Nachtreten
Wie der Herr, so das Gescherr. Statt zu schweigen, gurgelt die «Blick»-Chefredaktion durchs Abflussrohr.
Zunächst die gute Nachricht: auf einer Hierarchiestufe drängeln sich noch die Häuptlinge. Ganze sieben Nasen umfasst die «Chefredaktion der Blick-Gruppe». Die schlechte: Es ist nur eine einzige, sportliche Frau dabei. Ts, ts. Verwunderlich, dass man dennoch auf die Auflistung von Ladina Heimgartner verzichtet hat.
Die ist schliesslich nicht nur «Head Global Media», sondern auch «CEO Blick Group». Bedauerlich, so kommt ihr Lieblingswort «Resilienz» kein einziges Mal vor.
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Ist denn immer noch nicht alles gesagt? Aber nein:
Wenn gleich sieben Köche einen Meinungsbrei anrühren, dann muss man sich nicht wundern, dass Gordon Ramsay («In Teufels Küche») echten Handlungsbedarf sähe. Während der Chäf himself einen sauberen Text hinlegte («Augenmass»), kommen nun elendslange 6000 A Geschmürzeltes, Geheucheltes, Gehacktes, Weichgespültes und Verkochtes hinzu.
Während Michael Ringier auf dem Boulevard spaziert, schiesst sich diese Versammlung gleich selbst ins Knie:
««Auf meine Initiative hin», «wir wollen die Regierung unterstützen» – herausgepickt kann das tatsächlich nach Befehlsausgabe, nach Appell zu Regierungshörigkeit klingen. Die Äusserungen unseres Chefs rücken uns in ein falsches Licht. Marc Walder hat sich bei der Redaktion entschuldigt, er bedauert seine Wortwahl.»
Wieso eigentlich? Gab es diese Initiative denn nicht? Was bedauert Marc Walder denn? Dass er darum bat, diese Bemerkungen sollten im kleinen Kreis verbleiben, denn es sei ja nichts Geheimes daran. Dann hat er sich bei der «Bild» entschuldigt, die er anrempelte. Schliesslich hatte er gelobt, dass der «Blick» nur mit Wattebäuschen nach der Regierung wirft.
Die Lächerlichkeit dieser Stellungnahme der Unterhäuptlinge liegt darin, dass sie etwas bestreiten wollen, was unbestreitbar ist:
«Denn es ist klar: Es gab nie einen «Befehl», und Blick hätte ihn auch nicht ausgeführt. Es ist nicht die Kultur, die wir bei Ringier kennen. Die Corona-Berichterstattung der vergangenen fast zwei Jahre zeigt es. Blick war nicht regierungstreu, sondern nach bestem Wissen und Gewissen faktentreu.»
Dann wird’s so peinlich, dass es beim Lesen wehtut:
«Im Newsroom hängt ein Manifest, das für alle Blick-Journalistinnen und -Journalisten verbindlich ist. Darin steht unter anderem: «Wir treten für Transparenz und Aufklärung ein. Wir berichten über Missstände, unabhängig davon, ob das den Verantwortlichen und Betroffenen nützt oder schadet.» Regierungshörigkeit wäre das Gegenteil davon.»
In welcher Welt leben diese Chefredaktoren?
Der Gesundheitsminister Alain Berset wurde harsch kritisiert? Durfte nicht als Dressman und Interviewer durch ein Ringier-Magazin tänzeln? Seine aussereheliche Affäre wurde nicht kleingeschrieben, der Einsatz von martialischen Polizeitruppen nicht als durchaus sinnvoll gerechtfertigt? Come on, you’re kidding, wie der Ami sagt.
Passt irgendwie zusammen …
Diese «Stellungnahme» wurde von einem Chefredaktor mitunterzeichnet, der nicht davor zurückschreckt, von der offiziellen Linie abweichende Staatsbürger als «totalitär» zu beschimpfen und ihr Verhalten mit den Massenmördern Hitler und Stalin zu vergleichen.
Soll man diesen Herren (und der einzigen Dame) als Beispiel unter vielen vorhalten, wie sie über die Affäre «Walliserkanne» berichtet haben? Faktentreu? «Die Einheimischen sind erleichtert, dass das Treiben der Skeptiker gestoppt wurde. Die meisten sind froh, dass sie dank dem Zertifikat wieder normal arbeiten können – und freuen sich auf die Wintersaison.» Und wie sülzte Oberchefredaktor Christian Dorer: «Weil sie sich bis zur Verhaftung allen Corona-Regeln widersetzten, wurden die Wirte der Walliserkanne in Zermatt landesweit bekannt. Doch trotz allem Rambazamba unterstützt die überwiegende Mehrheit den Kurs der Vernunft.»
Ganz objektiv, regierungskritisch, unabhängig und ausgewogen meinte Dorer:
«Wer die Corona-Immunisierung ablehnt, verlängert die Pandemie, stresst die Spitäler und schadet den Geimpften.»
Oder müssen wir Dorer daran erinnern, wie er sich als Trump-Groupie gebärdete und sich nicht einkriegte, als der höchstpersönlich eine ihm untertänig entgegengestreckte «Blick»-Ausgabe signierte? Atemlos durch die Macht berichtete das Blatt: «Christian Dorer will ihm einen Kugelschreiber geben, doch Trump will lieber seinen eigenen schwarzen Filzstift.» Wahnsinn.
Die «Blick»-Häuptlinge zeigen Haltung. Und was für eine …
Aber einem Satz im aktuellen Gemurmel kann man zustimmen: «Wir zeigen Haltung.» Das tut auch ein Bückling. Ein Wendehals. Ein Opportunist. Ein Gummirücken. Eine Windfahne.
Aber wozu viele Worte verlieren; als Absackerchen zwei Beispiele für die verantwortungsvolle, tiefschürfende und hochstehende Berichterstattung:
Man stelle sich vor, was «Blick» sülzen und toben würde, wenn das dem Ringier-Liebling Roger Federer passierte. Aber wenn’s einer ist mit einem -ic am Ende des Namens:
«Qualis dominus, talis et servus.» Das ist Latein und bedeutet «Wie der Herr, so auch der Sklave». Dabei gilt allerdings auch die alte Indianerweisheit: Der Häuptling singt immer am schönsten. Das trifft hier eindeutig zu. Marc Walder sagt schlichtweg die Wahrheit. Michael Ringier wirft sich für ihn mit einem eleganten Kommentar in die Bresche.
Was wäre eine gute Stellungnahme gewesen?
Die «Chefredaktion der Blick-Gruppe» hingegen entlarvt sich einmal mehr als eine Versammlung von Nulpen. Man stelle sich nur die Wirkung vor, wenn statt dieses Gewäschs eine wirklich mutige Stellungnahme erfolgt wäre:
Natürlich folgen wir den Vorgaben aus der Teppichetage. Natürlich wollen wir uns in der Gnade und dem Wohlgefallen des Besitzers und des CEO sonnen. Das kann doch nicht anders sein, denn seit wann folgt der Lohnabhängige und Weisungsgebundene nicht den Anregungen des Brötchengebers und Chefs?
Mit diesem Eingeständnis des Offenkundigen hätte diese Versammlung tatsächlich mal ein Zeichen gesetzt.
Jeder, der länger als ein paar Monate im Journalismus arbeitet, hat schon erlebt, dass eine Idee, ein Artikel, eine Kritik, unabhängig von Richtigkeit und Relevanz, einfach abgelehnt wurde. Mit oder ohne Begründung, aber eindeutig wegen: nein, das passt nicht in unsere Richtung. Nein, das sähe spätestens Ringier-Walder, Coninx-Supino oder Wanner-Wanner ganz anders. Auch das wird gesagt, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand und so, dass es jederzeit abgestritten werden kann.
Aber Vorsicht, nicht nur ZACKBUM kennt genügend Beispiele dafür.
Journalismus verreckt nicht an wegbrechenden Einnahmen oder Lesern. Er verreckt nicht mal an der Unfähigkeit der Medienmanager. Er verreckt an seiner offenkundigen, unappetitlichen, widerwärtigen Heuchelei.
Brillant, spannend, herrlich, lächerlich, das ist alles richtig, aber vielleicht auch beunruhigend, beängstigend, alarmierend…? Was wird aus der Demokratie, wenn sich die «vierte Gewalt» wegduckt? Als Deutsche, die ich (aus der Entfernung) auf eine schlimme und tragische Geschichte zurückblicke, bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Die Presse MUSS nicht kann, kritisch auf die Regierung gucken und muss darüber berichten.
Herr Zeyer, Gratulation der Oberhammer. Als Überlegung: Sie glauben wegen dem Nichterwähnen von Frau Ladina Heimgartner wohl nicht, dass sie nicht angefragt wurde, oder? 1 und 1 gibt bei vielen Blick Leserinnen und Leser 5. Bei intelligenten, gescheiten gibt 1+1=2.
Ich gehe davon aus, dass sie angefragt wurde, sie aber nicht wollte. Das hat sein Grund in der Karriere Planung. Sie werden sehen!
Das „Gelübte“ der 7-„köpfigen?“ Chefredaktion zeigt wie verlogen Journalismus sein kann. Schön zu lesen, jämmerlich in der Umsetzung. Dass Heimgartner nicht unterschrieben hat ist verständlich, sie ist Opportunistin und nur ihrer Karriere und ihrem Lächeln verpflichtet. Entsprechend ihrem tatsächlichen Potential.
Mit dieser Stellungnahme können sich deren Exponenten problemlos für das nächste Arosa-Humorfestival anmelden. Sozusagen als neues Betätigungsfeld für den leider aussterbenden Beruf des Journalisten.
Gut gesagt mit dem Arosa-Humorfestival als running gag.
Der mutlose Schweizer Journalismus auf dem Sterbebett. In England bekommt auch der Prime Minister Boris J. vom konservativen „Telegraph“ sein Fett ab.
Die grosse Konkurrenz in den Medien des Vereinigten Königreichs verunmöglicht es, Gefälligkeitsjournalismus zu betreiben.
Brillianter Artikel. Natürlich können sich Mitarbeiter nicht dauerhaft den Vorgaben des Arbeitgebers widersetzen. Aber es ist schon herrlich zu sehen wie sich Journalisten verbeugen, um wenigstens einen Hauch der Rechtfertigung vorzutäuschen. Und machen sich dabei komplett lächerlich. Ist ja im Übrigen auch spannend zu sehen wie in den Mainstream-Medien das Narrativ zur Corona-Pandemie dreht… und langsam aber sicher von der Frontseite verschwindet.