mit, wo Vincenz regelmässsig zu den wichtigsten 100 Schweizern des Jahres gehörte:

«Von Erfolg zu Erfolg»,«mit sonnigem Lächeln», «im Herzen ein Bergler», der «wasserdichte Banker».

Vielleicht sollte Cavelty nicht so bleischwer mit Steinen auf andere werfen, angesichts dieser Strecke von Lobhudeleien aus der Vergangenheit des Hauses Ringier. Aber nirgends mehr als im Journalismus gilt natürlich: Was geht uns unser dummes Geschwätz von gestern an?

Wenn man allerdings schon ganze 9 Seiten darauf verbrät, Vincenz zwei Tage vor dem Prozess in die Pfanne zu hauen, nachdem auch der «Blick» monatelang die Recherchen von «Inside Paradeplatz» verschnarcht hatte, wäre eine klitzekleine Prise Selbstkritik vielleicht möglich gewesen. Als Bausteinchen zum Wiederaufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Aber doch nicht bei Cavelty.

2 Kommentare
  1. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Da soll noch einer sagen oder schreiben, die grossen wichtigen, ehrlichen, menschlichen und damit unverzichtbaren Medienhäuser seien zu nahe an den Mächtige, den Eliten, den Berufspolitiker, den Geldgierigen …!
    Alles nicht wahr und ab sofort gilt das Gegenteil – bis zum nächsten Mal, wenn den Zentralredaktionen die versalzene Suppe um die Ohren fliegt.
    Ein trauriges, aber nur zu wahres Beispiel aus einer ewigen Serie, die beweist, wie dumm wir alle wären, wenn wir solche Dummschreiber, Scharlatane und Propagandaonkel weiter unterstützen.
    Subventionen für die Feinde der Schweizer Bürger? Diese Medienmissbraucher brauchen das nicht wirklich, aber wollen immer mehr für immer miesere Leistungen.
    Darum fertig lustig und fidel mit kleinen und ganz grossen Affären unter Freunden.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    zackbum.
    Eine Prise Medizin und Licht in der bösartigen Dunkelheit von unerträglicher Heuchelei, Eitelkeit und Verlogenheit der Zürcher Medien-Landschaft.
    Und das strahlende Beispiel gegen alle Verallgemeinerungen: es gibt Zürcher mit Stil, glasklarem Verstand und süffig-amüsant herausgefiltertem Rückblick auf das Elend.
    Danke Herr Zeyer, das macht Freude auf ein anregendes Fastenbrechen.

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